Ein fast schon magischer Ort

3 Min
horst schönberger 1966 in steinbruch foto fuchs
Im April 1966 entstand dieses Foto, für das Hans Schönberger in die Wand des Steinbruchs geklettert war ...
horst schönberger 1966 in steinbruch foto fuchs
Foto: SCHÖNBERGER
horst schönberger mit eisenkeil foto diana fuchs
Mit diesem Original-Eisenkeil wurde der Schilfsandstein aus dem Felsen geklopft. Hans Schönberger verwahrt den Keil neben seinem aus Wiesenbronner Sandstein gemauerten Keller auf.
horst schönberger mit eisenkeil foto diana fuchs
Foto: D. Fuchs
horst schönberger mit album foto diana fuchs
Zeitzeuge Hans Schönberger blättert in einem Album von 1966, das seine Familie und ihn selbst bei einem Besuch im Steinbruch zeigt.
horst schönberger mit album foto diana fuchs
Foto: DIANA FUCHS
Bürgermeister Volkhard Warmdt bedankt sich für die „Inwertsetzung“ des Steinbruchs beim Zeitzeugen Hans Schönberger, bei Daniela Kühnel (Schilder) und Teresa Öchsner ...
Foto: Dorfschätze
Dort, wo er gut 70 Jahre zuvor Steine aus dem Felsen gehauen hat, freut sich Hans Schönberger nun über die gelungene Inwertsetzung des Areals.
Foto: DORFSCHÄTZE
horst schönberger heute und 1966 im STeinbruch foto diana Fuchs
Zeitzeuge Hans Schönberger hat ein Bild von 1966, das ihn selbst zeigt, wie er in der Wand des Steinbruchs steht. Fotos: diana fuchs
horst schönberger heute und 1966 im STeinbruch foto diana Fuchs
 
Was heute fast idyllisch wirkt, war einst eine Plagerei. Mit Hilfe dieses eisernen Wagens, der Lore, konnten die Steinbrocken aus dem Bruch herausgeschoben werden.
Diana Fuchs
Gut zu erkennen sind die unterschiedlichen Schichten des Schilfsandsteins.
Foto: DIANA FUCHS
Wie kleine Ohrmuscheln auf dem Moos sehen diese Baumpilze aus.
Foto: DIANA FUCHS FOTO Diana Fuchs
Solche Spalten und Höhlen sind gute Quartiere für Insekten und Fledermäuse. FOTO Diana Fuchs
Diana Fuchs
Platz für eine Wurzel ist offenbar in der kleinsten Spalte. Die Natur hat sich den Steinbruch zurückerobert. FOTO Diana Fuchs
Diana Fuchs
Was heute fast idyllisch wirkt, war einst eine Plagerei. Mit Hilfe dieses eisernen Wagens, der Lore, konnten die Steinbrocken aus dem Bruch herausgeschoben werden.
Foto: DIANA FUCHS
Gelbbauchunke
Die Gelbbauchunke ist im Wiesenbronner Steinbruch heimisch.
Gelbbauchunke
Foto: peter steffen/dpa
bru-brj-haselmaus9
Die Haselmaus fühlt sich im Steinbruch wohl.
bru-brj-haselmaus9
Foto: RAINER BETZ
_
 

Dort, wo sich die Wiesenbronner einst „mords geplagt“ haben, ist ein Paradies für seltene Tiere und Pflanzen entstanden. Ein Besuch im alten Steinbruch.

Wie sind die Kühe und Ochsen bloß da raufgekommen? Und heil wieder runter? Mit dem eisenbereiften Wagen und der schweren Fracht, die sie transportieren mussten? Staunend steht man am steilen Hang vor dem Wiesenbronner Steinbruch. Bis Mitte des vorigen Jahrhunderts hat man hier grünen Schilfsandstein abgebaut. Hans Schönberger erinnert sich gut daran. Der Wiesenbronner freut sich sehr, dass der besondere Ort mitten im Wald oberhalb von Wiesenbronn nun wie ein kleines Freilandmuseum gestaltet worden ist und Wanderer und Ausflügler begeistert.

Eine echte Schinderei

„Ich war damals 17 oder 18 Jahr', da hat mich der Vater mit in den Steinbruch genommen“, erzählt der jung gebliebene 90-Jährige. Jeder Bürger hatte zu der Zeit das Recht, unentgeltlich Steine zu hauen und für eigene Bauvorhaben zu verwenden. „Man hat nur die Genehmigung der Gemeinde einholen müssen, dann konnte man loslegen.“ Die Schönbergers brauchten die Bruchsteine unter anderem für einen Keller.

Zuerst habe man mit der Spitzhacke eine Rille in den Felsen gehauen, immer schön parallel zu den Gesteinsschichten, erzählt Schönberger und seine Hände untermalen lebhaft seine Worte. An der so entstandenen Sollbruchkante hämmerte man eiserne Keile in den Felsen, bis sich irgendwann eine Gesteinsschicht von der anderen löste. „Des war a Mords-Plagerei!“ Die schwere Arbeit wurde nur durch eine Lore erleichtert, einen Eisenwaggon, der auf Schienen stand und mit dem der Abraum aus dem Steinbruch transportiert werden konnte. „Draußen hat man die guten Steine aufs Fuhrwerk geladen. Und die Reste den Hang hinuntergekippt.“

Bäume wurzeln in der Felswand

Das Fuhrwerk, gezogen von Rindern, musste nun allerdings wieder heil den Berg hinunter. „Dafür hat man an eines der Räder eine so genannte Rauhemm gemacht – eine Art Hemmschuh aus Eisen, der ständig gebremst hat.“

Mindestens 15 Mal, so schätzt der 90-Jährige, hat er seinen Vater in den Steinbruch begleitet. Daheim im Wiesenbronner Altort mauerte ein Verwandter aus den recht unterschiedlich geformten Bruchsteinen schöne Wände.

Während zum Beispiel der Kartoffelkeller der Schönbergers heute noch in voller Pracht zu bewundern ist, kann man im Steinbruch selbst die schwere Arbeit von einst nur noch erahnen. Die Natur hat sich die Felsen und ihre Umgebung zurückerobert, Bäume und Sträucher wachsen darauf – und auch der gegenüberliegende Schotterrangen ist längst grün. Dafür zeigen seit kurzem drei große, grafisch gestaltete Tafeln, was einst im Steinbruch passierte.

Auch die alte Lore hat man wieder auf ein Stück Schiene gesetzt – als Zeugin einer vergangenen Zeit und Wächterin der Gegenwart.

Geheimer Treffpunkt

Denn eins soll der Steinbruch nicht mehr sein: ein geheimer Treffpunkt für Feierwütige und Kletterer. Zum Einen sprechen die akuten Gefahren durch Steinschlag gegen eine solche Nutzung, zum Anderen ist der Steinbruch mittlerweile ein Dorado für die Artenvielfalt. Zahlreiche schützenswerte Tiere und Pflanzen leben hier, etwa die Bechsteinfledermaus, die Haselmaus und zahlreiche Pilzarten. „Auch die Gelbbauchunke als besonders stark gefährdete Art hat ein Rückzugsgebiet gefunden. Wir hoffen, dass sie sich hier weiter etablieren wird“, sagt Bürgermeister Volkhard Warmdt.

Nicht erst, seit er Bürgermeister ist, interessiert sich Warmdt für den Steinbruch. Jetzt konnte er das Areal, das Teil des europäischen Natura-2000-Schutzgebietes ist, mit Hilfe der Dorfschätze-Allianz „inwertsetzen“, wie es Amtsdeutsch heißt, finanziell gefördert durch das Regionalbudget der kommunalen Allianz „Dorfschätze“. Die Abbruchkante wurde mit einem Holzgeländer gesichert, ebenso der Zugang zum Bruch selbst. Auf den großen Tafeln erfahren die Besucher Spannendes über die Entstehung des Sandsteins, seinen Abbruch und seine Nutzung. Und sie lernen auch, dass der grüne Schilfsandstein vor 250 bis 200 Millionen Jahren gar nicht aus Schilf, sondern aus Ackerschachtelhalm entstanden ist.

„Bitte nehmen Sie Rücksicht bei der Begehung des Steinbruchs und genießen Sie die fast schon magische Atmosphäre, ohne in den letzten Winkel vorzudringen“, appelliert Warmdt an alle Gäste. Der Landwirt, Winzer, Holzdreher, Korbmacher und Obstbaumwart Horst Schönberger sagt es so: „Da oben, das ist ein kleines Paradies geworden.“

Der Steinbruch

Früher: Bis Mitte des 20. Jahrhunderts lieferte der Wiesenbronner Steinbruch einen begehrten Roh- und Baustoff. Der grüne Schilfsandstein lässt dich vergleichsweise leicht bearbeiten. Das machte ihn bei Bauherren, aber auch bei Bildhauern und Steinmetzen beliebt. Das grau- bis olivgrüne Gestein bekam seinen Namen wegen der häufig zu findenden Abdrücke fossiler Schachtelhalmgewächse, die man früher fälschlicherweise für Schilfreste hielt.

Heute: Der Steinbruch lebt! Die Natur hat ihn sich zurückerobert. Entstanden ist ein wertvolles Rückzugsgebiet für viele Tier- und Pflanzenarten, von Fleder- und Haselmäusen bis hin zu Farnen und Pilzen.

Erkunden: Der Wiesenbronner Steinbruch liegt etwa zwei Kilometer südöstlich des Ortskerns im Wald, direkt an der örtlichen Traumrunde, dem Rundwanderweg um Wiesenbronn. Mit dem Auto direkt hinfahren kann man nicht. Für Kinderwagen ist der Schotterweg nur bedingt geeignet. (difu)