Weil im Frostjahr 2020 so wenig Wein wie noch nie gelesen wurde, verkauft die Divino Nordheim-Thüngersheim bald auch Wein aus anderen Anbaugebieten
Was tun, wenn die Ernte viel zu spärlich ausfällt? Wenn die „Munition für den Vertrieb fehlt“, wie es Wendelin Grass ausdrückt. Der Geschäftsführer der Genossenschaft Divino Nordheim-Thüngersheim hat sich mit seinen Mitarbeitern Gedanken gemacht – und ist auf eine kreative Lösung gekommen.
Vor drei Jahren hat Grass mit drei ähnlich großen Genossenschaften in Württemberg, Baden und der Pfalz die „German Wine Group GmbH“ gegründet. Ziel war es, den Export zu stärken. Gemeinsam könne die internationale Vermarktung der Produkte konzentrierter erfolgen, so die Überlegung. Jetzt helfen die deutschen Kollegen dem fränkischen Betrieb, der unverschuldet in Not geraten ist.
350 Hektar Weinbergsfläche bewirtschaft die Divino. 140 Hektar waren in diesem Jahr ein Totalausfall. An der Mainschleife hat der Frost im Mai richtig zugeschlagen. Trotzdem wurden 80 Hektar dieser Fläche gelesen, um wenigstens ein paar Trauben im Keller zu haben. 60 Hektar blieben ungelesen.
„Wir können unseren Kunden diese besondere Situation im Gespräch vor Ort erläutern.“
Wendelin Grass, Geschäftsführer Divino
Zum Glück hat die Genossenschaft auch Flächen in Thüngersheim, die vom Frost verschont geblieben sind. Auf den rund 130 Hektar ist ein normaler Ertrag eingeholt worden. Dennoch: Im Vergleich zu einem normalen Jahr fehlt der Genossenschaft mehr als ein Drittel an Menge.
„Wir wollen auch weiterhin alle Vertriebswege bedienen“, erklärt Wendelin Grass. Gerade im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) besteht eine große Konkurrenz. Wer einmal aus den Regalen der Supermärkte fliegt, der kommt sehr schwer wieder hinein. „Das kann zwei bis drei Jahre dauern, bis man diese Plätze wieder erobert“, erklärt er. Die Einbußen durch erhöhte Preise einfach an die Verbraucher weiterzugeben, sei auch nicht die Lösung. Fingerspitzengefühl sei gefragt, bestimmte Schwellen könnten nicht so leicht übersprungen werden. Ergo: Der LEH muss weiter bedient werden.
In der Direktvermarktung geht die Divino dafür neue Wege. Dort wird es bald auch Weine aus drei anderen deutschen Anbaugebieten geben. „Ein einmaliger Vorgang“, betont Grass und ergänzt: „Er betrifft auch nur eine unserer Weinlinien.“ Unter dem Begriff „Juventa“ vertreibt die Divino leichte und fruchtige Weine. Produkte, bei denen es nicht so sehr um das „terroir“, die typische Ausprägung einer bestimmten Lage geht. Bereits kurz nach dem Froster-eignis hat Grass Kontakt zu seinen Partnern in der Pfalz, in Württemberg und in Baden aufgenommen. Die Kollegen kamen seiner Bitte nach und stellten bestimmte Flächen für „Juventa-Weine“ zur Verfügung. „Wir haben unsere Anbaurichtlinien weitergegeben“, erklärt Grass. Die Weinberge sind entsprechend bearbeitet und gelesen worden. In diesen Tagen werden die ersten Margen nach Franken gebracht. „Nach dem ersten Anstich“, wie der Leiter Vinotheken bei Divino, Peter Angele, erklärt. In Nordheim kommen die Weine dann auf die Feinhefe. „Wir können also noch steuernd eingreifen.“
„Dieses Jahr werden wir schon irgendwie hinbekommen.“
Hermann Schmitt, Fränkischer Weinbauverband
Im nächsten Jahr sollen diese Weine ausschließlich in der Direktvermarktung verkauft werden. „Wir können unseren Kunden diese besondere Situation im Gespräch vor Ort erläutern“, erklärt Grass.