Düstere Zeiten für die Landwirtschaft?
Autor: Robert Wagner
Kitzingen, Dienstag, 29. März 2016
Im ersten Teil unserer Serie zur lokalen Landwirtschaft: Die Landwirtschaft hat mit komplexen Probleme zu kämpfen. Experten im Gespräch.
Auf dem langen Tisch steht ein silbernes Tablett mit belegten Brötchen. Wurst und Käse – selbstverständlich nur von Bauern aus der Region. Selbstverständlich? Nicht wirklich. Schließlich stehen heute auch die Landwirte in nationaler und internationaler Konkurrenz. Tiere, Fleisch, Milch und Getreide werden viele Kilometer durch Deutschland, Europa und die ganze Welt gefahren. Lokale Landwirtschaft ganz global.
Um den Tisch sitzen sechs Männer. Sie wollen an diesem Abend über die Probleme der Landwirte im Kreis Kitzingen diskutieren. Und über Chancen. Was ist die größte Bedrohung für den Bauern von heute? Der Klimawandel? Die internationale Konkurrenz? Die Macht der Lebensmittelhändler? Das Desinteresse der Konsumenten? Oder doch überbordende staatliche Bürokratie?
Ganz natürlich haben sich die Lager geteilt. Auf der einen Tischseite sitzen Alois Kraus, Helmut Schmidt und Herbert Pfriem. Auf der anderen Hans Plate, Manfred Engelhardt und Klaus Petter. Konventionelle Landwirtschaft gegen Ökolandbau – ist es wirklich so einfach?
Dass die Landwirtschaft in Schwierigkeiten steckt, da ist man sich schnell einig. Bei den möglichen Ursachen wird es schon komplizierter. Herbert Pfriem berichtet darüber, wie der Klimawandel schon jetzt seinen Betrieb belastet. Der Boden wird trockener. Noch trockener als er auf der „Fränkischen Trockenplatte“ ohnehin schon immer war. Höhere Sonnenintensität verschiebt die Vegetationsphasen. Außerdem schädigt die UV-Strahlung die Pflanzen, insbesondere seinen Wein, erklärt Pfriem. Es wird früher geerntet. Für seine Pferdepension mäht er auch Gras. Früher ist das am Waldrand kaum gewachsen. Jetzt gedeiht es da prächtig.
Das Klima wird nicht nur heißer und trockener, das Wetter wird auch immer unberechenbarer. Auch das macht den Bauern zu schaffen. „Wir müssen im Frühjahr die Felder düngen, um die Pflanzen mit Nährstoffen zu versorgen“, sagt Alois Kraus. „Wenn es dann weniger regnet, können die Nähstoffe nicht aufgenommen werden.“ Überdüngung droht.
Die Zusammenhänge sind komplex. Kraus mahnt deshalb eine Professionalisierung der Diskussion an. „In Fragen der Landwirtschaft ist jeder plötzlich Experte. Jeder weiß angeblich, wie es besser geht. Landwirte haben heute eine jahrelange Ausbildung hinter sich. Da frag' ich mich doch: Wozu machen wir das, wenn's angeblich so einfach ist?“ Viele politische Entscheidungen seien populistisch, wissenschaftliche Grundlagen fehlten.
Schuld seien daran auch die Tier- und Naturschützer. Helmut Schmidt weist auf die Problematik der Eberkastration hin, die ihn als Schweinewirt selbst treffen wird. Ab 2019 ist die betäubungslose Kastration verboten. Seiner Meinung nach hätten die Ferkel auch mit Narkose kein anderes Schmerzempfinden, da sie nach wenigen Minuten zurück an das Gesäuge der Mutter müssen. Linderung könnten nur Schmerzmittel bringen. „Moralische Überlegungen ohne fundierte, wissenschaftliche Basis, laufen völlig an der Realität vorbei“, sagt Schmidt.