Dass es da ein Problem geben könnte, war Thomas Reichert schon bewusst. Aber nicht, dass es so besorgniserregend ist: 24 Anwesen in der Altstadt von Marktsteft stehen leer. Ein „Aha-Effekt“, sei es gewesen, als diese Zahl in einer Untersuchung an den Tag gekommen war, sagt der Bürgermeister. Ein positiver dürfte es nicht gewesen sein.
Leerstände sind in vielen Kommunen ein Thema – doch das Ausmaß, das in Marktsteft zu beobachten ist, scheint gravierend. Bei der Vorstellung des städtebaulichen Entwicklungskonzepts wurden kürzlich im Stadtrat Zahlen genannt: 24 Häuser im Altort stehen leer, 39 Häuser sind nur noch von einer Person bewohnt. Es ist also damit zu rechnen, dass die Zahl der Leerstände noch weiter steigt, und zwar deutlich. „Dabei ist der Altort gerade das, was Marktsteft ausmacht“, sagt Thomas Reichert. Die Stadt sei deshalb auch bereit, innerhalb ihrer finanziellen Möglichkeiten Bauherren zu unterstützen, die ein altes Anwesen kaufen und sanieren.
Ein Blick auf die Einwohnerzahlen lässt so eine Entwicklung nicht erahnen. 1924 Einwohner haben Marktsteft und Michelfeld, die Zahlen gehen seit Jahren nach oben. In den Baugebieten sind neue Häuser entstanden. Die Entwicklung bei den Baugebieten und beim Gewerbegebiet sei sehr positiv gewesen, so Reichert. „Hier wurden die Weichen sehr gut gestellt“, lobt er seinen Vorgänger. Wer noch ein Haus bauen will, hätte theoretisch in beiden Ortsteilen noch Platz, aber viele Grundstücke sind in Privatbesitz und werden nicht verkauft. „Wir sind in Gesprächen“, erklärt der Bürgermeister dazu. „Steter Tropfen höhlt den Stein.“ Zudem werden in Michelfeld jetzt sieben Bauplätze ausgewiesen.
Mit der Zahl der Einwohner wächst auch die Zahl der Kinder. Erst 2014 wurde die Erweiterung des Kindergartens gefeiert – und schon kurz darauf war der Platz wieder zu knapp. Die Folge: Es mussten Container aufgestellt werden. Ein Wort, das Thomas Reichert gar nicht mag. Raummodule möge man schreiben, bittet er. Doch alleine die Wortwahl ändert an der Tatsache nichts. Für drei Jahre hat Marktsteft die Genehmigung, sich mit den Modulen über die Raumenge hinwegzuhelfen. Spätestens 2018 muss sich was tun. „Flickschusterei“, soll das dann nicht werden, sondern eine vernünftige Lösung. Denn auch in der benachbarten Schule steht eine Sanierung an, wenn man den Standort für die Erst- bis Viertklässler erhalten will.
Reichert nennt das Schlagwort Synergieeffekte zwischen Kindergarten und Schule und bringt zudem noch die Integration eines Generationentreffs ins Gespräch, über die man nachdenken könnte.
„Die Touristen schauen sich auch mal den
Kärrnerplatz an. Aber sie lassen kein Geld hier. “
Thomas Reichert, Bürgermeister
Was gemacht werden könnte und was wird, das hängt natürlich insbesondere von der finanziellen Situation ab. Aus dem Vollen schöpfen kann Marktsteft nämlich nicht, obwohl es viel Gewerbe hat. Nachdem die Gewerbesteuer jahrelang sprudelte, haben Steuereinbrüche derzeit zur Folge, dass Marktsteft plötzlich auf Schlüsselzuweisungen angewiesen ist. „Die Gewerbesteuereinnahmen waren in den letzten zwei Jahren extrem rückläufig.“ Zwei, drei Jahre noch, so rechnet der Bürgermeister, dann wird es wieder leichter für die Stadt.
Einen großen Schritt voran hat die Stadt mit dem Gewerbegebiet an der Staatsstraße 2271 gemacht, das gemeinsam mit der Stadt Marktbreit verwirklicht wurde. Zahlreiche Firmen haben sich dort niedergelassen, es gibt einen Einkaufsmarkt mit Metzger-Filiale, einen Schnäppchenmarkt und einen Bäcker, Tankstelle und Waschanlage. Das gemeinsame Gewerbegebiet war in den Augen von Thomas Reichert „die beste Entscheidung, die die Stadt getroffen hat“. Und die Entwicklung an diesem Kreuzungsbereich geht weiter: Marktsteft weist dort neuen Platz aus, „für Kleingewerbe, das die Versorgung im Ort sichert“.
Diese Versorgung im Altort sah früher deutlich besser aus. Vier Bäcker gab es mal, sechs Gastronomen, einen Metzger. Ein Bäcker – der im Ort und im Gewerbegebiet verkauft – und eine Gaststätte sind übrig geblieben. Auch einige Übernachtungsmöglichkeiten gibt es.
Dass man nur noch in einer Gaststätte einkehren kann, wirkt sich auch auf den Tourismus aus. 500 bis 600 Radfahrer, so schätzt der Bürgermeister, fahren im Sommer täglich auf dem Marktstefter Radweg. „Sie bleiben auch mal stehen, schauen sich den Kärrnerplatz oder die Präparandenschule an. Aber sie lassen kein Geld hier.“ Diesen Gästen müsse man etwas Besonderes bieten. Ein Fischrestaurant am Hafen wäre eine Möglichkeit, meint Reichert. „So können wir auch Leute aus Würzburg hierher bringen.“
Schon alleine historisch gesehen ist Marktsteft schließlich einen Besuch wert. Dort gibt es den ältesten Hafen Bayerns. Die Stadt hat das Gebäude gekauft, Gespräche mit Investoren laufen. Wie wichtig der Hafen für Marktsteft ist, zeigt sich auch daran, dass er Namensgeber des großen Festes ist, das alljährlich gefeiert wird. In diesem Jahr ist es am 17. Juli soweit – und das Fest wird etwas größer ausfallen, denn auch die erste Erwähnung Marktstefts vor 800 Jahren wird gewürdigt. „Da machen wir das Hafenfest etwas größer.“
Gefeiert wird in Marktsteft und Michelfeld überhaupt gern. „Marktsteft ist eine Feststadt“, sagt Reichert. Das liegt daran, dass es ein intaktes und extrem aktives Vereinsleben gibt. Marktsteft gilt als Handballhochburg, doch es gibt weit mehr als die Sportvereine: darunter Schützen, eine gut funktionierende Soldaten- und Reservistenkameradschaft, Posaunenchor, Angler, Gartenbau- und Ortsverschönerungsvereine. Es gibt viele helfende Hände, „die fördern auch die Gemeinschaft“, lobt der Bürgermeister.
Zu den großen Maßnahmen, die Marktsteft derzeit beschäftigen, gehört die Kanalsanierung. 2013 wurde die Mischwasserbehandlungsanlage angegangen, jetzt sind die Anschlussarbeiten an der Reihe. In diesem Jahr werden Kanal und Straße in der Güntherstraße saniert, anschließend folgt die Marktbreiter Straße, wo allerdings nur der Kanal gemacht wird. Da die Kanäle im Schnitt 50 bis 60 Jahre alt seien, werde die Sanierung Marktsteft noch lange begleiten: „Das ist die Aufgabe der nächsten 20 Jahre. “ Fraglich ist außerdem, wie lange die Naturkläranlage Michelfeld noch betrieben werden kann. „Die Zielrichtung des Wasserwirtschaftsamtes ist klar: Ein Anschluss an das große Ganze.“ Das würde bedeuten, auch diesen Ortsteil an die Kläranlage Kitzingen anzuschließen. Die Abwasserproblematik ist aber grundsätzlich nicht einfach: „Wir haben kein Gefälle. Wir müssen pumpen. Und wir haben viel Sand, der Ablagerungen mit sich bringt. Das macht das Ganze schwierig.“
1,4 Millionen Euro werden Kanal- und Straßenarbeiten in der Güntherstraße und der Marktbreiter Straße 2016/17 kosten. Und dann waren da ja noch der Kindergarten und die Schule. „500 000 Euro in den nächsten drei Jahren“, rechnet Reichert. Und das bei den gesunkenen Einnahmen. Was bleibt, ist das, was Reichert – „von tiefstem Herzen ein Kaufmann“ – gelernt hat: Vorsichtig mit dem Geld umgehen. Aber auch nicht tot sparen.
Marktsteft
Marktsteft liegt im südlichen Landkreis und gehört zur Verwaltungsgemeinschaft Marktbreit. Die Kommune setzt sich aus der Stadt Marktsteft und dem Ortsteil Michelfeld zusammen und hat 1924 Einwohner (Stand Dezember 2014). Es gibt in Marktsteft einen Kindergarten, der allerdings zu klein ist, so dass die Kinder zum Teil in „Raummodulen“ untergebracht sind. Die Grundschüler werden in der Marktstefter Schule unterrichtet, die zum Schulverband Marktbreit gehört. Im Altort gibt es noch einen Bäcker und einen Friseur, im Gewerbegebiet einen Bäcker und einen Einkaufsmarkt. Bürgermeister Thomas Reichert ist seit 2014 im Amt.