Chancengleichheit ist Chefsache

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„Macherinnen beim 15. Wirtschaftsforum Mainfranken – gemeinsam mit den Gastgebern (von links): Wolfgang Fieber, Asa Petersson, Bibiana Steinhaus, Landrätin Tamara Bischof, ...
Foto: Daniela Röllinger
Frauen denken und kommunizieren anders – und davon können Unternehmen profitieren, weiß Christine Regitz, Vizepräsidentin der Gesellschaft für Informatik.
Foto: Daniela Röllinger

Ohne Frauen ist dem Fachkräftemangel nicht beizukommen. Kleine Schritte bringen viel

Es gibt zu wenig Frauen in technischen Berufen und in Führungspositionen. Das ist allgemein bekannt. Doch was häufig als Frauenproblem gesehen wird, ist in Wahrheit ein Unternehmensproblem, machte Christine Regitz, Vizepräsidentin der Gesellschaft für Informatik e.V., am Donnerstag beim 15. Wirtschaftsforum Mainfranken in Iphofen deutlich.

„Männerdomäne oder Frauensache?“ lautete der Titel der Veranstaltung, zu der die Region Mainfranken GmbH und die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. in die Karl-Knauf-Halle eingeladen hatten. Nach einführenden Worten von Landrätin Tamara Bischof, des vbw-Vorstandsvorsitzenden Unterfranken, Wolfgang Fieber, und des Schweinfurter Oberbürgermeisters Sebastian Remelé, Vorsitzender der Region Mainfranken, befasste sich Christine Regitz mit der Frage, wie Frauen in technischen Berufen und Führungspositionen gefördert werden können. Dass Handlungsbedarf besteht, belegte sie anhand von Zahlen: Der Frauenanteil in technischen Berufen ist niedrig, die Zahl der Studentinnen ebenso. Beim Vergleich der Absolventinnen naturwissenschaftlicher Fächer liegt der Oman an der Spitze, gefolgt von Kuwait und Bahrain, bestes EU-Land ist Portugal, gerade mal auf Platz 18. Laut EU-Kommission könnte das Bruttoinlandsprodukt um neun Milliarden Euro gesteigert werden, wenn es mehr berufstätige Frauen gäbe. Und der Fachkräftemangel ist mehr als gravierend: Schon in wenigen Jahren werden alleine 800 000 Arbeitsplätze im IKT-Bereich, also der Informations- und Kommunikationstechnologie, nicht besetzt werden können.

Bei der Frauenförderung in technischen Berufen und Führungspositionen geht es laut Christine Regitz nicht darum, die komplette Welt zu ändern, sondern um kleine Schritte. „Frauen sind ein bisschen anders“, sagte sie. Sie setzen andere Schwerpunkte, haben einen anderen Kommunikationsstil, gehen das Thema Macht anders an als Männer und haben andere Karrieremotive. Frauenförderung sei eine Frage der Unternehmenskultur. „Sie muss Chefsache sein.“ Das klare Bekenntnis zur Chancengleichheit müsse von oben kommen. Wichtig sei es, die Bedeutung des Themas für das Geschäft zu definieren. „Sie wollen nicht Frauen fördern, Sie wollen das Geschäft fördern. Davon profitieren dann auch die Männer“, machte sie den etwa 140 Anwesenden deutlich. Als ein Beispiel für ein Umdenken nannte sie Stellenausschreibungen. Diese enthielten oft unheimlich viele Anforderungen. „Frauen bewerben sich nur, wenn sie 100 von 100 Anforderungen auch erfüllen. Männer bewerben sich schon, wenn sie zehn, 20 davon erfüllen.“

Steinhaus rät zu mehr Mut

Von ihren Erfahrungen bezüglich des Rollenwandels berichteten in einem Podiumsgespräch vier „Macherinnen“, darunter Bibiana Steinhaus, Polizeihauptkommissarin und erste Schiedsrichterin im deutschen Profifußball, die Männerspiele leitet. Als sie ihren Weg begonnen habe, sei sie diesen nicht angetreten, um Vorbild zu sein, sondern sie habe gemacht, was sie geliebt habe. Es sei wichtig, an seinem Traum festzuhalten, unabhängig vom Geschlecht. Leistung, Selbstvertrauen und Mut nannte sie als Grundvoraussetzungen, ohne die es nicht gehe. Ihr Appell an die Frauen: Man solle ruhig mal eine Nummer größer wählen, „Sie wachsen schon rein“. Wer den Weg in die erste Reihe gehe, müsse sich aber darüber im Klaren sein, dass es dort zugig sei. „Dann stehen Sie halt jeden Montag in der Bild-Zeitung“, sagte sie zu ihrer Situation. „Das ist nicht jedermanns Sache. Das muss man aushalten.“ Der Gradmesser ihrer Arbeit auf dem Fußballfeld könne nicht die Zufriedenheit der anderen sein. Wenn sie entscheide, seien immer elf dafür und elf dagegen. Gradmesser sei für sie vielmehr die Frage, ob sie morgen wieder genauso entscheiden würde.

Alleine unter Männern zu sein, das kennt auch Eva Maria Roer, Geschäftsfrau aus Bad Bocklet. Sie war bei ihrem Studium in den 60er Jahren in Vancouver die einzige Frau. Dabei stellte sie schnell fest: „Da sind die Kommunikationsströme ganz anders.“ Als sie später ihr Unternehmen gründete, setzte sie zunächst nur auf Frauen, hatte über 20 Mitarbeiterinnen. Doch ausschließlich Frauen in der Firma, das habe polarisiert statt integriert. Sie merkte: „Wenn du Veränderungen willst, brauchst du die richtige Dosis.“ Heute sind 40 Prozent ihrer 300 Mitarbeiter Männer.

Als Elektronikerin arbeitet Diana Reuter in einem Männerberuf. Die junge Frau musste bei ihren Bewerbungen feststellen, dass es vielerorts schon an den äußeren Begebenheiten scheiterte: Es gab keine Umkleiden und Toiletten für Frauen. Ein Defizit, mit dem Unternehmen qualifizierte Arbeitskräfte ausschließen. An ihr wurde auch deutlich, welche Bedeutung für das „Geschlechterdenken“ bereits das Elternhaus hat: Ihr Interesse an technischen Berufen wurde durch eine Modelleisenbahn geweckt – wobei die Anlage ursprünglich gar nicht für sie, sondern für ihren Bruder gedacht war.

In einem technischen Beruf ist auch Michelle Skodowski, Co-foundering des Softwareentwicklers Botfriends tätig. In der Schule habe sie zwar Informatikunterricht gehabt, aber dort habe man vor allem „gespielt, und das wars“. Sie forderte einen größeren Stellenwert für Informatik und Technik in der Schule.

Damit sprachen die Frauen mehrere Punkte an, die Wolfgang Fieber und Sebastian Remelé schon einführend genannt hatten. Um das „geschlechterübergreifende Großproblem“ des Fachkräftemangels in den MINT-Fächern zu bewältigen, müsse man schon Kinder und Jugendliche für die Naturwissenschaften begeistern, so der Schweinfurter Oberbürgermeister. Wichtig sei es, die Rahmenbedingungen zu ändern, um Familie und Beruf besser zu vereinbaren und damit die Chancen von Frauen in der Arbeitswelt zu erhöhen, betonte Wolfgang Fieber. Deutlich wurde allerdings an diesem Abend auch: Die meisten der Männer und Frauen auf dem Podium halten wenig von einer Quote. „Das zu verordnen, funktioniert nicht“, sagte Bibiana Steinhaus. „Die Grundvoraussetzung ist immer die Leistung.“