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Zukunft der Landwirtschaft: Blühende Landschaften?


Autor: Robert Wagner

Kitzingen, Mittwoch, 30. März 2016

Im zweiten Teil unserer Serie zur lokalen Landwirtschaft, geht es um die Zukunft. Wird es Zeit für eine zweite "Grüne Revolution"? Und wie könnte sie aussehen?
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Mit dem Namen Thomas Robert Malthus verbinden sich sehr düstere Zukunftsprognosen. Der britische Ökonom befürchtete im ausgehenden 18. Jahrhundert Hungerkatastrophen aufgrund der stark wachsenden Bevölkerungszahl bei nur langsam wachsender Nahrungsproduktion. Er sollte nicht Recht behalten.

Stattdessen folgte eine Industrialisierung der Landwirtschaft. Chemische Dünger und Pestizide, Traktoren und neu gezüchtete Pflanzenarten führten zu einer regelrechten Explosion der Produktion. „Grüne Revolution“ nannte man das Phänomen Mitte des 20. Jahrhunderts. Die negativen Konsequenzen kann man heute beobachten (siehe gestrige Ausgabe): Monokulturen, Umweltbelastung, Preisverfall und Strukturwandel.

Ist also die Zeit für eine neue „Grüne Revolution“ gekommen? Und wie könnte die im Lokalen aussehen? Alois Kraus, Helmut Schmidt, Herbert Pfriem, Hans Plate, Manfred Engelhardt und Klaus Petter diskutieren im zweiten Teil unseres Runden Tischs über die Zukunft der lokalen Landwirtschaft.

Direktvermarktung & Food-Coop

Die Idee, Lebensmittel direkt vom Bauern an die Verbraucher zu verkaufen, ist nun wirklich nicht neu. Trotzdem wirkt sie in Zeiten großer Supermarktketten revolutionär. Zwei Wege sind denkbar: Bauern bieten ihre Produkte direkt auf dem eigenen Hof oder auf Märkten an. Oder die Konsumenten tun sich zusammen und kaufen als Lebensmittelkooperative, sogenannte Food-Coop, gemeinsam bei einem oder mehreren Landwirten ein.

„Solche Ideen sind sicher eine Nische für ein bis drei Prozent aller Bauern – aber sicher nicht für die gesamte Landwirtschaft in der Region“, sagt Alois Kraus. „In dem Bereich wurde schon viel probiert“, sagt auch Herbert Pfriem. Letztlich seien die meisten Projekte aber gescheitert: „Der Aufwand war höher als der Ertrag.“ Für Klaus Petter hat die Direktvermarktung hingegen viel Potenzial: „Wenn das richtig propagiert wird, dann läuft das.“ Voraussetzung dafür sei aber ein gutes Produkt, eine gezielte Vermarktungsidee und ein sichtbares Bündnis der Bauern.

Hans Plate hofft derweil auf eine „solidarische Landwirtschaft“ – eine enge Verbindung von lokalen Bauern mit städtischen Kooperativen.

Doch es bleibt nicht nur die Frage, ob die Menschen bereit sind, für solche Projekte den Komfort eines zentral gelegenen Discounters zu opfern – Pfriem spricht auch bürokratische Probleme an: „Die Kühlkette darf nicht unterbrochen werden, es sind lebensmittelrechtliche Vorschriften einzuhalten.“

-> Tendenz: Wachsende Nische

Ökologischer Anbau

Was würde besser zu einer neuen „Grünen Revolution“ passen als eine ökologische Landwirtschaft. In den letzten 15 Jahren hat sich der Anteil ökologischer Anbauflächen in Deutschland verdoppelt. „Heute liegt der Anteil bei knapp sieben Prozent“, sagt Hans Plate. Ein weiteres Wachstum ist politisch gewünscht. Klaus Petter nimmt da aber auch die staatliche Beratung in die Pflicht: „Wenn es die Staatsregierung schon vorantreibt, dann muss es doch auch möglich sein, eine solche Entwicklung lokal zu fördern.“

Hindernisse sind vor allem auf ökonomischer Seite zu erwarten: „Das mag in den Speckgürteln um reiche Städte wie München funktionieren“, sagt Helmut Schmidt. In ärmeren, ländlichen Regionen blieben dann aber schnell die Kunden weg.

Trotzdem: Einen wirklichen Gegensatz oder Kampf zwischen konventionellem und ökologischem Anbau sieht Alois Kraus nicht: „Von Seiten des Bauernverbands haben wir keine Probleme mit 'Bio'. Diese Diskussion führen wir schon viele Jahre nicht mehr.“ Auch Mischformen sind denkbar: So produziert auch Herbert Pfriem biologisches Sonnenblumenöl, andere Pflanzen baut er konventionell an.

-> Tendenz: starkes Wachstum

Diversifizierung

„Einkommenskombinationen sind heute praktisch Usus“, sagt Helmut Schmidt. „Diese Entwicklung findet schon seit 20 Jahren statt.“ Heute gebe es kaum noch Vollerwerbsbetriebe. Von rund 70 Prozent Nebenerwerbsbauern im Landkreis spricht Kraus. „In den 80er Jahren lautete die Devise noch: Spezialisierung, Spezialisierung, Spezialisierung“, ergänzt Hans Plate. Es habe ein Sinneswandel stattgefunden. Auch in der Beratung, wie Alois Kraus betont. Der Landkreis ist dabei im Vorteil: Hier habe es schon traditionell viele Landwirte gegeben, die auf unterschiedlichen Standbeinen fußten.

Was diese „Diversifizierung“ letztlich genau ausmache, das liege an jedem persönlich: „Es ist auch immer wichtig, ob ich selbst Freude an der Arbeit habe. Wenn ich nicht voll dabei bin, dann merken das die Kunden“, sagt Herbert Pfriem. Mit der sogenannten 5b-Förderung Ende der 90er Jahre wurden beispielsweise viele Ferienwohnungen gebaut.

„Das war eine wunderbare Geschichte – aber nur da, wo es gepasst hat“, erzählt Schmidt. Denn Ferien auf dem Bauernhof beim riesigen Schweinemastbetrieb klingt für viele nicht besonders anziehend.

-> Tendenz: Wird sich flächendeckend durchsetzen

Energieerzeugung

Das staatlich formulierte Ziel, 30 Prozent der Energie bis zum Jahr 2030 aus erneuerbaren Energien zu gewinnen, hat auch für die Bauern ganz neue Einnahmequellen geschaffen. „Das Energieeinspeisungsgesetz (EEG) hat den Strukturwandel massiv verlangsamt“, sagt Helmut Schmidt. Sehr viele Landwirte hätten ihre Gebäude für Photovoltaikanlagen genutzt. Auch viele Biogasanlagen wurden gebaut.

„Plötzlich war das dann wieder zu viel“, sagt Schmidt kopfschüttelnd. Mit der Änderung des EEG im Jahr 2014 wurde die Vergütung der durch Biogasanlagen produzierten Strommenge gekürzt. „Der Staat regelt erst etwas, bleibt aber ohne Nachhaltigkeit“, kritisiert Schmidt. Nach wenigen Jahren würden die Gesetze wieder geändert. Problematisch könnten auch gesellschaftliche Auseinandersetzungen werden: Wieviel fruchtbares Agrarland kann man für die Energieerzeugung nutzen? Auch die Windkraft ist heiß diskutiert. Selbst die beiden Vertreter vom Bund Naturschutz, Manfred Engelhardt und Klaus Petter, können sich da nur schwer auf einen Standpunkt einigen.

-> Tendenz: Abhängig von politischer Rahmensetzung

Welche Probleme der lokalen Landwirtschaft zu schaffen machen, lesen Sie im ersten Teil.

Wie die Zukunft der Landwirtschaft in 50 Jahren aussehen könnten, lesen Sie im dritten Teil.

Den Kommentar zum Thema, "Zwischen den Welten", finden Sie hier.

Den Kommentar zum Thema, "Eine Lösung mit vielen Problemen", finden Sie hier.

 

Im Gespräch

Alois Kraus: Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands (BBV)

Herbert Pfriem: Stellvertretender Kreisobmann des BBV

Helmut Schmidt: Geschäftsleiter der Steigerwälder Bauernschwein GbR

Klaus Petter: Vorstandsmitglied Kreisgruppe Bund Naturschutz in Bayern

Manfred Engelhardt: Vorsitzender Kreisgruppe Bund Naturschutz

Hans Plate: Kreistagsabgeordneter der Grünen, Biolandwirt