Aus vollem Herzen Einzelhändler

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Sie verkauft Produkte, die gute Laune machen: Barbara Binner (rechts) berät im Spielzeuggeschäft „Wichtelreich“ eine Kundin. Fotos: Daniela Röllinger
Daniela Röllinger
Ein bewährtes Team am gleichen Ort in einem neuen Geschäft: Elli König, Uschi Imhof und Gerlinde Zierhut mit Claudia Schilling und Geschäftsführer Moritz Schilling ...
Daniela Röllinger
„Otto – Mode für Ihn!“ kann auf eine weit mehr als 100-jährige Tradition zurückblicken ...
Foto: Otto – Mode für Ihn!

Drei Beispiele aus der Kitzinger Innenstadt zeigen, wie Geschäftsnachfolge gelingen kann. Die Mitarbeiter spielen dabei immer eine entscheidende Rolle.

Wie kann Nachfolge im Einzelhandel gelingen? Darauf lässt sich mit Vorschriften und Fakten, mit Ratschlägen und Tipps antworten. Oder mit Beispielen. Wir stellen drei aus der Kitzinger Innenstadt vor.

Moritz Schilling ist 28 Jahre alt und seit Anfang des Jahres Geschäftsführer von Schilling Main Fashion in Kitzingen. Mitten in der Pandemie hat er den Schritt gewagt, sich selbstständig zu machen. Statt mit ausführlicher Beratung im Geschäft ging es also mit Click & Collect los. Rahmenbedingungen, die einen Start nicht einfach machen.

Trotzdem hat Moritz Schilling seine Entscheidung noch keinen einzigen Tag bereut. „Den Grundgedanken, mich selbstständig zu machen, hatte ich schon länger“, sagt der Obernbreiter. Er hat eine Ausbildung im Textilhandel absolviert, danach noch seinen Betriebswirt gemacht, hat bei verschiedenen Firmen der Branche gearbeitet und war zwischendurch im Personalbereich tätig, wobei auch diese Arbeit mit Mode verbunden war.

„Das Team ist das Wichtigste“

Als er Mitte vergangenes Jahr erfuhr, dass „Theresa Store“ Ende 2020 schließen wird, nutzte er die Gelegenheit. Zumal ihm das Geschäft in der Ritterstraße nicht fremd war: Seine Mutter arbeitete schon seit 14 Jahren bei „Theresa“, davon sieben in Kitzingen. Sie kennt die Kunden, weiß, was geht in Kitzingen und was nicht. Die Idee, das Geschäft zu übernehmen, kam aber nicht von ihr, sondern von ihrem Sohn und ihrem Mann. Und ausschlaggebend dafür, dass diese Idee tatsächlich umgesetzt wurde, war das Team. „Alle Mitarbeiter haben gesagt: Wir sind dabei“, freut sich Moritz Schilling. „Das ist ein großes Glück, denn das Team ist das Wichtigste!“

Mitarbeiter und Standort blieben also gleich und es wird auch weiterhin Mode verkauft. „Aber es war keine Übergabe, sondern ein Neustart“, erklärt Mutter Claudia Schilling. Auch die Ware wurde nicht übernommen, sondern von der Vorgängerfirma an die Kunden abverkauft. Der Wechsel sei gut organisiert gewesen, schon am 1. Januar konnten Umbauarbeiten gestartet werden. Zu der Zeit war das Geschäft wegen Corona geschlossen, erst am 15. Januar durfte mit Click & Collect gestartet werden.

Vom Mitarbeiter zum Chef

Gerade in der Corona-Pandemie sei es ein Vorteil gewesen, dass Team und Branche im Geschäft gleich blieben, dass die Kundschaft bekannt war und auch heute noch immer wieder gerne im Geschäft einkauft. „Mit etwas völlig Neuem zu starten, wäre wahrscheinlich schwieriger gewesen. Da muss man sich erst einen Namen machen“, so Schilling. Wobei dieser Satz nicht ganz wörtlich gemeint ist, denn der Name hat sich ja geändert – das war sowohl dem neuen Geschäftsführer als auch dem vorherigen Geschäftsinhaber wichtig.

Anders ist es bei „Otto – Mode für Ihn“. Das alteingesessene Geschäft in der Kaiserstraße hat seinen Namen, seit Schneidermeister Carl Otto 1897 das 1873 gegründete Bekleidungsgeschäft Dürr übernahm. Es wurde über die Töchter und Schwiegersöhne weitergegeben, der Name der Besitzer änderte sich, der Name des Geschäftes blieb. Auch für den heutigen Inhaber und Geschäftsführer Detlev Bachmann und seinen Sohn Domenic käme es nie in Frage, das zu ändern. In Kitzingen geht man „zum Otto“, wenn man Herrenmode kaufen will.

Detlev Bachmann hat Anfang der 1980er Jahre seine Ausbildung in dem Bekleidungsgeschäft absolviert, kennt die Branche, das Angebot, die Kunden. „Ich wusste, was hier passiert.“ Als die Familie Fitschen, Nachkommen der Ottos, verkaufte, stieg er als stiller Teilhaber des neuen Besitzers Manfred Nöth mit ein, und als Nöth überraschend verstarb, übernahm Detlev Bachmann ganz. „Es war klar, dass ich weitermache. Es wäre schade gewesen um das alteingesessene Geschäft.“

Inzwischen ist mit Domenic Bachmann die nächste Generation mit im Boot. Ob der 21-Jährige, der nach seiner Ausbildung bei Otto derzeit Textiltechnologie und Textilmanagement studiert und nebenbei im Geschäft mitarbeitet, es tatsächlich einmal übernehmen wird, ist noch nicht sicher. „Ich hoffe, dass er mit einsteigt“, sagt der Vater. Aber er kann auch verstehen, dass sein Sohn einen Studiengang gewählt hat, der breiter aufgestellt ist und sich nicht allein auf Herrenmode im Einzelhandel konzentriert. Schließlich weiß man in Zeiten der zunehmenden Internet-Bestellungen nie, wie die Situation in zehn oder mehr Jahren ist.

Dabei hat ein Herren-Fachgeschäft für Mode viele Vorteile gegenüber dem anonymen Internet. Das wissen die Kunden zu schätzen – die aus Kitzingen und von außerhalb. Ausführliche, individuelle und richtige Beratung ist selbstverständlich, eine Änderungsschneiderei passt an, wenn es nötig ist. Mehr bieten als andere ist wichtig, wenn ein Geschäft Zukunft haben soll. „Wir wollen, dass der Kunde gut aussieht und dass ihm alles passt“, sagt Detlev Bachmann.

Ein Ziel, das Otto auch in vielen Jahren noch erfüllen wird, wenn es nach dem Inhaber geht. „Klar denke ich schon langsam an die Zukunft“, sagt der 54-Jährige. Sein Geschäft dafür fit zu machen, dazu gehört auch, dass er immer wieder investiert. Im Inneren, wie auch im Äußeren. Manches sieht man schon, manches kommt erst noch. Die Fassadengestaltung, die in den 1970er Jahren der letzte Schrei war, entspricht längst nicht mehr den heutigen Ansprüchen. Bachmann will sie verändern, doch das mache erst Sinn, wenn die Stadt Kitzingen die Kaiserstraße umgebaut hat. Geplant ist das schon seit längerem, der Startpunkt steht allerdings immer noch nicht fest.

Gute-Laune-Garantie

Nur wenige Meter von Otto entfernt, am Königsplatz, hat Barbara Binner ihr Geschäft. Das „Wichtelreich“ ist klein, aber fein. Ein Spielwarenhandel, der das Herz des Besuchers höher schlagen lässt – und das der Besitzerin. Angefangen hat Barbara Binner als Mitarbeiterin im „Wichtelreich“, das damals hauptsächlich Second-Hand-Mode und nur einen kleinen Teil Spielsachen anbot. Als die Besitzerin verkaufte, übernahm Binner – und stellte das Sortiment um. „Spielsachen sind meine Sache“, sagt sie mit strahlenden Augen. „Es gibt nichts Schöneres als Spielwarenläden. Und ich habe nur Kunden mit guter Laune.“ Die Oma, die ein Geschenk für den Enkel sucht, die Freundin, die Mutter, der Onkel.... beim Gedanken daran, womit man Kindern eine Freude machen kann, steigt die eigene Laune automatisch. „Und es wird auch viel für Erwachsene gekauft oder die Kunden nehmen sich selbst etwas mit.“

Sich eine Nische zu suchen, hält Barbara Binner für wichtig, um im Einzelhandel zu bestehen. Etwas zu bieten, was andere nicht haben, was man nicht im Supermarkt oder im Discounter bekommt. Da spielt das Sortiment eine Rolle und auch die Beratung. Wer bei Binner einkauft, der kann stöbern und sich umsehen, der darf die Sachen anfassen, nachfragen, bekommt Antwort auf alle seine Fragen. Wenn ein Geschäft funktionieren soll, egal ob übernommen oder neu gegründet, muss man rechnen können, sagt sie, „auch langfristig“. Und man muss bereit sein, viel Zeit und Arbeit zu investieren, denn mit einer 40-Stunden-Woche sei es nicht getan. Vor allem aber rät sie eines: „Man muss mit dem Herzen dabei sein. Dann hat man auch viel Spaß.“