Mainstockheim sei typisch für die Entwicklung in Bayern, sagt auch Klaus Petter, der seit den 1970er Jahren im Dorf wohnt. Es gehe in der Ausstellung nicht darum, den Ort als negatives Beispiel an den Pranger zu stellen, erklärt der Naturschützer. Es gehe darum, eine allgemeine Entwicklung deutlich zu machen. Und die gewonnenen Erkenntnisse zu nutzen, um in Zukunft verantwortungsvoller mit der Natur umzugehen.
Doch welchen Einfluss haben die Gemeinden überhaupt, wenn es um die Gestaltung der Umwelt geht? „Grundsätzlich liegt die Planungshoheit bei den Gemeinden“, sagt Bürgermeister Fuchs. „Zumindest dann, wenn sich Bund und Land bedient haben.“ Er zählt auf: Man habe als Gemeinde für den Bahnausbau der Strecke Würzburg-Nürnberg bluten müssen. Man habe für die A 3 und die A 7, für das Biebelrieder Kreuz bluten müssen. Der Mainausbau habe seinen Tribut gefordert – und nun drohe mit der Südlink-Trasse sogar weiteres Ungemach. „Da muss ich mich schon fragen: Sind wir der Abfalleimer Unterfrankens?“
Ganz von der Hand zu weisen sind die Vorwürfe nicht: Während im Landkreis nur knapp sechs Prozent der Fläche von Verkehrswegen bedeckt sind, sind es in Mainstockheim über zwölf Prozent. In keiner anderen Landkreisgemeinde wird auch nur annähernd ein solches Niveau erreicht.
Landrätin Tamara Bischof erkennt derweil ein Umdenken in der Politik: „Es gibt wieder mehr Renaturierungen, bei neuen Baumaßnahmen wird auf ökologische Aspekte Rücksicht genommen.“ Viele Arten, die fast verschwunden waren, seien mittlerweile wieder ansässig – beispielsweise der Biber. „Unsere Region lebt ja auch vom Tourismus, da wären wir ja dumm, wenn wir unsere Natur zerstören.“
Dennoch ist auch Bischof von den Aufnahmen überrascht. „Da sieht man noch einmal, wie stark die Veränderungen waren.“ Doch die Landrätin tut sich schwer damit, die Entwicklung einseitig negativ zu sehen. „So wie früher kann heute niemand mehr leben und arbeiten“, sagt sie. Um auf lange Sicht für die Menschen attraktiv zu bleiben, müsse in die Umwelt eingegriffen werden: Zum Beispiel beim Bau von Märkten am Ortsrand. „Wer hier wohnt, will nun einmal auch Einkaufsmöglichkeiten vor Ort“, sagt sie.
Biotope nicht zu ersetzen
Karl-Dieter Fuchs bläst ins gleiche Horn. „Die Aufnahmen sind aus den 1960 Jahren“, sagt er. „Ich glaube nicht, dass heute jemand so leben wollte.“ Die Lebensweise habe sich drastisch verändert. „Mit zehn Menschen unter einem Dach, das ist heute nicht mehr denkbar.“
Das sieht auch der Naturschützer Klaus Petter so. Deshalb sage der BUND eben auch nicht mehr einfach „Nein“, wenn es um Baumaßnahmen geht. „Ja, aber nur wenn...“, sei hingegen der richtige Ansatz meint Petter, der auch fachtechnische Stellungnahmen zu Bauvorhaben im Landkreis erstellt. Mit dem Blick auf die Bilder aus Mainstockheim sagt er: „Es muss klar sein, dass man diese Flächen, diese Biotope, nicht ersetzen kann.“ In Zukunft müsse man daher besser planen – damit die nächste Ausstellung in 50 Jahren eine positivere Entwicklung zeigen kann.
Die Ausstellung „Gestern-Heute“ ist vom 4. bis zum 11. November im Landratsamt Kitzingen zu sehen.
Kommentar
Stachel im Allerwertesten
Von unserem Redaktionsmitglied
Robert Wagner
Für viele Politiker sind sie nervige Querulanten. Da plant man die Zukunft der Gemeinde, des Landkreises, ja des Staates, der ganzen Welt – und dann? Dann tauchen sie auf, die Umweltschützer, die Naturliebhaber, die Baumumarmer. Unangenehme Stachel, die immer dann pieksen, wenn man es sich gerade auf seinem Hintern gemütlich machen will.
Kaum ein Bauvorhaben, bei dem sie nicht irgendwo eine Kröte ausgraben, die durch den Eingriff bedroht wäre. Keine Straße, kein Wohngebiet, ja nicht einmal ein Kiosk, der nicht irgendeine Distelart behinderte. Ganz schön anstrengend, oder? Mag sein.
Aber auch ganz schön notwendig: Bei den Bauvorhaben geht es immer um eine kleine Straße hier, ein Häuschen dort. Kein großer Eingriff – Gott bewahre –, schließlich liegt uns die Natur ja am Herzen. Nur erfolgt dieser kleine Eingriff halt immer wieder, überall, in jeder Gemeinde, in jeder Stadt, Tag für Tag, Jahr für Jahr.
Die Veränderung ist schleichend. Aber eben omnipräsent. Und irgendwann schaut man sich dann Bilder von früher an und ist völlig überrascht: So schön sah es hier mal aus? Und den Enkeln erzählt man dann, das man dort unten am Bach immer Fische gefangen hat. Und die Kinder schauen mit großen Augen: Fische, hier gab es mal Fische?!
Worum die Umweltschützer heute kämpfen, das sind die kläglichen Reste einer einst malerischen Natur. Jahrhunderte lang haben die Menschen sie ausgebeutet. Viel ist deshalb heute nicht mehr übrig. Und doch ist es dieser klägliche Rest, der uns heute noch begeistert, wenn wir am Waldrand spazieren gehen und über die Felder blicken.
Ich hoffe, dass die Umweltschützer weiterkämpfen, für jede Kröte, jeden Vogel und jede Wiese, die bedroht ist. Ich hoffe wirklich, dass sie der Stachel im Allerwertesten der Politik bleiben.