Ein wichtiger Schritt für jeden Flüchtling ist der aus der Aufnahmeeinrichtung in die dezentrale Unterkunft. Hier ist das erste Mal wieder eine gewisse Selbstständigkeit möglich. Nötig dafür: Geld. Auszufüllen dafür ist der „Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz“.
„Für einen Deutschen ist der Antrag noch relativ übersichtlich“, erklärt Bruder Abraham. Aber Asylbewerber sähen ohne Hilfe alt aus.
Fragen nach dem Namen, der Herkunft und dem Aufenthaltsstatus müssen beantwortet werden. Aber eben auch nach Arbeitslosengeld I, nach in den letzten zehn Jahren verschenkten Vermögenswerten und möglichen Rentenansprüchen. Auf den beigelegten Anhängen darf der Asylbewerber dann noch Fragen über Vermögen im In- und Ausland beantworten. Besitzt er vielleicht ein Haus in Deutschland? Oder hat er einen deutschen Bausparvertrag abgeschlossen? „Ich könnte mir vorstellen, dass man das einfacher gestalten könnte“, sagt Bruder Abraham. Er zeigt aber auch Verständnis für die Behörden: „Man muss sich ja juristisch absichern.“ Erst dann gibt es Leistungen in Höhe der deutschen Sozialhilfe. Abzüglich bestimmter Kostenpunkte, die gestellt werden, sind das 330,61 Euro.
Es ist schwierig, den „typischen“ Weg eines Asylbewerbers durch die deutsche Bürokratie zu beschreiben. Denn „den Asylbewerber“ gibt es nicht. „Ausnahmen sind die Normalität“, sagt die Leiterin der Notunterkunft Innopark, Karin Dörfler. Für manche Asylbewerber ist das Sozialamt in Kitzingen zuständig – allerdings nicht die hiesige Ausländerbehörde von Sabine Taub. Stattdessen müssten Flüchtlinge grundsätzlich wegen bestimmter Anträge nach Schweinfurt fahren. Zwar existiert eine Absprache mit Schweinfurt, dass viele Unterlagen in Kitzingen entgegengenommen oder sogar bearbeitet werden können. Einen nicht unerheblichen Mehraufwand bedeutet das trotzdem.
Das Bamf als Nadelöhr
Andere Anträge, wie beispielsweise jene zur Aufnahme einer Arbeit, müssen von der Zentralen Arbeitsvermittlung (ZAV) abgesegnet werden. Und dazu kommt noch das Bamf – das „organisatorische Nadelöhr“, wie es Dörfler ausdrückt.
Diesem komplexen System stehen oft ganz einfache Probleme im Weg: Wie wird ein arabischer Name auf Deutsch richtig geschrieben? Was ist Vor-, was ist Nachname? „Es wird unglaublich kompliziert, wenn der Mitarbeiter in Schweinfurt den Namen anders geschrieben hat“, erzählt Bruder Abraham. Dazu kommt, dass gerade Flüchtlinge aus dem ländlichen Afghanistan ihr Geburtsdatum nicht genau wissen. „Fatal ist, wenn sowohl Geburtsdatum als auch Name nicht übereinstimmen“, erklärt der Benediktiner. Dann stellt sich schnell die Frage: „Ist das überhaupt die richtige Person?“
Mit der Anerkennung als Asylberechtigter endet das Verwaltungswirrwarr nicht. Vielmehr geht es jetzt erst so richtig los: Passbilder machen, Termin beim Ausländeramt, „Terroristen-Screening“, Vorstellung beim Jobcenter. Dann zum Sozialamt, zurück zum Jobcenter und nochmals zur Ausländerbehörde. Dazu noch Wohnungs- und Jobsuche sowie der Kontakt zur Botschaft zwecks Familiennachzug. Die Flüchtlinge müssen einige Kilometer abreißen – und mit ihnen die ehrenamtlichen Helfer.
Bei den Diskussionen über den Umgang mit Flüchtlingen und die Überforderung der Polizei wird dieser organisatorische Aufwand oft vergessen. Bruder Abraham betont: „Ich bewundere wirklich die Mitarbeiter, die da mit einer Engelsgeduld arbeiten.“ Und die Kollegen Dörfler und Taub geben zu Protokoll, wie wichtig die Ehrenamtlichen für sie sind: „Die leisten wirklich einen großen Beitrag“, sagt Dörfler. Durch die Herausforderungen sind alle ein Stück zusammengerückt – auch so wurden Grenzen überwunden. Am Ende sitzt Bruder Abraham dann in seinem Büro mit einem Ordner voller Dokumente – für jeden Flüchtling einen. Und ein neuer steht schon vor der Tür.
Das Asylverfahren im Landkreis im Überblick (Infobox)
1. Grenzübergang mit Erstuntersuchung, Ausstellung der „Büma“ (Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender)
2. Unterbringung in der Erstaufnahmeeinrichtung in Schweinfurt oder in einer ausgelagerten Unterkunft (z.B. Notunterkunft Innopark)
3. Registrierung mit Einführung, Bettenzuweisung und Essensmarken
4. Medizinische Untersuchung und Impfstatus
5. Dezentrale Unterbringung oder Gemeinschaftsunterkünfte – Antrag auf Leistungen nach Asylgesetzgebung, Beginn der Schulpflicht
6/7. Arbeitssuche ist nach drei Monaten möglich – mit Genehmigung der Ausländerbehörde
6/7. Asylantrag mit Einzellfallprüfung
8. Anerkennung – Räumung der Unterkunft, Antrag der Aufenthaltsgenehmigung, Integrationskurs und Meldung beim Jobcenter