Mysteriöse Vogelkrankheit grassiert in Deutschland - darauf sollten Sie achten

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Kranke Blaumeise
Die kranken Blaumeisen sitzen aufgeplustert im Garten und reagieren nicht mehr auf ihre Umwelt. Kurz darauf sterben sie.
Kranke Blaumeise
Foto: otto Schäfer/nabu

>Immer mehr Blaumeisen erkranken an einem unbekannten Virus und sterben. Naturschutzbund und LBV fordern Bürger auf, kranke und tote Tiere zu melden.

Sie sollten wegfliegen, wenn jemand auf sie zukommt. Doch das tun sie nicht. Die Vögel bleiben einfach sitzen, reagieren nicht auf ihre Umwelt. Erst scheinen sie krank, dann sterben sie. Betroffen sind vor allem Blaumeisen, aber vereinzelt auch andere kleine Singvögel. Um dem mysteriösen Vogelsterben auf die Spur zu kommen, bitten Vogel- und Naturschützer jetzt die Bürger um Mithilfe.

Mitte März wurden dem Naturschutzbund (Nabu) die ersten Fälle mitgeteilt, zunächst aus Rheinland-Pfalz und Hessen, dann aus Thüringen. Die Zahl wuchs rasant. Über das Osterwochenende haben Nabu und der Landesbund für Vogelschutz innerhalb von nur sechs Tagen bereits 10.000 Meldungen mit etwa 20.000 toten oder kranken Meisen erhalten. Aus Bayern sind es über 650. Ähnliche Symptome wurden in Einzelfällen auch bei Kohlmeisen, Rotkehlchen und Haussperlingen festgestellt.

„Die Tiere fallen dadurch auf, dass sie nicht mehr auf ihre Umwelt reagieren, apathisch und aufgeplustert auf dem Boden sitzen und nicht vor Menschen fliehen“, beschreibt die LBV-Artenschutzreferentin Dr. Miriam Hansbauer die Beobachtungen. „Oft wirken die Vögel, als hätten sie Atemprobleme. Augen, Schnabel und Teile des Federkleids sind häufig verklebt.“

Mysteriöse Vogelkrankheit: Möglicherweise bakterielle Infektion

Noch sind die Zahlen in Bayern überschaubar, aus den meisten Landkreisen wurden zwischen einem und vier Vögel beziehungsweise zwischen fünf und 25 Vögel gemeldet. Ersichtlich wird das aus einer Grafik, die das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin erstellt hat und die der Naturschutzbund Deutschland auf seiner Homepage zeigt. Ein hell-dunkel-gelber Fleckerlteppich in Bayern – doch in anderen Bereichen Deutschlands ist die Karte längst tiefrot.

Auch aus dem Landkreis Kitzingen wurden bislang nur wenige Fälle gemeldet. Trotzdem ist der LBV-Kreisvorsitzende Klaus Sanzenbacher alarmiert. Es wäre wichtig, zu ergründen, woran die Vögel erkranken und warum, betont er. Möglich wäre, dass es sich um eine bakterielle Infektion handelt, die in Großbritannien bereits früher aufgetreten ist, so Sanzenbacher. Diese hat laut Nabu dort in der Vergangenheit zu Lungenentzündungen bei Meisenarten geführt und ist seit 2018 auch in geringem Ausmaß aus Deutschland bekannt. Für den Menschen ist diese bakterielle Infektion ungefährlich.

Naturschützer bitten um Hilfe aus der Bevölkerung

Auch in der Vergangenheit fielen Vögel immer wieder Krankheiten zum Opfer – im vergangenen Sommer setzte das von Stechmücken übertragene Usutu-Virus den Amseln zu, erinnert Klaus Sanzenbacher. Auch das West-Nil-Virus ist schon in Deutschland aufgetreten, allerdings im Hochsommer. Welches Virus jetzt verantwortlich ist, versuchen die Vogel- und Naturschützer herauszufinden und setzen dabei auf die Hilfe der Bevölkerung. Unter www.nabu.de können kranke und tote Meisen online gemeldet und Fotos übermittelt werden.

Entscheidend ist laut LBV zudem, den Krankheitserreger schnell zu identifizieren. „Daher müssen tote Tiere von Experten untersucht werden“, so Dr. Miriam Hansbauer, zum Beispiel beim Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg. Wo und wie die Tiere zur Untersuchung abgegeben beziehungsweise wohin sie verschickt werden können, ist auf der Nabu-Homepage exakt beschrieben. Wichtig ist, dass dies ausdrücklich nur nach telefonischer Rücksprache erfolgen darf, da aufgrund der Corona-Krise nicht alle Behörden und zuständigen Stellen normalen Dienstbetrieb leisten können.

Die meisten betroffenen Tiere wurden in der Nähe von Futterstellen gefunden, laut Nabu oft bis zu fünf in einem einzigen Garten. Das spricht dafür, dass die Infektion hoch ansteckend ist. Der LBV rät daher, die Fütterung und das Bereitstellen von Tränken sofort einzustellen, wenn mehr als ein kranker Vogel an einer Futterstelle beobachtet wird. Eine Forderung, die Klaus Sanzenbacher unterstreicht. Der Vogelfreund hat seine Futterstellen sowieso immer im Blick und verfolgt jetzt noch genauer, was da in seinem Garten passiert. Er füttert und tränkt das ganze Jahr über. „Da sind viele Spatzen und Meisen, da ist viel los“, erzählt Sanzenbacher.

Der LBV-Vorsitzende hält das ganzjährige Füttern für sehr sinnvoll, zumal es immer weniger Insekten, Sämereien und Wildkräuter draußen in der Natur gebe. Vor allem jetzt, im Frühjahr, wenn die Jungvögel schlüpfen und versorgt werden müssen, sei das Füttern von Bedeutung. Dabei ist es sehr wichtig, die Futterreste regelmäßig zu entfernen, die Futterstelle sauber zu halten und regelmäßig zu reinigen. „Ich mache das einmal pro Woche.“ Schließlich sollen die Vögel sich an den beliebten Sammelplätzen satt essen und sich keine Krankheit zuziehen – weder eine bekannte noch den jetzt plötzlich aufgetauchten Virus.

Vögel zählen

Mitmachaktion: Der Landesbund für Vogelschutz und der Naturschutzbund rufen auch in diesem Jahr zur „Stunde der Gartenvögel“ auf. Vom 8. bis zum 10. Mai sollen dabei eine Stunde lang Vögel beobachtet, gezählt und gemeldet werden. Die Naturschützer erhoffen sich von den Daten über die Gartenvögel insbesondere Informationen darüber, wie es der Blaumeise, einer der häufigsten und beliebtesten Vogelarten, derzeit geht und wie sich das auffällige Massensterben auf den Bestand in Bayern auswirkt.

So funktioniert es: Von einem ruhigen Plätzchen im Garten, vom Balkon oder Zimmerfenster aus wird von jeder Vogelart die höchste Anzahl notiert, die im Laufe einer Stunde entdeckt werden kann. Die Beobachtungen können per Post, Telefon – kostenlose Rufnummer am 9. und 10. Mai, jeweils von 10 bis 18 Uhr: 0800-1157115 – oder einfach im Internet unter www.stunde-der-gartenvoegel.lbv.de gemeldet werden.