Bei den Fuchswochen schossen Jäger im Spessart 92 Füchse. Tierschützer haben Anzeige erstattet. Wieder entbrennt der alte Streit: Wo hört das Jagdrecht auf, wo fängt Tierschutz an?
Am Montagnachmittag weiß Siegfried Wegmann noch nichts von der Anzeige: Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. Massentötung von Füchsen, insgesamt 92 Tiere, mitten im Spessart. Wegmann ist Jäger. Und er ist der Vorsitzende der Kreisgruppe Lohr im Bayerischen Jagdverband. Gegen ihn richtet sich die Anzeige und gegen weitere Jäger aus dem Spessart. Sie haben eine revierübergreifende Fuchsjagd organisiert, so wie jedes Jahr im Februar. Die Fuchswochen. Aber die Füchse sollen nicht aus Gründen der Hege geschossen worden sein, sondern aus Freude am Töten. Es ist der nicht zu befriedende Konflikt: Tierschützer gegen Jäger. Und es geht um die Frage: Wo hört Jagdrecht auf, wann beginnt der Tierschutz?
Rechtsanwalt Dominik Storr hat die Strafanzeige im Namen seiner Mandanten gestellt. Sechs Tierschutzorganisationen, darunter die Tierrechtsorganisation "Peta". Wer mit Dominik Storr spricht, der merkt, dass der Anwalt nicht nur Vertreter einer dritten Partei ist. Storr lebt seit fast zwölf Jahren vegan, er hat sich auf Jagdrecht spezialisiert, ohne selbst Jäger zu sein, und er sagt: "Warum ein Tier töten?"
Auf insgesamt 14 Seiten begründet er der Staatsanwaltschaft, seine Strafanzeige: Weil eine gesetzliche Grundlage für revierübergreifende Jagden fehle. Weil der Massenabschuss keine Hege darstelle und die Jagd nicht weidgerecht erfolge. Weil die Jagd im Winter zu vermeidbarem Leid unter den Wildtieren geführt habe. Und weil Jäger nun einmal nicht für Seuchenabwehr zuständig seien. Deutschland gelte als Tollwutfrei, wenn jemand Seuchen bekämpfen müsse, dann das Landratsamt.
In Klammern hat er die betreffenden Gesetze geschrieben: Bayerisches Jagdgesetz. Tierschutzgesetz. Grundgesetz. Denn das legt den Tierschutz seit 2002 als Staatsziel fest: "Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung." Das ist der Artikel 20 a. Anwalt Storr sagt: "Es muss endlich ankommen, dass ich nicht aus Freude einfach Tiere abknallen kann."
Siegfried Wegmann, der Jäger, sagt, er kenne den Vorwurf. Wegmann spricht ruhig, atmet langsam, und wenn er spricht, hört man den Rest eines süddeutschen Dialektes. Wegmann sagt: "Wir Jäger sind verpflichtet, den gesunden Wildbestand zu erhalten." Und er sagt weiter: "Wir wollen um Gottes Willen die Fuchspopulation nicht auslöschen." Aber die Zahl der Tiere steigt. Das zeigen die jährlichen Abschussstrecken.
Knapp 100.000 Füchse schossen die bayerischen Jäger im vergangenen Jahr, knapp 20.000 mehr als noch vor sechs Jahren. Die Rechnung dabei ist einfach: "Steigt die Population, dann steigt auch die Seuchengefahr", sagt Winfried Drexler, Abteilungsleiter Jagd in der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft. Dazu brauche es den Jäger, denn die Fuchspopulation reguliere sich erst selbst, wenn die Beute knapp wird. Deshalb werde auch revierübergreifend gejagt. Diesmal zwischen Lohr und Marktheidenfeld. Das machen sie im Spessart seit Jahren, das hat sich eingebürgert.
Explizit verboten ist das nicht, nicht laut Jagdgesetz. Trotzdem existiert ein Aber, sagt Anwalt Storr. "Die Vorschriften sprechen von Hege, nicht von Jagd." Storr sagt, die Tötung der 92 Füchse sei weder tierseuchenrechtlich noch jagdrechtlich gerechtfertigt und deshalb strafbar. Nach dem Tierschutzgesetz: Weil dort steht, dass bestraft wird, wer ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet oder ihm länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt. Paragraf 17. Absatz 1 und 2b. Mögliche Strafen: Freiheitsstrafe bis zu drei Jahre oder Geldstrafe.
Die Staatsanwaltschaft Würzburg sagt, sie prüfe die Anzeige, und falls ein Anfangsverdacht besteht, werde ermittelt. Anwalt Storr sagt, bei der Anzeige gehe es ihm um die Massentötung. Jäger Siegfried Wegmann sagt, er sehe dieser Anzeige gelassen entgegen."Wir erfüllen den Hegeauftrag." 92 Füchse seien nur ein Bruchteil der Population.