Seit 2013 hätte er Zeit dazu, aber er kommt zu nichts. „Andere haben Langeweile, wenn sie nicht mehr arbeiten, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.“ Was er aber durchgehalten hat, seit er in Rente ist, ist sein täglicher Spaziergang – natürlich nicht ohne Fotoapparat. Seine Frau rollt manchmal mit den Augen, wenn er auch zum kleinsten Rundgang einen Foto mitnimmt und dann zum Teil lange wartet bis sein Motiv durch den Sucher perfekt zu sehen ist. „Ich warte zum Beispiel, bis Leute aus dem Bild gelaufen sind“, sagt der 65-Jährige. Geduld und Ausdauer sind auch nötig, wenn er etwa im Garten nach Igeln, Libellen, Spinnen oder Bienen Ausschau hält. Lohn für lange Wartezeiten – auch, um die Tiere an ihn zu gewöhnen – sind Makroaufnahmen aus rund 40 Zentimeter Entfernung.
Er experimentiert gern – abbrennende Streichhölzer, platzende Luftballons oder fallende Wassertropfen, sie alle kamen ihm schon vor die Linse, was nicht immer einfach ist. Um etwa Wassertropfen fotografieren zu können, hat sein Freund Helmut Witt extra eine Konstruktion gebaut, mit deren Hilfe Streit die Tropfen, die genau berechnet auf ein Wasserbett fallen, bildlich festhalten kann. Neben vier drahtlosen Synchronblitzen, Farbfiltern, Mattscheiben und einem Steuergerät am Computer und der Kamera, sorgen verschiedene Düsen und Ventile für die Verläufe, die nur Sekundenbruchteile sichtbar sind. „Mein Sternzeichen ist Jungfrau und das sind Perfektionisten, sagt man. Ich glaube das stimmt schon“, gibt er zu.
Seit rund fünf Jahren konzentriert er sich vorwiegend aufs Fotografieren, von seinen Film-Erfahrungen profitiert er aber. Bildreportagen, baut er beispielsweise wie Filme auf, mit Einleitung, Hauptteil, Schluss. Eine gewisse Dramaturgie findet er wichtig. „Man muss Spannung wecken“, sagt er. Beim Bildaufbau achtet er auf jeden Laternenmast, jeden Hut, jeden Schatten und versucht immer so zu fotografieren, dass er gleich ein Endprodukt hat.
Motive findet er so gut wie überall und oft ganz unerwartet. Im August 2011 lief er zum Beispiel mit seiner Frau durch das Gartenschaugelände. In der Spätnachmittagssonne genoss sie eine Weile die Sonne mit Blick zum gegenüberliegenden Mainufer. Das durch Licht und Schatten betonte Motiv fing Günter Streit mit der Kamera ein. Dieses Foto wurde später Monatssieger beim von der Main-Post ausgeschriebenen Fotowettbewerb zur Gartenschau.
Die Möglichkeiten der digitalen Fotografie weiß Günter Streit inzwischen zu schätzen. Bevor er sich im Jahr 2000 seine erste digitale Kompaktkamera gekauft hat, hatte er als begeisterter Analog-Fotograf Digitalkameras erst einmal abgelehnt. Er glaubte nicht, dass sie so gut sein können. 2003 legte er sich dann seine erste digitale Spiegelreflex zu und hatte seitdem sechs Stück. Aktuell fotografiert er mit zwei Nikon-Kameras. Bis zu 30 000 Fotos macht er jedes Jahr. Diese auf seiner Homepage zu präsentieren oder in Fotobüchern festzuhalten, gehört auch zu den Dingen, die er sich für den Ruhestand vorgenommen hat. „Es gibt noch viel zu tun und ich bin noch lange nicht da, wo ich hin will.“
Ob er noch einen fotografischen Traum hat? Seit er vor drei Jahren in Houston, Texas, die Mondrakete Saturn 5 und das Space Shuttle fotografiert hat, fände er es toll, auch den größten Flugzeugträger der Welt, die USS-Nimitz, vor die Kamera zu bekommen. „Das muss gigantisch sein.“ – Dem achtjährigen Günter Streit hätte dieser Traum auch gefallen.
Zur Person: Günter Streit
Der Kitzinger, Jahrgang 1950, lebt seit 1983 mit seiner Frau Traudl im Stadtteil Siedlung. 1970 machte er eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Sparkasse in Kitzingen. Von 1977 bis 1983 arbeitete er beim ehemaligen Fotofachgeschäft Duttenhofer in Würzburg (heute Media Markt). 1983 ging er zurück ins Bankgeschäft und arbeitete bis zum Ruhestand 2013 im Finanzverbund der Volks- u. Raiffeisenbanken.
Zehn Jahre lang gestaltete er den Pfarrbrief der Gemeinde St. Vinzenz in Kitzingen und ist heute Redaktionsmitglied der Pfarreiengemeinschaft St. Hedwig im Kitzinger Land. Seit über 13 Jahren betreut er die Homepage der Pfarrei St. Vinzenz in der Kitzinger Siedlung.
Günter Streit hat eine Tochter und einen Sohn und fünf Enkelkinder.
Eine seiner fotografischen Arbeiten ist auf der Glastür der Volkacher Raiffeisenbank zu sehen: Ein neun Meter breites und 3,60 Meter hohes Panoramabild von Volkach.
Mehr Bilder von Günter Streit www.fotostreit.de
Hinweis der Redaktion: Wir stellen einige unserer Leserfotografen vor, die Serie erscheint einmal die Woche. Als nächstes kommt Konrad Thomann. Die bisher erschienen Artikel über Günther Fischer und Hilmar Hopfengart können Sie online im Rückblick lesen.