Freier Zugang zum Jobcenter soll bleiben

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Seine Behörde soll ein offenes Haus bleiben, findet der Leiter des Jobcenters, Toni Orth. Foto: Paulus
Seine Behörde soll ein offenes Haus bleiben, findet der Leiter des Jobcenters, Toni Orth.  Foto: Paulus

Trotz der tödlichen Messerattacke auf eine Mitarbeiterin in Neuss wollen die Jobcenter keine Sicherheitsschleusen oder Wachdienste. Auch der Kitzinger Leiter Toni Orth findet, seine Behörde sollte ein offenes Haus bleiben.

Die Männer und Frauen in den Büros des Kitzinger Jobcenters sind oftmals das letzte soziale Netz für diejenigen, die bei ihnen anklopfen. Ihnen gegenüber sitzen Menschen, die Angst um ihre Existenz haben, die ausrasten, wenn ihnen zum wiederholten Mal gesagt wird, dass sie das falsche Formular dabei haben oder in einer zu großen Wohnung leben...

Schwierig und aufreibend ist die Tätigkeit der Jobcenter-Mitarbeiter. Aber es gehört zu ihren Stärken, besonnen zu bleiben - selbst nach der tödlichen Messerattacke auf eine Kollegin in Neuss.

Personalrat, Teamleiter, Geschäftsführer und Mitarbeiter des Jobcenters in Kitzingen und der Agentur für Arbeit in Würzburg sind sich einig, dass die Jobcenter offene Häuser bleiben sollen. Die Sicherheitsvorkehrungen sollen nicht so aufgerüstet werden wie in den Gerichten.
Schleusen und Kontrollen am Eingang, Kameras und Wachdienste wurden nach dem Mord an einem Staatsanwalt im Amtsgericht Dachau Anfang des Jahres in den Justizgebäuden eingeführt.

"Bei aller Dramatik - keinerlei Sicherheitsmaßnahme hätte eine Tat wie in Neuss verhindern können", sagt Wolfgang Albert, der Pressesprecher der Würzburger Agentur.

"Freilich waren unsere Mitarbeiter erst mal betroffen, als sie von dem Mordfall an der Kollegin in Neuss gehört haben", sagt Toni Orth, der Geschäftsführer des Jobcenters in Kitzingen. Natürlich hätten sie über ihre eigene Sicherheit diskutiert. "Man fragt sich schon, ob das hier auch hätte passieren können", sagt ein Mitarbeiter, seit 2005 in der Leistungsabteilung. "Mir hat die junge Frau so leid getan", sagt eine Mitarbeiterin, ebenfalls seit 2005 im Haus, im zweiten Bereich, der Vermittlungsabteilung tätig. Beide Mitarbeiter wollen lieber nicht ihre Namen nennen.

Schwierige Situationen sind den Jobcenter-Mitarbeiern vertraut.

Damit umzugehen lernten die beiden Mitarbeiter im Gesprächstraining. Sie wurden dafür ausgebildet, auf die Kunden, die sich aufregen, beruhigend einzuwirken. Damit es erst gar nicht zu einer Eskalation und einer Gefährdung kommt.
Wenn es darum geht, wie viel Geld den Menschen für ihre Existenzsicherung zusteht, kann es schon mal laut werden. Deswegen haben die Büros der Leistungsabteilung Verbindungstüren. Manche Kollegen sind zu zweit im Zimmer. Und den berüchtigten Alarmknopf am Computer gibt es tatsächlich. Wird er von einem Mitarbeiter gedrückt, erscheint auf den Bildschirmen aller Kollegen eine Alarmmeldung. Sie können dann zu Hilfe eilen.

"Wir kennen die Kunden mit Aggressionspotenzial", sagt der Mitarbeiter. Deswegen bereite er sich auf das Gespräch entsprechend vor und hole sich einen Kollegen ins Zimmer. Will das Gegenüber partout nicht einsichtig sein oder droht, bricht er das Gespräch ab.

Wie Toni Orth und seine Mitarbeiter klar stellen, geht es in Kitzingen selten dramatisch zu. Bei jährlich zirka 8000 Vermittlungsterminen und zirka 25.000 sonstigen Kundenkontakten mussten nur acht bis zehn Abmahnungen und fünf bis sieben Hausverbote wegen ungebührlichen Verhaltens ausgesprochen werden. Das heißt, aggressives Auftreten, Beleidigungen oder Bedrohungen kommen nicht oft vor. "Der Großteil der Gespräche verläuft sachlich", betont der Geschäftsführer.

"Wir haben jedes Jahr mehrere Millionen Kundenkontakte/Kundengespräche. Aggressionen gehören jedoch nicht zum Alltag", sagt Wolfgang Albert. "Wir wollen ein Vertrauensverhältnis zu unseren Kunden. Wir sehen unsere Aufgabe darin, ihnen in einer schwierigen Lebenssituation zu helfen und sie darin zu unterstützen, sich aus dieser Situation zu befreien." Die Agenturen führen keine Statistiken über Übergriffe auf Kolleginnen und Kollegen in den Jobcentern. Albert: "Damit würden wir zum Ausdruck bringen, es wäre für uns Normalität oder eine zählbare Häufung."
Studie zu den Bedrohungen in den Jobcentern

Die gesetzliche Unfallversicherung hat im letzten Jahr eine Studie zu den Bedrohungen in den Jobcentern erstellt. Die wichtigsten Ergebnisse daraus sind laut Albert: Extreme Übergriffe und Gewalttaten treten nur vereinzelt auf. Häufiger gibt es Schwierigkeiten im Kundenkontakt, die auf Alkohol- und Drogenkonsum zurückzuführen sind.

Die Bestimmungen nach dem Sozialgesetzbuch II sind restriktiv. Was der Gesetzgeber für zumutbar und angemessen hält, schätzen die Kunden oft völlig anders ein. Und dann gibt es Streit. "Wir werden für unfreundlich gehalten, und das wird auch nach außen transportiert", beklagt Toni Orth. Anerkennung gebe es kaum. Sogar manche Verbände redeten schlecht über die Jobcenter-Mitarbeiter. All das belastet die in der Behörde Beschäftigten. "Vor einem schwierigen Gespräch denke ich in der Nacht zuvor schon an den Termin", gesteht die Mitarbeiterin.

Nach dem Mordfall in Neuss haben alle in Kitzingen den Entschluss gefasst, dass ihre Behörde ein offenes Haus bleiben soll, weil Einrichtungen wie Sicherheitsschleusen erst mal alle Besucher unter Generalverdacht stellen würden. Toni Orth: "Eine solche Aktion wie in den Gerichten erachten wir als nicht verhältnismäßig. Wie sind uns bewusst, dass wir eine absolute Sicherheit nicht herstellen können."