Auf der Suche nach Auszubildenden

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Ausbildung: Erwin Offner erklärt seinem Lehrling Leon, worauf er beim Anschluss eines Servomotors an eine Stanzmaschine zu achten hat ...
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Lockangebote für Auszubildende? Geschäftsführer André Göpfert hält davon gar nichts.
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Die aktuellen Zahlen auf dem Arbeitsmarkt sind gut. Überraschend gut. Doch in die Aussichten mischt sich ein wenig Sorge. Woher kommen die motivierten und engagierten Auszubildenden der Zukunft? Woher nehmen, wenn nicht stehlen?

Die aktuellen Zahlen auf dem Arbeitsmarkt sind gut. Überraschend gut. Doch in die Aussichten mischt sich ein wenig Sorge. Woher kommen die motivierten und engagierten Auszubildenden der Zukunft? Woher nehmen, wenn nicht stehlen?

„Wir haben den stärksten Rückgang an Arbeitslosen seit dem Jahr 2005.“ Der Geschäftsführer der Agentur für Arbeit in Würzburg, Richard Paul, ist zufrieden. Ein Rückgang der Zahlen im Herbst ist nor-

„Wir haben gerade eine sehr hohe Dynamik im Arbeitsmarkt.“
Richard Paul, Geschäftsführer Agentur für Arbeit in Würzburg

mal. Aber in diesem Ausmaß? Bei 2,8 Prozent liegt die Arbeitslosenquote im Agenturbezirk, zu dem die Landkreise Kitzingen, Würzburg und Main-Spessart sowie die Stadt Würzburg zählen. Zum Vergleich: Bayernweit liegt die Quote bei 3,4 Prozent, im Bund sogar bei 6,3 Prozent. „Das entspricht bei uns faktisch einer Vollbeschäftigung“, sagt Paul. Also alles in bester Ordnung? Ganz so einfach ist es nicht. Es gibt auch eine Kehrseite der Medaille.Seit mehr als 50 Jahren entwickelt, fertigt, montiert und verkauft die Göpfert Maschinen GmbH in Wiesentheid Wellpappenverarbeitungsanlagen in alle Welt. Stetig ist die Zahl der Mitarbeiter gestiegen. Von anfänglich sechs auf 70 im Jahr 1986 und 110 in 1992 bis zum aktuellen Stand von 310 Mitarbeitern. Ein Ende ist nicht in Sicht. „Wir bauen weiter aus“, kündigt Geschäftsführer André Göpfert an. Noch in diesem Jahr sollen eine neue Fertigungs- und Lagerhalle sowie ein weiteres Verwaltungsgebäude errichtet werden. Göpfert rechnet mit dem Bezug Ende 2015. Die Erweiterung schafft in erster Linie mehr Raum für Maschinen und Arbeitsabläufe. „Aber in der Regel ist mit einer Erweiterung auch eine Erhöhung der Mitarbeiterzahl einhergegangen“, sagt der Geschäftsführer. Bei der Suche nach Fachkräften wird er es nicht leicht haben.

2966 offene Stellen hat es im Bezirk der Agentur Würzburg Ende Oktober gegeben. 13 Prozent mehr als im Vorjahr. „Wir haben gerade eine sehr hohe Dynamik im Arbeitsmarkt“, sagt Paul. Alleine im Oktober haben sich 3000 Beschäftigte neu arbeitslos gemeldet. Ihnen standen allerdings 3800 Menschen gegenüber, die eine Arbeit gefunden haben. „Es ist ein ständiger Ausleseprozess“, sagt Paul. „Die stärksten Bewerber kommen gleich wieder in Beschäftigung. Die Schwächeren haben es schwer.“ Das Zauberwort lautet deshalb: ständige Fortbildung. Denn die Nachfrage nach qualifizierten Kräften ist in ganz Mainfranken da. Über alle Branchen hinweg. Die Suche startet schon früh. Bei den Auszubildenden.

310 Mitarbeiter hat die Göpfert Maschinen GmbH. Fast zehn Prozent sind Auszubildende. Auch für das Ausbildungsjahr 2015 sucht die Firma wieder zehn neue Azubis. „Es wird nicht einfacher“, sagt Erwin Offner, der Ausbilder in der Sparte Elektronik. Die Bewerberzahlen sind seit Jahren rückläufig. 150 waren es zu Höchstzeiten, 2013 waren es nur noch rund 100. „Für das nächste Jahr müssten eigentlich jetzt schon deutlich mehr Bewerbungen da sein“, sagt André Göpfert. Doch die Schulabgänger von heute haben deutlich mehr Möglichkeiten als noch vor 10 oder 20 Jahren. Paul spricht von einem Wandel in Richtung Bewerbermarkt. Die Zahlen unterstreichen das: 3756 Bewerber hatten im Agenturbezirk die Wahl aus 3980 Ausbildungsstellen.

Letztendlich sind gerade mal 49 Jugendliche nicht versorgt worden. Im Landkreis Kitzingen waren es sechs junge Menschen, bei denen Wunsch und Wirklichkeit nicht zusammenpassten. 78 angebotene Stellen blieben offen. Besonders schwer tun sich Branchen wie Gastronomie, Metzger oder Bäcker. Bereiche mit unregelmäßigen Arbeitszeiten sind für die meisten Jugendlichen eben nicht attraktiv.

Aber selbst florierende und expandierende Unternehmen wie die Göpfert Maschinen GmbH in Wiesentheid tun sich schwer, geeignete Bewerber zu finden. Die Konkurrenz von Großbetrieben in Schweinfurt oder Würzburg ist ein Grund, die veränderte Lebensplanung der Jugendlichen ein anderer. In manchen Realschulen gehen mehr als die Hälfte der Absolventen auf weiterführende Schulen.

Längst hat ein Kampf um die besten Bewerber eingesetzt, wie die IHK Würzburg-Schweinfurt bestätigt. „Die Unternehmen müssen immer mehr Zeit und Geld in die Bewerbersuche investieren. In manchen Branchen entwickelt sich ein regelrechter Wettbewerb um die besten Lehrlinge“, so Max-Martin W. Deinhard, IHK-Bereichsleiter Berufsausbildung. Vor allem kleinere Unternehmen treffe die aktuelle Entwicklung auf dem Ausbildungsmarkt hart. Für 2015 wollen laut IHK nur noch 60 Prozent ihr Ausbildungsplatzangebot erhöhen oder beibehalten. Im Vorjahr waren es noch 80 Prozent. Zehn Prozent wollen ihr Angebot reduzieren; 30 Prozent sind noch unentschlossen.

Manche Firmen setzen bei der Suche nach neuen Auszubildenden auf Lockangebote wie Handys oder Zuschüsse für den Führerschein. André Göpfert hält davon gar nichts. „Wo fängt es an und wo hört es auf?“, fragt er. Lieber setzt der Geschäftsführer auf die Stärken seiner Firma: Eine intensive Betreuung durch Ausbilder wie Florian Poser, Dieter Krauß oder Erwin Offner, eine individuelle Förderung und die Aussicht auf eine Übernahme im Betrieb.

Mehr als 220 junge Menschen sind in den letzten 40 Jahren bei Göpfert ausgebildet worden. Etwa 90 Prozent sind übernommen worden. „Und es war kein einziger Abbrecher dabei“, sagt Dieter Krauß, Ausbilder im Bereich Feinwerkmechanik, nicht ohne Stolz. „Wir setzen auf Kontinuität, ein gutes Betriebsklima und eine ordentliche Bezahlung“, so Göpfert. Und auf ein frühes Kennenlernen. Bis zu 70 Praktikanten werden pro Jahr im Betrieb willkommen geheißen. „Ein großer Aufwand“, gesteht Krauß. Aber einer, der sich lohnt. „Die Mehrzahl bewirbt sich später um einen Ausbildungsplatz.“

Zahlen und Fakten zum Arbeitsmarkt

Top 10 der Berufswünsche von Auszubildenden: Verkäufer, Industriekaufmann, Kaufmann im Einzelhandel, Bürokaufmann, Medizinischer Fachangestellter, Industriemechaniker, Kraftfahrzeugmechatroniker, Kaufmann Büromanagment, Kaufmann Groß- und Einzelhandel, Kaufmann für Bürokommunikation.

Herbstbelebung: Insgesamt waren im Oktober 8080 Arbeitslose im Agenturbezirk Würzburg registriert. Das waren 9,5 Prozent weniger als im September (850). Die Arbeitslosenquote sank um 0,3 Prozent auf 2,8 Prozent. Nahezu alle Personengruppen profitierten vom Aufschwung. Vor allem die unter 25-Jährigen mit knapp 38 Prozent. Rückläufig ist auch die Langzeitarbeitslosigkeit. Mit 2350 Betroffenen waren 80 weniger gemeldet als im Vormonat.

Gesucht: Der Bestand an offenen Stellen lag im Oktober bei 2860 und damit 16 Prozent höher als im Vorjahr. Gesucht wurden hauptsächlich Fachkräfte in medizinischen Gesundheitsberufen, im Handel und Verkauf, Verkehr und Logistik sowie in der Maschinen- und Fahrzeugtechnik.