Zwei Monate lebt Paula Quiñones bei der Familie Bögelein. Die Chilenin liebt vor allem die deutschen Schlösser - und wundert sich, dass Jungs und Mädels sich nicht genauso oft umarmen wie in ihrer Heimat.
Bevor sie nach Deutschland kam, dachte sie noch, dass hier jeder Bier trinkt. Jeder Bratwurst isst. Jeder Lederhose trägt. Immerhin war sie vorher noch nie da gewesen, kannte deutsche Städte und Gepflogenheiten nur aus dem Unterricht. Das sollte sich ändern. Paula Quiñones wollte Deutschland selbst sehen, selbst erkunden, selbst erleben. Von Concepción - nach Santiago die zweitgrößte Stadt Chiles - ging es für die 16-Jährige deshalb im Dezember quer über den Atlantik direkt nach Marktsteft. Dort lebt sie über zwei Monate bei ihrer Gastfamilie, den Bögeleins. 18 Stunden Flug trennen Paula nun von ihrer Heimat. Zum ersten Mal ist sie so lange weg von daheim.
"Es ist eine schöne Erfahrung, eine tolle Familie, ich fühle mich wohl", sagt sie in noch etwas gebrochenem deutsch. Spanisch spricht in der Familie Bögelein nämlich keiner. "Sie muss hier deutsch reden.
Darum geht es ja schließlich für sie", erklärt ihre Gastmutter Antje Bögelein. Und Paula hat sich gemausert: Sie versteht inzwischen fast alles - und vor allem viel mehr als zu Beginn ihres Aufenthalts. Da hatte sie zunächst noch Startschwierigkeiten: "In Chile konnte ich immer gut deutsch reden, hier habe ich erstmal alle Vokabeln verloren." Antje Bögelein wundert das nicht: "Wir mit unserem Dialekt reden ja unheimlich schnell, das ist schwer für sie."
Deutsch als Geheimsprache Dass die junge Chilenin ihre Sommerferien opfert und 5000 Euro investiert hat, um gerade ins kalte Deutschland zu reisen, ist kein Zufall. Sie hat nicht nur deutsche Wurzeln, sie besucht auch eine deutsche Schule. Ihre Noten im Deutschunterricht sind gut, sehr gut sogar.
Das kommt nicht von ungefähr, mit ihrer besten Freundin hat sie die Sprache nämlich auf ganz besondere Weise geübt: "Manchmal lästern wir auf deutsch, wie eine Art Geheimsprache", erzählt sie und muss lachen.
Organisiert wurde der Austausch vom Verein für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland (VDA), die per Anzeige nach einer Familie gesucht hat, die chilenische Austauschschüler bei sich aufnimmt. Die Bögeleins zögerten nicht lange - und nahmen sofort Kontakt auf. Kaum stand Paula mit ihrem Gepäck vor der Tür, konnte sie gar nicht genug besichtigen, gar nicht genug entdecken von ihrer neuen Umgebung. "Sie möchte einfach alles sehen", sagt ihr Gastvater Ralph Bögelein.
Schlösser sind toll Ausflüge sind bei der Familie deshalb an der Tagesordnung: Ob Rothenburg, Würzburg, oder ein Trip mit dem Wohnmobil nach Thüringen - fast nichts, das ausgelassen werden soll. Fasziniert ist Paula vor allem von den älteren Bauwerken: "Es ist toll, dass es hier noch Schlösser gibt."
Aber die Chilenin ist nicht nur zum Vergnügen in Deutschland. Unter der Woche geht sie jeden Tag zur Schule, zusammen mit ihrer 15-jährigen Gastschwester Xenia Bögelein besucht sie die zehnte Klasse. Dort hat sie auch schon einen entscheidenden Unterschied zu ihrer Heimat Chile festgestellt: "Jungs und Mädchen sind hier mehr voneinander getrennt, haben weniger Körperkontakt.
Zuhause küssen und umarmen wir uns viel mehr."
Sonst konnte sie Deutschland bisher aber nur Positives abgewinnen: "Die Straßen sind nicht schmutzig, die Leute sind nett. Wenn man ein Problem hat, helfen sie immer." Das konnte sie vor allem auf ihrer zweiwöchigen Rundreise quer durch Deutschland erfahren, die sie machte, bevor sie bei Familie Bögelein landete. Hamburg, Berlin, Dresden, Frankfurt, Köln, München - sie wollte sich so viel wie möglich in Deutschland anschauen.
Täglich Kontakt mit der Familie Dass sie Weihnachten und Silvester nicht zuhause war, fand Paula überhaupt nicht schlimm. "Es wird hier genauso gefeiert wie bei uns - nur bei anderen Temperaturen", scherzt sie. Die ersten Tage ohne Familie und Freunde waren allerdings schon schwierig für sie. Über Skype und Facebook hat sie täglich Kontakt mit ihnen.
"Bei uns ist Paula längst eingegliedert", sagt Ralph Bögelein und freut sich. Auch beim Fasching ist die junge Chilenin dabei, verkleidet sich als Biene. "Ich finde das toll, das gibt es bei uns nicht."
Bis zum 20. Februar bleibt Paula noch bei ihrer Gastfamilie. In Chile hat sie dann noch eine Woche Sommerferien, bevor die Schule wieder losgeht. "Ich würde die Zeit hier noch verlängern, aber ich will noch ein bisschen Sommer", sagt sie. Ob sie nach Deutschland zurückkommen möchte? "Erstmal will ich andere Länder sehen, England und Nordamerika. Ich will alle Kulturen kennenlernen."