Marius Riedel hat einen essbaren Schatz gefunden: Leckere Steinpilze und Maronen-Röhrlinge in ungewohnter Pracht und Masse. Nicht nur der Achtjährige, sondern alle Pilzfreunde erleben derzeit eine Superzeit.
Das Jagdfieber greift um sich. Es befällt immer mehr Menschen. Als Waffe reicht ihnen ein kleines Messer. Damit schneiden sie die Beute einfach am Fuß ab und legen sie in einen Korb. Dieser füllt sich derzeit ungewohnt leicht und schnell. Der Steigerwald und das Umland sind in diesen Tagen ein Dorado für Pilzsammler.
Zu Letzteren gehört seit Jahren Familie Riedel/Genske aus Castell. Sobald "Pilzwetter" herrscht, zieht es das Trio hinaus in den Wald, auf Wiesen und Felder. Am Wochenende war der achtjährige Marius mit seinen Eltern natürlich unterwegs. Noch immer leuchten Mama Claudias und Papa Bertrams Augen mit denen ihres Sohn um die Wette, wenn sie an die essbaren Schätze denken, die sie nach Hause brachten. "Es war einfach Wahnsinn", lautet Bertram Riedels Pilzjagd-Bilanz: "Wir hatten in der Vergangenheit schon schöne Funde. Aber so etwas gab es noch nicht!"
Größere Pilze als normal Champingnons, deren Schirme größer als Suppenteller sind, Steinpilze, unter denen ein Fuchskind Deckung findet, und Maronen-Röhrlinge, die sich anfühlen wie mit Samt überzogen und "so richtig schön nach Herbst duften" - all diese Genüsse fand die Familie an verschiedenen Stellen im Steigerwald. In knapp zwei Stunden waren zwei Mega-Körbe gefüllt - und so schwer, dass nur Papa Bertram sie noch tragen konnte.
Tatsächlich ist derzeit eine ungewohnt gute Zeit, um sich mit selbstgefundenen Leckereien zu versorgen. Dabei gab es in den Monaten August und September dieses Jahr kaum Pilze. "Da war es zu trocken", weiß die Pilzsachverständige Renate Schoor. Sie hat ihr Sprechstunden-Zimmer in den Heidingsfelder Amtsräumen des Forstbetriebs der Stadt Würzburg. Dort bietet sie Beratung nach Bedarf an. Und dieser war am Montag - nach dem tollen "Pilzwetter"-Wochenende - gigantisch.
Jetzt erst ist Pilzwetter Normalerweise dauert die Beratungszeit von 10 bis 12 Uhr. Sie reichte aber dieses Mal nicht aus. Denn der Ansturm war riesig. Eine Schlange von über 40 Sammlern mit Pilzkörben und Eimern stand vor der Tür. Renate Schoor hatte sich schon so etwas gedacht. Am Wochenende zuvor war die leidenschaftliche Pilzfreundin selbst im Spessart unterwegs gewesen und quasi an jedem Feldweg auf viele geparkte Autos gestoßen - die Fahrzeuge von Pilzsammlern.
"In den vergangenen Wochen war die Witterung optimal. Zuerst der Regen und jetzt der Nebel bei noch warmen Temperaturen am Tag - einfach ideal für das Wachstum der Pilze", sagt die Expertin. Die feinen Nebeltröpfchen sickern sanft in den Waldboden ein, tränken Moos und Laub und ernähren die Pilze im Boden. Schoor spricht von explosionsartiger Vermehrung - und das bei einer unendlichen Artenvielfalt und äußerst vielen Exemplaren pro Pilzart.
"Da findet jeder etwas."
Die Fachfrau nimmt an, dass die Pilzsaison 2012 ihren Höhepunkt jetzt erreicht hat. Denn es ist ein Temperaturrückgang vorhergesagt. Sollte es wirklich schon winterlich werden, werden Schoor bei ihrem nächsten Beratungstermin am 29. Oktober sicher deutlich weniger Sammler besuchen als diese Woche.
Pilze noch vor dem Frost sammeln Pilze gibt es zwar das ganze Jahr über, aber die Hauptsaison ist von Ende August bis zu den ersten Frösten. In manchen Jahren gibt es noch Ende November Steinpilze. Doch Vorsicht: Wenn Pilze im Wald einmal gefroren waren, kann man sie nicht mehr verwenden. Sie können dann eine Lebensmittelvergiftung verursachen.
Wer sich nicht sicher ist oder noch nicht lange Pilze sammelt, sollte eine erfahrene Person mit in den Wald nehmen oder sich von Pilzsachverständigen wie Renate Schoor beraten lassen. Früher hießen diese Fachleute auch Pilzberater. Sie legen eine Prüfung ab und können dann öffentlich in Schulen, Volkshochschulen, Verbänden, Pilzberatungsstellen bezüglich Essbarkeit und Giftwirkung von Pilzen und ihrer Rolle für Mensch und Umwelt beraten.
Bertram, Claudia und Marius aus Castell sind sich sicher, dass ihre Funde nicht nur essbar sind, sondern dass sie in der heimischen Küche zu Gaumenfreuden höchster Güte werden. Der Lohn für stundenlanges Pilz-Putzen klingt äußerst verführerisch: Steinpilz-Carpaccio, Rehgeschnetzeltes mit Steinpilzen und mediterran gegrillte Pilze... Marius leckt sich schon die Lippen: "Pilzsammeln lohnt sich!"
Das war mindestens ein "Mega-Korb" zu viel, denn das Sammeln ist nur in haushaltsüblichen Mengen erlaubt. Auch die Schwärmerei über Riesenpilze ist nur angebracht, wenn man sie im Wald stehen lässt. Meist sind sie wurmig oder sogar schon verdorben - Lebensmittelvergiftungen sind die häufigsten Vergiftungen beim Genuss von Pilzen.