Statisten wie Martin Menner und Bernhard Bauer sind am Mainfrankentheater mehr als nur Beiwerk. Sie werten Szenen auf und übernehmen kleinere Rollen - als Bilder, Büsche oder Bayern.
Für Martin Menner ist es die Premiere. Ein Busch ist ausgefallen. Also Overall, Handschuhe, Sturmhaube. 30 Sekunden noch. Martin Menner rennt jetzt. Haube über die Stirn rollen und reinklettern in den Busch. Der Busch ist ein Rahmen aus Eisenrohren, so groß wie eine Kommode, unten kleine Rollen, oben Tarnnetz und Plastikblätter. Vier Büsche gibt es im Sommernachtstraum. Einer ist Martin Menner. Jemand ist krank geworden. Nicht der Busch, einer weiter oben. Also haben sie nachbesetzt. Erst die Tänzer, dann den Rest, beim Busch war die Lücke. "Dann haben sie mich gefragt", sagt Menner. Er hebt die Schultern. So ist das halt. Unter dem Busch-Overall ist Menner Bayer: Lederhose, Hemd, Wadlwärmer. Vor einer Stunde haben sie ihm in der Maske einen falschen Schnurrbart angeklebt, weil Martin Menner keinen echten hat. Erst Busch, dann Bayer, so ist das als Statist.
Stimmung 2, die Büsche blinken Der Vorhang geht auf. Hinten flüstert der Spielleiter: "Stimmung 2". Das Licht wechselt. Oben blitzen ein paar Spots, unten blinken die Büsche, fahren jetzt, rechts, links, vor, zurück. Nächste Stimmung. Die Büsche stoppen, der Nebel verzieht sich. Die Tänzer kommen. Zwei Männer, zwei Frauen, der Sommernachtstraum beginnt.
Shakespeare. Ballett. Die Geschichte von den Pärchen, die sich genau in dem Wald treffen, in dem die Geister streiten. Deshalb die Büsche. Die Büsche sind der Wald. Und die Büsche sind der Übergang in die Geisterwelt. Hinten an die Büsche sind riesige Orchideenblüten gebaut. Martin Menners Buschpremiere dauert keine zwei Minuten, dann steigt er wieder aus seinem fahrenden Gestrüpp, grinst. "Das war es schon." Menner geht hinten um die Bühne herum, stoppt, lässt Bernhard Bauer passieren. Der hat es eilig. Auch Bauer ist ein Busch. Planmäßig. Danach spielt er erst einen Bayer, dann eine Mutter. Alles muss schnell gehen.
Bernhard Bauer ist eigentlich Softwareentwickler. Tagsüber. Abends ist er Statist in der Komparserie des Mainfrankentheaters in Würzburg. Ehrenamtlich, so wie alle der rund hundert Komparsen, die in der Kartei des Theaters stehen. Manchmal üben sie viermal die Woche, mehrere Stunden. Warum er das macht, kann Bernhard Bauer nicht genau erklären. "Weil es Spaß macht", sagt er, aber das klingt eher wie eine Frage. Aber irgendwie so etwas muss es sein. Die Komparsen sind wichtig für das Theater. Die Stadt hat den Statisten gerade die Kulturmedaille verliehen. Als Anerkennung.
In Würzburg gibt es ganze Komparsenfamilien. Vater, Mutter und Kinder machen mit. Andere sind seit 40 Jahren dabei. So wie Herbert Vornberger. Der 57-Jährige hat ein halbes Dutzend Intendanten erlebt, stand neben den ganz großen Schauspielern auf der Bühne. "Maria Schell", sagt er, brummt dabei. Vornberger ist einer, der erzählen kann, wie sich das Theater und die Komparserie entwickelt hat: Mit viel Geld, das immer weniger wurde.
Mit viel Personal, das auch immer weniger wurde. Herbert Vornberger erzählt einem auch, warum das mit dem Theater in der letzten Zeit nicht so lief: "Man hat am Publikum vorbei gespielt", sagt er, hebt die Augenbrauen und schaut dabei wie einer, der ein Geheimnis verrät. Abonnenten kündigten, Zuschauer blieben weg, das Theater spielte ein Defizit von knapp einer halben Million Euro ein. "Aber es wird wieder besser", sagt Herbert Vornberger, nickt mit geschlossenen Augen, wissend. Einer der 40 Jahre dabei ist, hat schon alles erlebt.
Erst Bild, dann Butler, dann Busch Bernhard Bauer ist seit fünf Jahren Komparse. Er hatte seine Premiere als Bild. Auf der Bühne hing ein Rahmen, da musste er durchgucken, eine ganze Aufführung lang. Dann wurden die Rollen interessanter: Im Dorian Gray spielte er einen Polizisten, dann Volk am Hafen, einen Butler. "Keine großen Sachen, zweimal über die Bühne rennen, finster schauen", sagt Bernhard Bauer und lacht. Bauer ist ein schlanker Typ, sportlich, mittelgroß - vielleicht der ideale Statist: Man kann ihn eigentlich für alles einsetzen. Als Busch, als Bild, als Butler. Wenn Bernhard Bauer lacht, wippen seine Haare. Locken, mittellang, mit Schminke erinnert der 37-Jährige ein bisschen an den Hobbit Frodo aus dem Herrn der Ringe. Vielleicht wollen ihm die Maskenbildner deshalb die Haare mit Gel an den Kopf betonieren. Aber diesmal braucht es das gar nicht. Als Busch hat Bernhard Bauer eine Haube auf und später als Mutter ein Perücke.
Und die braucht er jetzt. Bernhard Bauer kurvt um die Tänzer, die sich am Boden dehnen, und weicht Martin Menner aus. Der weiß, wo er jetzt stehen darf und wo nicht. Menners Rollen sind nicht ganz so hektisch wie die von Bernhard Bauer. Er ist erst Busch, dann Bayer. Mit Lederhose, Mantel und Motorradhaube. Martin Menner fährt später eine dreirädrige Vespa, transportiert Bayern und Bänke auf die Bühne. Nichts Großes, aber wichtig. "Wenn wir Statisten nicht mitmachen würden, wären doch viele Szenen optisch ganz arm", sagt er. Martin Menner steigt in die Vespa und Bernhard Bauer klettert auf die Ladefläche. Dann fahren sie auf die Bühne. Ins Licht.