Regelmäßig kontrolliert Günter Wagner den Stromverbrauch in verarmten Haushalten. Er und seine Kollegen sind Helfer in einem ehrenamtlichen Wohlfahrtsprojekt.
Gertrud Weber
(Name geändert) hat schon mal den Kohlenofen angeschürt und die elektrischen Heizkörper aufgedreht. Sie erwartet ihren Mann aus der Klinik zurück. Sein Pflegebett steht bereit, der Akku des Bettlifters lädt sich mit Strom auf.
Vor acht Jahren hatte Webers Mann eine Gehirnblutung. Seitdem ist er schwerstbehindert, kann nicht mehr sprechen, nichts mehr alleine machen. Tag und Nacht ist er auf die Hilfe seiner Frau angewiesen. Sie opfert sich auf für ihn. Unterstützung erfährt sie auch durch den Pflegedienst der Sozialstation. Über diesen Weg hat Gertrud Weber Petra Hösch kennen gelernt. Hösch ist in einer Einrichtung der Diakonie Kitzingen, der Kirchlichen Allgemeinen Sozialarbeit (Kasa), tätig.
Sie war erschrocken, als sie erfuhr, von welch bescheidenem Einkommen das Ehepaar Weber leben muss und - schlimmer noch - wie horrend hoch seine Stromrechnung ist. Webers Mann bekommt eine Rente von 1154 Euro, sie selbst hat kein Einkommen. Letztes Jahr zahlte Gertrud Weber einen monatlichen Strom-Abschlag von 443 Euro. Abzüglich der fixen Kosten blieben maximal 130 Euro im Monat. "Und da ist noch nichts zum Essen gekauft", sagt Gertrud Weber.
Die Verbraucher in Deutschland müssen für die Energiewende ab dem kommenden Jahr noch tiefer in die Tasche greifen.
Die Ökostrom-Umlage, mit der die Erzeugung von Ökostrom gefördert wird, steigt 2013 von derzeit 3,6 auf rund 5,3 Cent je Kilowattstunde.
Schlechte Dämmung verantwortlich Da kommt auf Gertrud Weber etwas Unheilvolles zu. Natürlich schaut sie, wo sie Strom und Energie sparen kann. Das ist schwierig, weil das Elternhaus ihres Mannes schlecht gedämmt ist. Wenn Webers Mann im Bett liegt, stellt sie die Heizungen auf eine Temperatur von 15 bis 16 Grad Celsius ein. Wenn er im Rollstuhl sitzt, braucht er es wärmer. Auf mehr als 20 Grad Celsius heizt sie die Räume aber nie.
Sie ärgert sich, dass sie sich dazu überreden ließ, fünf Elektro-Heizkörper zu kaufen. Das war im Herbst 2005. Irgendwann im vergangenen Jahr kam sie an den Punkt, wo sie ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen konnte. Nach kurzer Zeit wurde ihr eine Mahnung geschickt. In dem Schreiben wurde zugleich eine Stromsperre angedroht. Am Tag, als die Stromzufuhr gekappt werden sollte, war die 64-Jährige nicht zu Hause. Deswegen wurde sie vom Energieversorger auch noch verklagt, den Zugang zum Grundstück verweigert zu haben.
"Ich war geschockt", sagt Gertrud Weber. Sie rief Petra Hösch zu Hilfe. Die Diakonie-Mitarbeiterin weiß aus Erfahrung, dass die Energieversorger nicht lange fackeln. Hösch hat versucht, für die Webers über mehrere Stellen Geld zu bekommen. Einiges gelang ihr.
"Die GEZ-Befreiung haben wir gekriegt, weil Herr Weber behindert ist", sagt Hösch. Gertrud Weber nickt dankbar. "Wir als Diakonisches Werk haben halt doch eine andere Stimme als die Privatperson", fügt Petra Hösch hinzu.
Der Armut vorbeugen Seit Kurzem kann das Diakonische Werk über Kasa eine weitere Hilfe anbieten: ehrenamtliche Energieberater, die direkt in die Haushalte gehen. "Fit beim Energiesparen" nennt sich dieses Hilfsprogramm zur Armutsbekämpfung und Prävention. Es wurde im Frühjahr vom Diakonischen Werk und von der Landeskirche in den Dekanaten Kitzingen, Schweinfurt und Bad Neustadt/Saale in die Wege geleitet.
Im April suchten das Dekanat und die Diakonie Ehrenamtliche, die bereit sind, eine Fortbildung zu besuchen und dann betroffene Haushalte zu beraten. Einer, der sich nach dem Aufruf gemeldet hat, ist der ehemalige Kitzinger Pfarrer Günter Wagner. Dem Leiter des Hilfsprojekts, Siegfried Fuchs vom Diakonischen Werk Schweinfurt, war Wagner sehr willkommen. Er wisse als Pfarrer, wie man sich auf andere einstellt. "Es ist wichtig, dass unsere Energieberater Respekt vor anderen Lebensweisen haben, nicht rechthaberisch oder besserwisserisch sind", sagt Fuchs. Günter Wagner schaut sich zunächst im Haushalt um und macht eine Bestandsaufnahme aller Geräte, die Strom verbrauchen. Dann berechnet er den Verbrauch. Schließlich gibt er Tipps, wie Strom gespart werden kann.
"Da gibt es eine ganze Menge, zum Beispiel die Waschmaschine nicht immer auf 60 Grad laufen lassen", sagt Wagner. Er wolle den Menschen helfen, mit ihren Einkünften zurechtzukommen, die Stromquellen sinnvoll zu nutzen und damit auch die Umwelt zu schützen, erläutert er seine Motivation.
Es gibt einen ersten Erfolg. Beim Ablesen der Stromzähler hat Günter Wagner festgestellt, dass der Verbrauch gesunken ist. Für die Wagners bedeutet das, dass sie 30 oder 40 Euro mehr zum Leben haben.