2013 ist die Innenstadt von Zeil um einen weiteren Einzelhändler ärmer. Heinz Haberzettl schließt sein Juweliergeschäft - nach 26 Jahren. Traurig ist er darüber dennoch nicht.
Jahrelang haben Heinz und Ulrike Haberzettl gekämpft: gegen sinkende Umsatzzahlen, Internet-Schnäppchen und gegen den günstigen Großhandel. Jetzt wollen die beiden nicht mehr. "Wenn an Silvester die Raketen knallen, ist Schluss", sagt Heinz Haberzettl - und er sieht fast ein bisschen erleichtert aus.
Seit er mit seiner Frau 1986 nach Unterfranken kam und in Zeil ein Schmuckgeschäft eröffnete, hatte er keinen Urlaub mehr. " Maximal drei Tage über die Feiertage. Das war alles", sagt Haberzettl. Keine Reisen, keine freien Wochenenden, kein Ausschlafen. Die Einstellung einer Aushilfskraft war finanziell nicht drin. Seine Frau, eine gelernte Bürokauffrau, und er, der Goldschmiedemeister, stemmten den Betrieb zu zweit.
Über die Frage, wann die Geschäfte zuletzt gut liefen, muss Haberzettl nicht lange nachdenken. "Das war in den Jahren nach der Grenzöffnung", also Anfang der neunziger Jahre.
Doch mittlerweile habe sich die wirtschaftliche Situation komplett gewandelt. "Alles ist viel kurzlebiger geworden. Jedes halbe Jahr gibt es einen neuen Modetrend", sagt Haberzettl. Der schnelle Wandel habe auch die Zahl der unverkäuflichen Restposten anwachsen lassen. "Was heute in ist, ist morgen schon wieder out und kann nicht verkauft werden."
Zumal die Kunden zwar den Reparaturservice vor Ort, nicht aber den Einkauf beim heimischen Einzelhändler schätzten. "Der Reparaturservice ist bequem und günstig. Aber kaufen wollen immer weniger", sagt der 62-Jährige. An seinem hölzernen Goldschmiedetisch im Hinterzimmer hat er unzählige Uhren, Ringe, Ketten und "alles andere, was kaputt gehen kann", repariert. "Aber das lohnt sich nicht."
Dann, schlag 18 Uhr, betritt eine Kundin den Laden und will noch "schnell eine Reparatur abholen". 2,20 Euro kostet die Wiederherstellung des Halskettchens. 15 Minuten hat Haberzettl daran gesessen.
Das macht einen Stundenlohn von 8,80 Euro - abzüglich Betriebskosten. "Das kann nicht funktionieren", sagt er.
Das Ehepaar aus dem Fichtelgebirge - er stammt aus Selb, sie aus Wunsiedel - war 1982 gemeinsam nach Hamburg gezogen. Bis 1988 arbeitete Heinz Haberzettl dort als Angestellter in einem Schmuckgeschäft. In dieser Zeit kam auch der gemeinsame Sohn Patrick auf die Welt. Dann lasen die Haberzettls in einer Fachzeitschrift von einem Juweliergeschäft in Zeil, das zum Verkauf stand. "Es war reiner Zufall, dass wir hier gelandet sind", sagt Haberzettl und lächelt. Bereut habe er diese Entscheidung nie.
Das Paar kannte das Maingebiet bereits von seinen Fahrten von der Hansestadt ins Fichtelgebirge. "Da sind wir immer hier durchgekommen", erinnert sich Heinz Haberzettl zurück.
Und sagt dann in einem geschliffenen Hochdeutsch: "Wenn man Bayer ist, will man auch nach Bayern zurück."
In den Jahren nach der Geschäftsgründung standen Bestecke und Zinnwaren in den Regalen. Die Kunden ließen sich Ringe und anderen Schmuck nach Maß anfertigen. "Da waren schöne Stücke dabei", erinnert sich der gebürtige Oberfranke. Er selbst trägt nur eine schlichte, schwarze Armbanduhr. "Aber meine Frau trägt schon gerne Schmuck", sagt er und muss ein bisschen grinsen. Doch sie war es auch, die ihm die Augen geöffnet hat.
"Meine Frau war schwer krank, und bei mir macht sich das Alter langsam bemerkbar. Darum wollen wir aufhören, solange wir noch etwas von unserem Ruhestand haben."
Von großen Reisen träumt Heinz Haberzettl nicht. "Die Alpen oder der Bodensee, das wäre doch schon was", sagt der 62-Jährige, der begeistert wandert. Ob er die Arbeit in seinem Laden in der Hauptstraße vermissen wird? Heinz Haberzettl schüttelt den Kopf. "Ich habe das so lange gemacht", sagt er. "Jetzt ist etwas anderes dran."