Die Wasserläufe im Kreis Haßberge sind ein empfindliches Biotop, das der Mensch stark belastet. Ein Hintergrundgespräch über ihren ökologischen Zustand.
Flüsse und Bäche sind für sich gesehen ein einzigartiges Biotop. Viele Arten von Fischen, kleinen Krebsen, Schwämmen, Algen und Fliegen bevölkern die Gewässer im Landkreis Haßberge. Doch der Mensch hat den natürlichen Lebensraum Wasser stark verändert. Für Wasserkraftwerke, Siedlungen und Schifffahrt werden Flüsse begradigt und bebaut. Außerdem belasten Fischerei, Abwasser und Landwirtschaft die Gewässer. Wie natürlich sind die Flüsse und Bäche im Kreis überhaupt noch?
Gleich vorneweg: Aus ökologischer Sicht steht es nicht gut um die Gewässer in Deutschland. Der Landkreis Haßberge stellt dabei keine Ausnahme dar. Das Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen sammelt Daten über die Fließgewässer - auch für den Kreis Haßberge. Die Karte zeigt die aktuelle Bewertung des ökologischen Zustands von Main, Baunach und Aurach, um nur einige wenige zu nennen. Sie sind eindeutig überwiegend als mäßig und unbefriedigend eingestuft.
Ökologischer Zustand
Das heißt, die biologische Qualität der Wasserläufe ist im Vergleich zum natürlichen, ursprünglichen Zustand nicht gut. Um die ökologische Qualität eines Fließgewässers zu bewerten, untersuchen Biologen die dortigen Wasserpflanzen, Algen, wirbellosen Kleintiere und Fische. Das Wasserwirtschaftsamt analysiert die Schadstoffbelastungen, denen die Tiere und Pflanzen ausgesetzt sind. Des Weiteren wird geschaut, ob sich die Lebewesen frei bewegen und entfalten können. Wasserkraftwerke und Wehre behindern zum Beispiel die biologische Durchgängigkeit und führen zu einer schlechten Bewertung. Eine überregional genutzte Wasserstraße wie der Main wird vor diesem Hintergrund als "erheblich veränderter Wasserkörper" noch einmal differenzierter betrachtet. Je nach Ergebnis unterscheidet man zwischen fünf Klassen des ökologischen Zustands ("sehr gut" bis "schlecht").
Umweltziel nicht erreicht
Besonders relevant ist die Bewertung nach der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Seit 2000 sind alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verpflichtet, gemeinsame Umweltziele zum Schutz des Wassers zu erreichen. Bis 2015 sollten eigentlich alle Gewässer einen guten ökologischen Zustand haben. Die Länder sollten Maßnahmen ergreifen, um schlechte Gewässer zu verbessern. Im Kreis wurde das Ziel nicht erreicht. Nach den Daten des Wasserwirtschaftsamts sind lediglich folgende Bäche ökologisch gut: Preppach, Eichelbach, Laimbach, Lauter (alles Zuflüsse zur Baunach im Norden des Landkreises) und der Unterlauf des Stöckigsbachs (im Böhlgrund bei Zell). Kein einziger Wasserlauf gilt als "sehr gut".
"Es ist richtig, dass das Ziel für den guten ökologischen Zustand nicht erreicht wurde. Das trifft nicht nur für den Landkreis Haßberge, sondern allgemein zu", sagt Frank Pilhofer, Abteilungsleiter Haßberge beim Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen. Er meint, selbst bei guten Fortschritten in der Beseitigung von Belastungen, sei das Ziel zu kurzfristig gesetzt. Neues Ziel der EU ist das Erreichen des "guten Zustands" der Gewässer bis spätestens 2027. "Unsere Gewässer, die im eher flachen Gelände verlaufen, benötigen viel mehr Zeit für Verbesserungen. Die Qualität hat sich kaum verändert", sagt Pilhofer. Für die Periode 2016 bis 2021 wurden für jeden Flusswasserkörper Maßnahmen benannt. Dies gelte es, nun umzusetzen.
Vor allem strukturelle Probleme
Bernd Janik ist im Landratsamt Haßberge für Wasserrecht und Naturschutz zuständig. Er kennt die größten ökologischen Hemmnisse: "Es sind vor allem strukturelle Probleme. Die Durchgängigkeit ist oftmals nicht gegeben." Alte Wehre, Mühlen, Wasserkraftwerke sind Hindernisse für Fische. Er betont, dass Wasserschutz in der Verwaltungspraxis schwierig umzusetzen sei. Wasserrechtsverfahren benötigten viel Zeit. Das größte Projekt, das nach Langem 2016 endet, ist der Ausbau des Mündungsbereichs der Nassach in Haßfurt. Kleinere Maßnahmen sind die Renaturierung der Sennach (Junkersdorf-Hellingen); sowie der Umbau des Wehrs im Ebelsbach.
Ernüchternde Prognose
Auffällig ist der schlechte ökologische Zustand von Westheimer Bach und Oberlauf des Stöckigsbachs. Für Janik könnte die Schleuse Knetzgau der Grund sein. Der ökologische Umbau des Stöckigsbachs beim Kraftwerk Knetzgau Ende 2013 (wir berichteten) hat offensichtlich noch keine Wirkung gezeigt. Wie lässt sich der gute ökologische Zustand am Unterlauf des Stöckigsbachs und der vier Bäche um Ebern erklären? "Gewässer, die im Wald verlaufen, sind meist besser." Janiks ernüchternde Prognose für das EU-Umweltziel: "Das ist unrealistisch". Bei der Umsetzung streiten sogar Umwelt- und Wirtschaftsamt wegen des energiepolitischen und ökologischen Nutzens der Gewässer in Deutschland. Bernd Janik meint aber: "Die müssen früher oder später 'was tun."