Was noch wichtiger ist als Hausaufgaben

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Einmal die Woche unterstützt Patrick Löhr (Mitte) die Hausaufgabenbetreuung und hilft Schülern wie dem mit seinen Eltern aus Tschetschenien geflohenen Mayrbek (zehn Jahre), die gestellten Aufgaben zu verstehen und zu bearbeiten. Foto: Marian Hamacher
Einmal die Woche unterstützt Patrick Löhr (Mitte) die Hausaufgabenbetreuung und hilft Schülern wie dem mit seinen Eltern aus Tschetschenien geflohenen Mayrbek (zehn Jahre), die gestellten Aufgaben zu verstehen und zu bearbeiten. Foto: Marian Hamacher
Wenn die Hausaufgaben erledigt sind, werden manchmal auch die Spielkarten ausgepackt. Besonders beliebt sind "Uno" oder das Spiel "Schoko-Hexe". Foto: Marian Hamacher
Wenn die Hausaufgaben erledigt sind, werden manchmal auch die Spielkarten ausgepackt. Besonders beliebt sind "Uno" oder das Spiel "Schoko-Hexe". Foto: Marian Hamacher
 
Die Regeln hat Patrick Löhr (Mitte) John (links), der aus Costa Rica stammt, schnell erklärt. Foto: Marian Hamacher
Die Regeln hat Patrick Löhr (Mitte) John (links), der aus Costa Rica stammt, schnell erklärt. Foto: Marian Hamacher
 

Die Sprache ist der Schlüssel: Weil immer mehr Kinder an der Zeiler Grundschule angemeldet wurden, die kaum Deutsch können, entschloss sich die Mittagsbetreuung dazu, eine extra Gruppe zu eröffnen, die besser auf die Schüler eingehen kann. Erste Erfolge waren schnell zu sehen.

Mayrbek ist förmlich anzusehen, wie die Worte plötzlich eine Bedeutung erhalten. Kurz zieht er seine Augenbrauen nach oben und nickt mit dem Kopf. Verstanden. Der Zehnjährige ist eines von insgesamt neun Kindern, die aus Flüchtlingsfamilien stammen und bei der Hausaufgabenbetreuung besondere Unterstützung erhalten. "Wir versuchen zu erklären, was in den Aufgaben verlangt wird", sagt Christa Dölker, die die kleine Gruppe leitet. "Die Kinder können zwar oft richtig gut vorlesen, das Wortverständnis fehlt aber leider noch."

Wenn in einem Text etwa alle Verben unterstrichen werden sollen, aber nicht klar sei, was damit überhaupt gemeint ist, werde es schwierig für die Schüler. "Die sitzen dann rum und können nichts machen, obwohl sie eigentlich wollen." Daher sei es hilfreich, dass immer jemand vor Ort ist, der eine Aufgabenstellung erklären kann. "Mal geht das mit anderen Worten, manchmal aber auch mit Hand und Fuß", sagt Dölker.

Seit 2009 arbeitet die 49-Jährige in der Mittagsbetreuung der Zeiler Grundschule, die seit rund zwölf Jahren nach 14 Uhr auch eine Hausaufgabenhilfe für Grundschüler anbietet. Getragen wird die Einrichtung von der Stadt Zeil sowie dem Caritasverband St. Michael. "Die Stadt hat uns räumlich gut ausgestattet", sagt die Leiterin der Mittagsbetreuung, Susanne Langer. Daher sei es inzwischen möglich, 88 Kinder jeden Mittag nach der Schule zu betreuen. "Bis jetzt war es zudem so, dass alle Bewerber auch einen Platz erhalten haben", sagt Langer.


Eine große Herausforderung

Den Anteil von Kindern, die aus Asylbewerber-Familien stammen, schätzt die Pädagogin auf etwa 20 Prozent. Dass einige von ihnen in einer Gruppe von 20 bis 25 Schülern nicht die nötige Aufmerksamkeit erhalten, die sie eigentlich benötigen, sei schon im Frühjahr klar geworden. "Da erhielten wir immer mehr Anmeldungen von Kindern, die noch kein oder nur schlecht Deutsch können", sagt Christa Dölker, die sich schnell dazu bereit erklärte, eine eigene Gruppe für die Schüler zu gründen, die mit der Sprache noch die größten Probleme haben.

Die Hausaufgaben sind daher nur ein Teil ihrer Aufgabe. "Wir versuchen, die Integration in den Vordergrund zu stellen", sagt die 49-Jährige. "Wenn nicht alle Hausaufgaben geschafft werden, ist das kein Dilemma. Die Lehrer machen uns da keinen Druck." Ist den Schülern anzumerken, dass die Konzentration weg sei, werde auf Sprachspiele ausgewichen. Dölker: "Wichtig ist das Lernen im Team und dass sie sich trauen, frei zu reden. Das ist manchmal noch zu zögerlich."


Unter einen Hut bringen

Die größte Herausforderung sei dabei, die verschiedenen Kulturen unter einen Hut zu bekommen. Schließlich stammen die Kinder aus Tschetschenien sowie Iran, Costa Rica oder Armenien und anderen Staaten. "Es ist schon so, dass die Jungs oft arg böse mit den Mädchen sind. Teilweise, weil sie es aus ihrem Kulturkreis nicht anders gewohnt sind", sagt Dölker.

Auch Patrick Löhr ist überrascht, wie unterschiedlich die gleichen Worte aufgenommen werden können. "Die Jungen hören bei mir ganz anders zu als zum Beispiel bei der Christa", sagt der 27-jährige. Im dritten Semster studiert der gelernte Erzieher in Coburg soziale Arbeit und arbeitet jeden Dienstag in der Integrationsgruppe als Betreuer. "Wir versuchen, die Prägungen, die sie von zu Hause haben, aufzulösen." Das gelinge inzwischen immer besser. Beeindruckt zeigt sich Löhr von den schnellen Fortschritten, die die Kinder machen: "Man merkt die Verbesserungen von Woche zu Woche. Das ist schon beeindruckend, wie die Kinder in einem halben Jahr eine komplett neue Sprache lernen können."


"Investition in die Zukunft"

Drei Betreuer kümmern sich jeden Tag um die Schüler, die sich nicht nur in einem neuen Land und mit einer neuen Sprache, sondern auch in einem meist unbekannten Schulsystem zurechtfinden müssen. Zu verdanken, dass zwei neue Stellen für die Hausaufgabenhilfe geschaffen werden konnten, ist einer Spende des Rotary-Clubs Haßfurt, sagt Susanne Langer. 1000 Euro sammelten die Clubmitglieder, um weitere 2000 erhöhte den Betrag die Firma Werksitz, deren Inhaber Genoveva und Wolfgang Milewski ebenfalls Rotarier sind. "Ich sehe die Spende als eine Investition in die Zukunft aller", sagt Helmut Hümmer im Namen des Wohltätigkeitsvereins.

"Deutschland ist arm an Rohstoffen. Das Pfund, mit dem wir wuchern können, ist der Bildungsstand in unserem Land." Wenn der Lebensstandard gehalten oder gesichert werden soll, müsse in die Zukunft der Kinder investiert werden. "Egal ob sie in Deutschland geboren wurden oder eingewandert sind", betont Hümmer.

Von dem Engagement profitieren soll auch Mansur, der wie Mayrbek aus Tschetschenien stammt. "Mir gefällt die Hausaufgabenhilfe richtig gut", sagt der Elfjährige, der in die vierte Klasse der Grundschule geht. Noch besser gefalle es ihm aber, wenn die Hefte ein und der Fußball ausgepackt wird.