Die Parteibasis streitet über eine Koalition mit der Union. Ja oder Nein? Die Bedenken sind groß. Im Kreis Haßberge wird ein knappes Ergebnis der Mitgliederbefragung erwartet. Kreisvorsitzender Wolfgang Brühl spricht sich gegen den Koalitionsvertrag aus.
Alle Weichen sind in Richtung Große Koalition gestellt. Oder? Nicht wenn es nach Wolfgang Brühl geht. Der Kreisvorsitzende der SPD Haßberge würde seine Partei in den nächsten vier Jahren lieber in der Opposition als an der Regierung sehen. Er ist von dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD nicht überzeugt. "Momentan tendiere ich zu einem Nein", sagt Brühl im Hinblick auf die anstehende Mitgliederbefragung der SPD. Weil im Koalitionsvertrag nicht genügend sozialdemokratische Themen fixiert seien. Allerdings sei seine Haltung nicht endgültig. Brühl sagt, er will zunächst noch ein Treffen seines Kreisverbandes am Sonntag, 8. Dezember, in Augsfeld abwarten.
Die Sozialdemokraten haben bis Donnerstag, 12. Dezember, die Möglichkeit, per Post darüber abzustimmen, ob ihre Partei den Koalitionsvertrag annehmen und in der nächsten Legislaturperiode mitregieren soll.
Vergangenen Mittwoch unterzeichneten die Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) den Koalitionsvertrag vorläufig. Bis spätestens Sonntag, 15. Dezember, sollen die Ergebnisse der Befragung bekannt gegeben werden. Lehnt die SPD den Koalitionsvertrag ab, könnte es alternativ eine Minderheitsregierung der Union oder Neuwahlen geben.
Tendenziell eher Ja Wie sich die Sozialdemokraten am Ende entscheiden, ist offen. "Die Meinungen sind sehr verschieden. Ich wage keine Prognose", schildert Brühl die Stimmung im Kreisverband Haßberge. Viele seiner Parteikollegen äußern sich zuversichtlicher: Tendenziell wird eine Abstimmung zugunsten einer Großen Koalition erwartet.
Auf einer Veranstaltung der beiden SPD-Unterbezirksverbände Haßberge-Rhön und Schweinfurt-Kitzingen am vergangenen Wochenende ist laut Sabine Dittmar ein "positives Votum" von den Mitgliedern ausgegangen. "Man hat erkannt, dass manche bittere Pille zu schlucken ist", sagt die Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Bad Kissingen, zu dem der Kreis Haßberge gehört. Trotzdem biete sich die reale Chance, viel zu verbessern - insbesondere für Arbeitnehmer und Rentner. Die Einführung eines Mindestlohnes komme bei der Parteibasis gut an, ebenso wie die abschlagsfreie Rente mit 63, wenn man als Arbeitnehmer 45 Jahre in die Sozialversicherung eingezahlt hat.
Dittmar kritisiert als Gesundheitspolitikerin vor allem, dass sich die SPD nicht in Sachen Bürgerversicherung durchsetzen konnte. "Hier sind wir keinen Deut weiter gekommen", sagt sie.
Es fehle weiterhin ein Konzept, das Gesundheitswesen nachhaltig zu finanzieren.
Die Kritik der SPD-Mitglieder zielt oft in eine Richtung: Die Steuerpolitik wird als verfehlt angesehen, weil keine höhere Abgabe für Reiche geplant ist. Außerdem soll das Betreuungsgeld abgeschafft und auf die Einführung der Pkw-Maut verzichtet werden. "Diese Themen ärgern mich auch", sagt Dittmar. "Aber ich würde deshalb nicht alles scheitern lassen."
Beim Gedanken an den Koalitionsvertrag fühlt sich Wolfgang Brühl unwohl. "Ich bin eigentlich ein Pragmatiker, aber hier habe ich große Bedenken, ob das gut ist." Klar gebe es Lob für Rente und Mindestlohn, aber das reicht seiner Meinung nach nicht aus. "Zu wenig", sagt er. Außerdem habe er eine "strategische Angst" davor, als Juniorkoalitionspartner der Union so zerschlissen zu werden wie zuletzt die FDP.
Ein bisschen ist immer noch besser als gar nichts.
So sieht es hingegen der Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Rhön-Haßberge, Jürgen Hennemann. "Dass die Punkte nicht weit genug gehen, ist angesprochen worden. Aber was drinnen steckt, sollte man nutzen", sagt er. Der Koalitionsvertrag enthalte viele sozialdemokratische Inhalte, die ohne SPD-Regierungsbeteiligung nie umgesetzt würden. Er gibt sich zuversichtlich. "Ich rechne damit, dass sich die Mehrheit innerhalb der SPD für die Koalition ausspricht. Man muss diesen Schritt machen", meint der Eberner.
Wunsch und Wirklichkeit Parteigenosse Ludwig Leisentritt vom Zeiler Ortsverband schließt sich Hennemann an. Er bezeichnet eine Große Koalition als "unausweichlich" und plädiert für eine pragmatische Abstimmung. "Mehr ist nicht drinnen für eine Partei, die bei den Bundestagswahlen 26 Prozent erreicht hat. Alles andere ist Wunschdenken", sagt er. Nur wer mit absoluter Mehrheit regiere, könne sämtlichen Forderungen aus dem Wahlkampf auch durchsetzen. Für die SPD dagegen gelte: Es müssen Abstriche gemacht werden.