Kurzarbeit sorgt in Ebern für Sicherheit

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Nachdem unter den Valeo-Mitarbeitern in den vergangenen Wochen die wildesten Gerüchte kursierten, hat eine Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Werksleitung jetzt Klarheit geschaffen. Die Firma will die Corona-Krise mit Kurzarbeit überwinden. Der Arbeitgeber erhöht die staatliche Unterstützung für die Beschäftigten um zehn Prozent. Foto: Eckehard Kiesewetter
Nachdem unter den Valeo-Mitarbeitern in den vergangenen Wochen die wildesten Gerüchte kursierten, hat eine Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Werksleitung jetzt Klarheit geschaffen. Die Firma will die Corona-Krise mit Kurzarbeit überwinden. Der Arbeitgeber erhöht die staatliche Unterstützung für die Beschäftigten um zehn Prozent. Foto: Eckehard Kiesewetter
Sonja Meister
Sonja Meister
 

Große Kunden haben die Produktion eingestellt, die Aufträge brechen ein. Jetzt zieht der Zulieferer Valeo in Ebern Konsequenzen aus der Corona-Pandemie. Eine Vereinbarung federt die finanziellen Folgen für die Beschäftigten ab.

Alles war so schön durchgerechnet, und jetzt? Beate R. (Name von der Redaktion geändert) sitzt abends am Küchentisch und hat die Zahlen vor sich liegen. Die Raten für das Haus, die Kosten für Strom und Heizung, Kleidung, Essen ... Die junge Familie hatte sich so schön eingerichtet, doch das Corona-Virus wirbelt alles durcheinander. Erst recht finanziell. Abends, wenn die Kinder im Bett sind, hat die 37-Jährige aus Maroldsweisach Zeit, dann grübelt sie. Seit einiger Zeit schon hatte ihr Mann Gerüchte aus dem Valeo-Werk in Ebern mitgebracht. Stellenabbau? Betriebsschließung?

Zuschlag vom Arbeitgeber

Nein, soweit kommt es nicht. Sonja Meister, Betriebsratsvorsitzende im Werk Ebern, ist zuversichtlich, dass es auf absehbare Zeit so bleiben wird. Betriebsbedingte Kündigungen wird es nicht geben. Dafür aber seit Montag Kurzarbeit. Der Betriebsrat hat sich mit der Geschäftsführung darauf geeinigt und zudem - darüber ist die Arbeitnehmervertreterin sehr glücklich - ausgehandelt, dass der Betrieb zum staatlichen Kurzarbeitergeld einen zehnprozentigen Aufschlag gewährt. Die Vereinbarung gilt "zunächst für ein halbes Jahr, dann müssen wir weitersehen".

Die gleiche Regelung hat man auch im Valeo-Werk in Fischbach getroffen, wie Hans-Jürgen Marschollek namens des dortigen Betriebsrats berichtet. Die Produktion dort wird auf 30 Prozent zurückgefahren.

In Ebern reagiert man flexibel. Dort, wo noch Aufträge abgearbeitet werden müssen, werden die Stunden erst mal weniger gekürzt als in anderen Bereichen. Man habe dafür Sorge getragen, so Sonja Meister, dass alle Beschäftigten gleichermaßen beteiligt werden, "dass es nicht den einen zu 100 Prozent und den anderen überhaupt nicht trifft". Das war ihr wichtig. Da gilt das Solidarprinzip.

Reaktion war nötig

"Dass die Situation nicht an Valeo vorübergehen würde, war klar", sagt Meister, die dem Betriebsrat seit 2014 vorsitzt. Die Automobilbranche hat schon länger gekriselt. Jetzt, angesichts der Corona-Krise, haben große Autohersteller die Produktion komplett eingestellt. Die Aufträge brechen ein. "Da musste reagiert werden", sagt Meister, "das trifft auch andere Unternehmen, und das wäre unter FTE auch nicht anders gekommen". Die Verhandlungen hätten ein gutes Ergebnis gebracht, das Beschäftigung sichert und die Mitarbeiter durch den Aufschlag auch finanziell entlastet. So werde man durchs Tal kommen und "den ganzen Spuk", wie Meister sagt, bald hinter sich lassen. "Wir geben unser Bestes und müssen den Tatsachen ins Auge sehen."

Positiv denken ist auch für ihren Fischbacher Kollegen angesagt, denn aktuell "hängen wir alle in der Luft. Niemand kann sagen, wie sich die Lage entwickelt." Valeo Fischbach verzeichnete zuletzt eine gute Auftragssituation und lag den Angaben zufolge "sogar leicht über Budget". Aber Corona habe nun alles über den Haufen geworfen. Entsprechend wandelte sich die gute Stimmung im Betrieb zu einer Atmosphäre der Unsicherheit und der Angst.

Die Kurzarbeit bietet jetzt Gewissheit. Der Lohn wird, wenn auch mit Abstrichen, weitergezahlt. Niemand muss in der jetzigen Situation um seine Arbeitsstelle bangen. "Und irgendwann geht es weiter", sagt Marschollek, der auf neue Projekte und Innovationen im Bereich E-Mobilität verweist. Er habe viele Jahre Erfahrung mit Unternehmen im Ausland und als langjähriges Betriebsratsmitglied die Insolvenz eines mittelfränkischen Konzerns miterlebt. Insofern kann er sagen: "Die Lage ist nicht so dramatisch, wie sich alles gerade darstellt". Für den freigestellten Betriebsratsvorsitzenden ist negatives Denken ohnehin tabu. Damit verliere man immer. "Wer positiv denkt", sagt er, "nimmt auch an positiven Entwicklungen teil."

Beide Betriebsratsvorsitzenden zeigen sich - angesichts der Umstände - zufrieden mit den Werksvereinbarungen, räumen aber ein, dass es für manche Arbeitnehmerfamilie zu sozialen Härten kommen kann. Zumal für niemanden abzusehen ist, wie lange die Krise andauert und welchen Schaden das Wirtschaftssystem nehmen wird.

Etwas entspannter

Beate R. hört die Nachrichten in Radio und Fernsehen jeden Tag mit einer Mischung aus Staunen und Bangen. Sie hat Verständnis für Ausgangsverbote und sonstige Einschränkungen. Persönlich gilt ihre Fürsorge der Familie, der Zukunft der Kinder und der sozialen Absicherung. Die Summen, welche Bund und Freistaat zurzeit ausschütten, um Rettungsschirme aufzuspannen, sind für die Hausfrau aus Maroldsweisach nicht greifbar und in ihrer milliardenschweren Dimension nicht einzuschätzen. Dass ihr Mann aber auch in der Krise zuverlässig seinen Lohn heimbringen wird, hat sie nun einigermaßen beruhigt: Kurzarbeitergeld, nicht so viel wie bisher, aber immerhin. Damit kann die Familie leben. Der Papa ist jetzt etwas mehr zu Hause, und den Urlaub hat die Familie ja auch storniert. Das hat ganz schön Geld gespart.