Kugeln und Kegel aus Ibind kommen ins Museum

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Diese Kugeln und Kegel werden noch nach Fladungen geliefert: Günther Michel, Christa und Uwe Rädlein (von links) schwelgten beim Plaudern übers Kegeln im Dorf in schönen Erinnerungen. Die Wirtin: "Ich will gar nicht wissen, was die da droben alles getrieben haben." Foto: Ralf Kestel
Diese Kugeln und Kegel werden noch nach Fladungen geliefert: Günther Michel, Christa und Uwe Rädlein (von links) schwelgten beim Plaudern übers Kegeln im Dorf in schönen Erinnerungen. Die Wirtin: "Ich will gar nicht wissen, was die da droben alles getrieben haben." Foto: Ralf Kestel
Die Holzkonstruktion über dem Bierkeller alle Fotos: Sammlung Uwe Rädlein
Die Holzkonstruktion über dem Bierkeller alle Fotos: Sammlung Uwe Rädlein
 
Im Frühjahr 2002 wurde das Dach abgedeckt.
Im Frühjahr 2002 wurde das Dach abgedeckt.
 
Letztes Kegeln war am 8. August 1997: Horst Rädlein in Aktion; linke Bank: "Kegellegende" Gustav Bätz; stehend: Werner Korn; vordere Bank: Michael Busch, Fabian Busch, Berit Busch, Karl Brembs .
Letztes Kegeln war am 8. August 1997: Horst Rädlein in Aktion; linke Bank: "Kegellegende" Gustav Bätz; stehend: Werner Korn; vordere Bank: Michael Busch, Fabian Busch, Berit Busch, Karl Brembs .
 

Einst war sie der gesellschaftliche Mittelpunkt im kleinen Ibind, nun wird die antike Freiluftkegelbahn im Freilandmuseum in Fladungen aufgebaut. Uwe Rädlein hat dazu eine umfangreiche Chronik erstellt, Zeitzeugen erinnern sich.

Sie war Jahrzehnte lang der gesellige und gesellschaftliche Treffpunkt am Sonntagnachmittag und die Dorfjugend besserte sich dort das Taschengeld auf. So manches Zehnerla verdienten sich die Burschen und ein Madla beim Aufstellen der Kegel in der alten Freiluftbahn, die 1925 über den Bierkellern des Dorfwirtshauses von Richard Faber, dem Urgroßvater des jetzigen Gastwirts Uwe Rädlein, erbaut worden war.

Linchen Barthel (geborene Faber, Jahrgang 1923), die heute noch in Ibind lebt, erinnert sich als (Wirts-)Tochter daran, dass eigentlich immer nur die Buben die Kegel aufstellen durften. Doch weil sie die Wirtstochter und bezüglich ihrer beiden Brüder Willi (Jahrgang 1907) und Fritz (Jahrgang 1913) das Nesthäkchen war, durfte auch sie von ihrem Vater aus auch Kegel aufstellen.
"Das machte mich damals natürlich sehr stolz."

Bratwurst für die Kegelbuben

Einer der Buben von damals ist Günther Michel (74 Jahre). "An einem Nachmitttag gab es schon ein Fuchzgerla, und wenn die Herren gut drauf waren am Abend sogar noch eine Bratwurst", erinnert sich der gebürtige Ibinder, der jetzt in Gemeinfeld lebt. Sein Elternhaus lag gleich neben der Kegelbahn.

Und sie waren oft "gut drauf": "Gekegelt wurde von 13 Uhr, bis es dunkel wurde. Und wenn die Stimmung gut war, wurden auch noch Kerzen und Lampen aufgestellt und weitergemacht", erzählt Michel, der damals neun, zehn Jahren alt war und danach selbst mit dem Kegeln begann.

Noch heute hat er die Wetten im Ohr, die selbst noch beim Anlauf abgeschlossen wurden. "Sieben mit Eck" schallte es da durch den Raum. Und ein "gilt" kam von der Anlaufbahn zurück. Dabei ging es um die Wette, dass der erste Keil stehen bleiben und sechs weitere fallen mussten. "Gelang das dem Kegler, bekam er eine Maß Bier spendiert, missglückte der Versuch, musste er eine Runde zahlen."
Entstanden war die über einer Dorfkelleranlage thronende, hölzerne, 26 Meter lange Freiluftkegelbahn in einem Obstgartengrundstück, wissen der jetzigen Wirt, Uwe Rädlein, und seine Mutter Christa.

Über dem Bierkeller

Als Witterungsschutz wurde nach fränkischem Baustil ein durchgehendes Ziegeldach errichtet. Die Kugellauffläche bestand aus einem eben eingebauten Betonestrich. Der Fußboden im Aufenthalts- und Anlaufbereich bestand aus breiten Holzdielen.

In dem unterhalb der Kegelbahn, von der Ortsstraße her zugänglichen Felsenkeller wurden die Getränke gekühlt. Das Bier wurde auf kurzem Wege über eine Treppe hinauf in die Kegelbahn getragen und dort ausgeschenkt. "Etwa 45 Jahre lang war die Kegelbahn als sonntägliche Kult- und Kulturstätte der gesellschaftliche Mittelpunkt des Dorfes - es fanden sich auch regelmäßig viele Gäste aus den umliegenden Ortschaften ein. Im unmittelbar neben der Kegelbahn gelegenen Obstgarten konnten Kegler und Schaulustige die Nachmittage in froher Runde genießen", heißt es in der Haus-Chronik der seit 1894 in Ibind bestehenden Dorfwirtschaft.

Umzug mit Kugel und Kegel

Im August 1997 polterten letztmals die Kugeln über die Bahn in Ibind. Ab 2016 geht es in Fladungen weiter. Dort wird derzeit die Anlage, die 2003 abgebaut und eingelagert worden war, im Freilandmuseum neben einem Wirtshaus und der Dorflinde wieder errichtet. Aktuell werden die Balken und Bretter mit Gas behandelt, um den Holzwurm auszutreiben,

Dann wird auch Uwe Rädlein mit seinen Iwinner Sängern, seiner Chain Gang und den Schrollnhüpfern in die Vollen gehen. Rädlein hat das antike, aber auch vom Zahn der Zeit gezeichnete Stück dem Museum kostenlos überlassen, nachdem sich seine Pläne eines Wiederaufbaues im eigenen Garten zerschlagen hatten.

Eier-Kugel als Renner

Gekegelt wird dann auf einer Bahn ohne Automatik und Elektronik, wo die Kugeln noch per Hand in die Bahn gehievt wurden, von wo aus sie zurückrollten. Auf die insgesamt neun Holzkeile wurde mit verschiedenen Kugeltypen, die allesamt ebenso aus Holz bestanden, geschoben. Da gab es zum einen Lochkugeln, welche zwei Fingerlöcher aufwiesen, und zum anderen hatte man Vollkugeln, die hatten keine Fingerlöcher.

Die auffälligste und interessanteste Kugel war eine ovale Kugel, das sogenannte "Ei", nach dem Rädlein noch in seiner Scheune sucht. Wer die richtig beherrschte, so dass sie sauber in die Kegel hinein lief, der konnte mit dieser etwas breiteren Sonderkugel noch besser abräumen. Doch es kam auch immer wieder mal vor, dass das Ei über alle Kegel hinüber sprang, da war dann das allgemeine Gelächter sofort riesengroß.

Nur noch Kinder kegelten

Mit der allgemeinen Modernisierung schwand der Stellenwert dieser ehemaligen "Sportarena" und in den 1970er Jahren ebbte das Interesse am Freiluftkegeln gänzlich ab. Lediglich die Dorfkinder ließen die Holzkugeln manchmal noch über die Bahn rollen, so dass die Alten wegen des aus früheren Jahren bekannten polternden Klangs Jugendgefühle bekamen.

Der bauliche Zustand der Kegelbahn verschlechterte sich zusehends. Am 8. August 1997 wurde ein allerletztes Mal auf der Anlage gekegelt. Im Frühjahr 2002 deckte Gastwirt Uwe Rädlein zusammen mit seiner Familie und den Nachbarn das Dach ab - im August 2003 legte man die Kegelbahn komplett ein. Die Einzelteile wurden von Uwe Rädlein entsprechend markiert und in einer Scheune eingelagert.

Markus Wasmeier hatte Interesse

2001 bekundeten die Verantwortlichen des Freilandmuseums des Bezirks Unterfranken erstmals Interesse am Wiederaufbau des historischen Bauwerkes. Der Plan scheiterte damals aber an der angespannten Finanzlage des Museums.

Zwischenzeitlich zeigte auch Ski-Weltmeister Markus Wasmeier Interesse, der am Schliersee ein Bauernmuseum aufgebaut hat.

Ihn kennt Uwe Rädlein durch seine regelmäßigen Besuche bei Weltcup-Abfahrten zum Saisonauftakt in Sölden und auf der Kandahar-Strecke in Garmisch-Partenkirchen mit dem Ski-Club Chain Gang als "Wasi-Fanclub", die seit 1985 erfolgen. Dabei zeigte sich aber, dass der fränkische Stil nicht zu den oberbayerischen Bahnen aus früherer Zeit passt, weil die keine Dächern hatten.

Im Mai 2014 nahmen die Wirtsleute erneut Kontakt mit den Verantwortlichen des Freilandmuseums in Fladungen auf, und sofort war deren Interesse wieder geweckt. In einer Sitzung des Kulturausschusses des Bezirkes stellte die Museumsleiterin Dr. Sabine Fechter das Objekt vor. Schnell kam man zum Beschluss, dass diese altehrwürdige Sportarena unbedingt als ein Zeugnis fränkischer Dorfgeschichte nach Fladungen kommen solle.
Noch im November 2014 haben die Wirtsleute die Kegelbahn kostenfrei an das Museum übergeben.

Die Einzelteile des Gebäudes (vorwiegend bestehend aus den Fachwerk- und den Dachbalken) sind in mehreren Transportfahrten in die Rhön überführt worden, so dass man mittlerweile mit der Wiedererrichtung der Kegelbahn im Freilandmuseum begonnen hat.