Kompliziertes Erbrecht: Immobilien verschenken oder vererben? Experten klären auf

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Foto: Archiv
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Besitzt man Vermögen, stellt sich früher oder später die Frage, was damit nach dem Tod passieren soll. Experten raten, bei der Klärung professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Denn (ver-)erben ist komplizierter als gedacht.

Es gibt sie nicht umsonst: die unzähligen Filme, Bücher und Berichte über Erbschaftsstreitigkeiten. Erben und Vererben ist eine komplizierte Sache. Selbst dann, wenn man die zwischenmenschlichen Konflikte dabei ausklammert und sich nur auf den Paragrafendschungel konzentriert.

Wer sich also mit dem Gedanken trägt, eine Immobilie zu verschenken oder zu vererben, dem sei dringend angeraten, eine Fachfrau oder einen Fachmann zu konsultieren. Jens Urban ist so einer. Der Eltmanner ist Rechtsanwalt und Steuerberater und berät seit 25 Jahren (unter anderem) zum Thema Erbrecht. " Wie eine Immobilie zu Lebzeiten und steuerfrei auf die nächste Generation übertragen werden kann, ist eines der schwierigsten Themen überhaupt", beginnt der Fachmann dann auch die Unterhaltung. Da Schenkungsrecht, Erb- und Pflichtteilsrecht, Steuer- sowie Vormundschaftsrecht mit hineinspielen, ist das Thema sehr komplex.

Familiengesellschaft gründen

Besitzt eine Familie mehrere Immobilien, empfiehlt Urban häufig, eine Familiengesellschaft zu gründen. "Wenn Eltern und Kinder eine Familiengesellschaft gründen in die sie die Immobilien einbringen, können die Gesellschaftsanteile anschließend beliebig übertragen werden. So kann der Freibetrag in Höhe von 400 000 Euro pro Kind alle zehn Jahre ausgeschöpft werden", erklärt Jens Urban und ergänzt: "Bei Beträgen über 400 000 Euro wird eine Erbschafts- beziehungsweise Schenkungssteuer fällig, die sich so vermeiden lässt." Wolle man seine Immobilie schon bei Lebzeiten auf die nächste Generation übertragen, empfehle es sich, das rechtzeitig zu tun.

"Die meisten Eltern wollen, dass ihre Kinder einmal nicht für ihre Pflegeheimkosten aufkommen müssen. Ist die (Immobilien-) Schenkung mehr als zehn Jahre her, hat der Staat keinen Zugriff mehr auf den Vermögenswert. Liegt man allerdings darunter, kann der Staat noch darauf zugreifen, um damit die Pflegekosten zu decken."

Wer erbt was? Folgen müssen beachtet werden

Bevor man das Thema angehe, müsse man sich darüber im Klaren sein, wer was bekommen solle und welche Folgen dies erbrechtlich hat. "Ein Beispiel: Die Eltern überschreiben ihr Haus zu Lebzeiten auf zwei ihrer Kinder. Das dritte soll leer ausgehen. Um ihr Haus weiter nutzen zu können, lassen die Eltern beim Notar ein Nutzungsrecht festlegen. Nach dem Tod der Eltern müssen die beiden Erben dem dritten Kind aber trotzdem einen Pflichtanteil von einem Sechstel auszahlen, egal wie lange die Schenkung zurückliegt. Wegen des Nutzungsrechts gilt für diese Schenkung keine Frist, es greift somit auch das Pflichtteilsrecht, das jedem Kind einen Pflichtanteil zuspricht."

Ein weiteres Problem, über das viele von Jens Urbans Klienten stolpern, ist das Fehlen einer notariell bekundeten Vorsorgevollmacht. "Es stehen Häuser zehn bis 15 Jahre lang leer, weil die Eltern ein eingetragenes Nutzungsrecht haben. Bis das nicht gelöscht ist, können die Kinder nicht einziehen oder das Haus anderweitig nutzen - selbst dann, wenn die Eltern schon lange in einem Pflegeheim wohnen."

Die Liste möglicher Konstellationen und Problemfälle ließe sich endlos fortsetzen. "Es ist kompliziert", schließt Urban.

Epertin erklärt: Sollte man eine Immobilie verschenken oder vererben?

Ein Haus im Familienbesitz, bestimmte Summen an Geld und bewegliche Güter: Was soll damit passieren? "Wenn man Vermögen hat, sollte man durchaus schon als jüngerer Mensch über die Verteilung nachdenken", sagt Sophie Mecchia. Die Juristin bearbeitet bei "Finanztest" das Thema Erben und Vererben und gibt zu bedenken, dass sich die gesetzlichen Regelungen nicht mit den persönlichen Wünschen decken. Im Falle eines Immobilienbesitzes könne es eine gute Lösung sein, das Haus zu verschenken statt es zu vererben. Was ist grundsätzlich besser: Eine Immobilie zu vererben oder zu verschenken? Sophie Mecchia hat für das September-Heft von Finanztest beide Optionen geprüft und sagt: Es gibt keine pauschale Antwort. Wenn es nur darum geht, Erbschaftsteuer zu sparen, lohnt sich ein Blick auf die persönlichen Freibeträge der Erben. Reichen diese nicht aus, um eine Immobilie steuerfrei zu übertragen, kann eine Schenkung die bessere Option sein." Wie hoch sind die persönlichen Freibeträge? Ehe- und eingetragenen Lebenspartnern steht ein allgemeiner Freibetrag von 500 000 Euro zu, Kindern ein Freibetrag von 400 000 Euro. Für beide gelten zudem ein Versorgungsfreibetrag (von bis zu 256 000 bzw. 10 300 bis 52 000 Euro) sowie Freibeträge für Hausrat (41 000 Euro) und andere Güter wie Autos (12 000 Euro).

Wenn das geerbte Vermögen die Freibeträge übersteigt, verlangt das Finanzamt Geld für die Differenz zwischen Freibetrag und dem Wert der Erbschaft. Die dann greifenden Steuersätze richten sich nach dem Verwandtschaftsverhältnis. Partner und Kinder fallen unter Steuerklasse I: Abhängig von der Höhe der Erbschaft werden sieben bis 30 Prozent Steuern fällig. Geschwistern und deren Kindern steht ein Freibetrag von 20 000 sowie ein Freibetrag für Hausrat von 12 000 Euro zu. In Steuerklasse II fallen bei ihnen Erbschaftsteuern zwischen 15 und 43 Prozent an. Wie spart eine Schenkung Steuern? Bei einer Schenkung werden Steuern ebenso fällig wie bei einer Erbschaft, aber nur, wenn das geschenkte Vermögen die individuellen Freibeträge übersteigt. Die Schenkung hat aber einen Vorteil: "Der Begünstigte kann seinen Freibetrag alle zehn Jahre aufs Neue nutzen", erklärt Mecchia. "Um das Haus steuerfrei von der einen auf die nächste Generation zu übertragen, kann der Schenker alle zehn Jahre einen Teil des Hauses weitergeben, der wertmäßig innerhalb der Grenzen des Freibetrages bleibt ." Wie und wann beginnt man mit einer Schenkung? Die Juristin empfiehlt, einen Plan zur Verteilung des Vermögens und ein Testament zu machen. Damit Beschenkte ihre persönlichen Freibeträge alle zehn Jahre ausschöpfen - und somit Steuern sparen - können, sollte möglichst früh mit der Weitergabe eines Vermögens begonnen werden. Ein Haus kann sowohl an einen also auch mehrere Erben und stückweise verschenkt werden. Im Grundbuch muss nicht eingetragen werden, wem welcher Raum gehört. Auch eine Teilung des Grundstücks, etwa das Verschenken des Gartens, ist eine Option. Wer ihn weiter genießen möchte, behält sich ein Nutzungsrecht vor. Was spricht für eine Schenkung? "Es kann ein gutes Gefühl sein, die Vermögensnachfolge schon zu Lebzeiten zu regeln und die Freude der Beschenkten zu sehen", sagt Mecchia. Eine Schenkung könne bei den Begünstigten für rechtliche und finanzielle Sicherheit sorgen und vielleicht einen Schub in Richtung Mehrgenerationen-Wohnen geben. Was spricht gegen eine Schenkung? "Eine Schenkung kann schwer rückgängig gemacht werden", erläutert Mecchia. Die Immobilie sollte abbezahlt sein, andernfalls bleibt man Schuldner des Kredits, wenn einen die Bank nicht aus dem Vertrag lässt. Steht eine Firmenpleite oder Scheidung ins Haus, ist eine Schenkung nicht angebracht. "Die Familienverhältnisse sollten gefestigt sein", sagt die Expertin. Ganz wichtig: Die eigene Versorgung muss gesichert sein. Nach dem Eintrag des neuen Eigentümers im Grundbuch kann der Schenker die Immobilie weder verkaufen noch als Kreditsicherung oder zur Altersvorsorge nutzen. Kann ein Haus steuerfrei vererbt werden? "Ja, innerhalb der Familie geht das, wenn es sich um das selbstgenutzte Familienheim handelt", sagt Mecchia. Aber die Tücke steckt im Detail: Ehe- und eingetragene Lebenspartner sowie Kinder können eine Immobilie steuerfrei erben, sofern sie im Haus bleiben oder es innerhalb sechs Monaten nach dem Todesfall beziehen. "Sie müssen mindestens zehn Jahre dort wohnen bleiben", erklärt Mecchia. Bei einem früheren Auszug wird Erbschaftsteuer fällig, es sei denn, der Erbe hat einen guten Grund. Eine berufliche Versetzung fällt nicht darunter. Für Kinder sind nur Immobilien bis maximal 200 Quadratmeter steuerbefreit. Ist es möglich, durch eine Schenkung den Pflichtteil des Erbes zu verringern? Der Pflichtteil macht die Hälfte des gesetzlichen Erbes aus und steht nahen Angehörigen zu. "Wer enterbt wird, geht also nicht zwangsläufig komplett leer aus", sagt Mecchia. Über eine frühzeitige Schenkung kann man jedoch den Pflichtteil reduzieren. Dann schmilzt der Wertanteil, der in die Berechnung des Pflichtteils fällt, Jahr für Jahr ab." Diese Regelung gilt aber nicht uneingeschränkt, wenn die Schenkung an den Ehepartner erfolgt. "Das Pflichtteilsrecht ist kompliziert. Man sollte vorab einen Anwalt zu Rate ziehen." Kann ich als alleinige Eigentümerin meinem Partner das Haus steuerfrei schenken? Gehört das Haus nur einem Ehepartner und ist der andere nicht im Grundbuch eingetragen (das geschieht nicht automatisch durch die Eheschließung!) kann er durch eine teilweise Schenkung zum Miteigentümer werden. Eine Schenkung zwischen Ehepartnern ist steuerfrei. Kann man ein verschenktes Haus weiter selbst nutzen und bewohnen? "Das geht, indem man einen Nießbrauch vereinbart, etwa in Form eines lebenslangen Wohn- und Nutzungsrechts", sagt Mecchia. Der Nießbrauchsberechtigte kann im Haus wohnen oder es vermieten. Schenker und Beschenkter müssen regeln, wer für Lasten wie Grundsteuer und Reparaturen aufkommt. Nießbrauch wird als Belastung im Grundbuch eingetragen.