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Hilfsprojekt einer Königsberger Familie in Afrika: Bildung als einzige Chance der Kinder


Autor: Rebecca Vogt

Königsberg in Bayern, Sonntag, 13. Dezember 2020

Seit zwei Jahren setzt sich die Familie der Königsberger Zahnärztin Jacqueline Sommer mit ihrer Stiftung "Nafasi" für Kinder in Tansania ein. Die Corona-Pandemie und starke Regenfälle stellten das Projekt und die Kinder vor Ort in diesem Jahr vor besondere Herausforderungen.
Während des Lockdowns in Tansania besuchte ein Maler die Kinder der Nafasi-Stiftung in der Schule. Fotos: Nafasi-Stiftung


Im März erreicht die Corona-Pandemie nicht nur Deutschland, sondern die ganze Welt - auch Tansania im Osten Afrikas, die Heimat des Serengeti-Nationalparks und des Kilimandscharo. "Am 17. März wurden hier die Schulen geschlossen", erinnert sich Jacqueline Sommer. Zusammen mit ihrer Familie engagiert sich die Königsberger Zahnärztin vor Ort mit der gemeinsam gegründeten Nafasi-Stiftung.

Die von den Behörden angeordnete Schließung der Schulen wird für die Helfer vor Ort und in Deutschland zur Gratwanderung. Denn die Kinder, die die Stiftung unter ihre Fittiche genommen hat, sind größtenteils Waisen. Die Schule ist ihr Zuhause.

Die Kinder trotz Schließung in der Schule behalten

"Wir haben lange diskutiert, was wir machen", berichtet Sommer. Bei einem Ehepaar vor Ort, Partnern der Nafasi-Stiftung, haben die Kinder Weihnachten gefeiert. Aber über mehrere Wochen und Monate alle 19 bei sich aufzunehmen, das ist auch für die Familie nicht machbar. Letztendlich entschiedet man sich, die Kinder in der Schule zu behalten, trotz Anweisung der Behörden und drohender Sanktionen.

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Rückblickend ist alles gut gegangen, wie Sommer berichtet. Während des Lockdowns haben die Nafasi-Partner vor Ort "versucht, eine Art Familienleben mit den Kindern aufzubauen", erzählt sie. So bereiteten die Kinder zum Beispiel das Essen mit vor und es wurde gemeinsam gekocht.

Auch ein Maler stattete den Kindern einen Besuch ab. Er führte sie in die Kunst des Tingatinga-Malens ein. Dabei handelt es sich um einen in Tansania seit den 1960er Jahren etablierten Malstil. Bunte Kunstwerke mit Giraffen, Elefanten oder zum Beispiel Nashörnern entstanden - zu sehen auf dem Blog der Nafasi-Stiftung unter www.nafasi.org/blog/. "Das ist auch das, was wir unter Bildung verstehen. Dass die Kinder etwas erleben und mitnehmen, was sonst in der Familie vermittelt wird", sagt Sommer.

Der Ansatz der Nafasi-Stiftung ist Hilfe zur Selbsthilfe

"Es geht auch darum, die Kinder ein Stück weit aufs Leben vorzubereiten", erklärt die Stiftungsvorsitzende. Ein zentraler Aspekt dabei ist die Hilfe zur Selbsthilfe. So haben die Kinder zum Beispiel in einem Nähprojekt gelernt, wiederverwendbare Monatsbinden zu nähen. Die Mittel für die Näherin hat die Stiftung freigegeben. Auch zwei Nähmaschinen wurden angeschafft, berichtet Sommer. Noch zum Treten, ohne Strom, da die Stromversorgung nicht immer sichergestellt sei.

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"Wir wollten die Kinder ein bisschen an das Handwerk heranführen", erklärt die Zahnärztin. "Näharbeiten können später auch eine Einkommensquelle für sie sein." Zusammen mit einem Stückchen Seife wurden die genähten Monatsbinden dann in einer Tasche an Schülerinnen einer weiterführenden Schule übergeben.

Seit Ende Juli sind die Schulen in Tansania wieder geöffnet. Corona scheint kein Thema mehr. Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) lagen zuletzt Anfang Mai Zahlen aus dem Land vor. Ob die Corona-Fälle zum Beispiel aufgrund des recht niedrigen Durchschnittsalters der Bevölkerung gering sind oder die Regierung das Thema eher herunterspielt, lässt sich schwer abschätzen.

Das Schulgelände stand monatelang unter Wasser

Nicht nur die Corona-Pandemie wirbelte indes den Schulalltag durcheinander. Starke Regenfälle sorgten dafür, dass das Schulgelände monatelang unter Wasser stand, wie Sommer berichtet. Es müsste nun dringend trockengelegt werden. Das sei zum einen eine Frage der finanziellen Mittel, zum anderen eine der Logistik, da es vor Ort kein ausgeklügeltes Kanalsystem wie etwa in Deutschland gibt.

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Auch ein Gartenprojekt ist laut Sommer angedacht. Dafür will die Stiftung ein Stück Land von der örtlichen Gemeinde erwerben. Was in Tansania unüblich ist, wie die Vorsitzende erklärt. Alternativ probiere man, Säcke mit Erde zu füllen und diese zu bepflanzen.

"Das war eigentlich eine der ersten Fragen, die wir uns gestellt haben", erinnert Sommer sich. "Warum bauen die Menschen vor Ort keine Nahrungsmittel für sich an?" Nun wisse man, dass zum einen oft kein Land zur Verfügung steht und zum anderen schlicht das Wissen fehlt. "Wir wollen die Menschen befähigen, selbst Nahrungsmittel für sich anzubauen", erklärt die Stiftungsvorsitzende.

19 Kinder, 15 Paten - Eine Zwischenbilanz der Stiftungsarbeit

Seit zwei Jahren engagiert sich Familie Sommer mit ihrer Nafasi-Stiftung in Tansania. Das Zwischenfazit fällt positiv aus: "Wir sind zufrieden, wie es momentan läuft, und froh über das, was wir bisher erreicht haben." Mittlerweile zählen 19 Kinder zu den Schützlingen der Stiftung. 15 Paten-Eltern, die teilweise mehrere Kinder unterstützen, haben sich gefunden.

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Vor Ort in Tansania hat man verlässliche Partner ausgemacht und "die Basis für eine sehr gute Zusammenarbeit gelegt". Die Partner vor Ort seien auch größtenteils ehrenamtlich im Einsatz. Gemeinsam werde überlegt, was machbar und sinnvoll ist und vor allem nachhaltig hilft. "Wir sind auf einem guten Weg", sagt Sommer.

"Unsere Kinder sind in der Schule sehr gut dabei. Das sind ja fast alles schwer traumatisierte Kinder", fügt sie an. "Wir haben die Hoffnung, dass wir ihnen durch unsere Arbeit den Weg ebnen können und dass sie das vielleicht später auch weitertragen und sich selbst engagieren."

Kurz-Info: Das Schulsystem in Tansania und die Arbeit der Nafasi-Stiftung vor Ort

Bildung ist für Kinder, wie sie die Nafasi-Stiftung betreut, im Grunde die einzige Chance auf ein besseres Leben, bestätigt Jacqueline Sommer. Jedoch sind die Bedingungen vor Ort schwierig. An öffentlichen Schulen in Tansania bestehen Klassen mitunter aus 70 bis 100 Kindern, wie die Zahnärztin berichtet. Oft haben die Kinder nur schlechtes Material oder gar keine Schulbücher, da diese sehr teuer sind. "Umgerechnet kostet ein Satz Bücher etwa 50 Euro. Das ist dort unheimlich viel Geld", sagt Sommer. Für viele Kinder scheitert der Schulbesuch schon daran, dass sie sich keine Schuluniform leisten können. Auch die Prügelstrafe ist in den Schulen in Tansania vielfach noch an der Tagesordnung.

Die Nafasi-Stiftung kümmert sich um Kinder, die kein Zuhause mehr haben, und organisiert Unterkunft und Schulbesuch in einer Partnerschule, in der in kleinen Klassen unterrichtet wird. Auch so etwas wie die Prügelstrafe gibt es dort nicht. Wer Familie Sommer bei ihrem Engagement unterstützen möchte, kann dies unter dem Spendenkonto DE85 7935 0101 0021 6918 45 bei der Sparkasse Schweinfurt-Haßberge tun. Willkommen sind Einmalspenden ebenso wie die Übernahme einer Patenschaft. Weitere Informationen unter: www.nafasi.org