Hexenturm: Kunst im Spannungsfeld der Geschichte

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Die Bamberger Künstlerinnen Rosa Brunner (li.) und Judith Siedersberger erläuterten ihre Exponate, ein "Kissen aus Stein, das hart und kalt ist und Gastlichkeit in Frage stellt", sowie Arbeitskleidung zum Thema "Jobben 2007", die mit Begriffen, wie "Existenz, Wirtschaftlichkeit, Controlling, Rationalisierung, Gewinnmaximierung, Effizienz und Flexibilität", die Konfliktherde einer "Jobberin im Alltag" widerspiegeln sollen. Fotos: Sabine Meißner
Die Bamberger Künstlerinnen Rosa Brunner (li.) und Judith Siedersberger erläuterten ihre Exponate, ein "Kissen aus Stein, das hart und kalt ist und Gastlichkeit in Frage stellt", sowie Arbeitskleidung zum Thema "Jobben 2007", die mit Begriffen, wie "Existenz, Wirtschaftlichkeit, Controlling, Rationalisierung, Gewinnmaximierung, Effizienz und Flexibilität", die Konfliktherde einer "Jobberin im Alltag" widerspiegeln sollen.  Fotos: Sabine Meißner
Judith Siedersberger (Objekte und Installationen). Foto: Sabine Meißner
Judith Siedersberger (Objekte und Installationen). Foto: Sabine Meißner
 
"Pathos" - eine Arbeit von Rosa Brunner. Die Fäuste aus Granit sollen "inneren Konflikt, Wut, Verzweiflung und Ausgeliefertsein" ausdrücken. Foto: Sabine Meißner
"Pathos" - eine Arbeit von Rosa Brunner. Die Fäuste aus Granit sollen "inneren Konflikt, Wut, Verzweiflung und Ausgeliefertsein" ausdrücken. Foto: Sabine Meißner
 
Bürgermeister Thomas Stadelmann (rechts) eröffnete die Finissage zum Abschluss der Kunstausstellung im Zeiler Hexenturm. Im Bild außerdem (von links): Bernhard Schurig, Professor Günter Dippold, Birgit Geißler und Petra Hohenberger. Foto: Sabine Meißner
Bürgermeister Thomas Stadelmann (rechts) eröffnete die Finissage zum Abschluss der Kunstausstellung im Zeiler Hexenturm. Im Bild außerdem (von links): Bernhard Schurig, Professor Günter Dippold, Birgit Geißler und Petra Hohenberger. Foto: Sabine Meißner
 
Rosa Brunner (Bildhauerin). Foto: Sabine Meißner
Rosa Brunner (Bildhauerin). Foto: Sabine Meißner
 
Der Hexenturm. Foto: Sabine Meißner
Der Hexenturm. Foto: Sabine Meißner
 

Zwei Bamberger Künstlerinnen präsentierten im Hexenturm ihre Kunstwerke. Über drei Monate waren die Arbeiten von Rosa Brunner (Bildhauerin) und Judith Siedersberger (Objekte und Installationen) im spannungsgeladenen Umfeld des Dokumentationszentrums zu sehen. Am Samstag endete die Ausstellung mit einer Finissage.

"Wie kann Bildende Kunst den Bogen zwischen der Zeit der Hexenverfolgung und der Gegenwart spannen?" Die Frage stand über dem Gespräch mit den Künstlerinnen, zu dem VHS Haßberge und Dokumentationszentrum geladen hatten. Als inszenatorische Aufbereitung des Themas, aber auch als Annäherung und Aufarbeitung bezeichnete der Historiker und Volkskundler Günter Dippold aus Bamberg "die Schau am Angstloch". Man könne es sich leicht machen und das Thema Hexenverbrennung als etwas abtun, das weit in der Vergangenheit liegt.

"Aber das wäre zu leicht gemacht", sagte der Bezirksheimatpfleger von Oberfranken. Damit setzte Dippold, der als Moderator agierte, den ersten Eckpunkt für das Gespräch. Kunst von heute hier zu zeigen, eingerahmt von der archaischen Mauer des Hexenturms, das schaffe einen spannenden Kontrast. Vieles, was aus den Hexenprozessen bekannt wurde, sei überzeitlich, vieles sei auch menschlich, meinte Dippold. Angst vor Entwicklungen, die nicht zu verstehen seien, Angst vor dem Bösen, aber auch die Angst vor Anderen, das alles sei in gewisser Weise nachvollziehbar. "Der Wille, der Gewalt ausüben lässt, der Wille, der am Ende zum Mord wird", mahnte Dippold, dürfe nicht an Macht gewinnen. "All das sind Dinge, die wir in der Gegenwart erleben, die es aber auch vor langer Zeit gab", stellte er den Zusammenhang zu aktuellen Geschehnissen her. Das Wissen darüber solle helfen, "uns vor Überheblichkeit zu bewahren".

Erst mal erschreckte die Idee, im Hexenturm auszustellen

Der Gedankenaustausch war initiiert. Die Künstlerinnen erläuterten ihrerseits Empfindungen, die sie bewegten hatten, als die Anfrage aus Zeil kam. "Hier im Hexenturm auszustellen, das erschreckte mich schon", bekannte Rosa Brunner, aber es habe etwas Spannendes voller Kontraste ergeben. Die Exponate seien vorhanden gewesen und passend zum geschichtlichen Hintergrund ausgewählt worden, erläuterte Judith Siedersberger. "Mich interessiert die Frage, wie die Menschen jetzt mit der einstmals Angst einflößenden Mauer leben", fragte die Bildhauerin am Zeiler Stadtmodell.

Dippold meinte, die Mauer könne früher sowohl als Schutz als auch wie ein Gefängnis empfunden worden sein. Die Künstlerinnen wollten wissen, "wie es ist, heute in Zeil mit der Geschichte der Hexenverbrennungen zu leben". Bürgermeister Thomas Stadelmann sieht "die Mauer als Bestandteil der Stadt". Er sei außerhalb aufgewachsen und meinte: "Heute ist sie offen und prägt das Stadtbild." Für ihn als Bürgermeister sei von Bedeutung, dass "alle Häuser, die innerhalb der Mauer sind, schwerer an den Mann zu bringen" seien. Aber die Mauer sei optisch ein gestalterisches Element.

"Zwei Leben in Zeil"

Ludwig Leisentritt erinnerte daran, dass die "Mauer ja nicht vollständig erhalten ist". Bei Stadtführungen weise er auf ihre Reste hin. "Wir fühlen uns heute von den Mauern nicht bedroht", sagte er. Birgit Geißler, Leiterin des Dokumentationszentrums, meinte, sie habe zwar nur drei Jahre als Kind hier gelebt, aber die Mauer als "massive Erscheinung" habe immer etwas Bedrückendes für sie gehabt. "Jedes Stück von ihr und die kleinen Häuser, die zum Teil keine Sonne erhalten", hätten dieses sehr subjektive Empfinden in ihr ausgelöst. VHS-Mitarbeiterin Petra Hohenberger ergänzte: "Ich lebe außerhalb der Stadtmauer und denke, es gibt zwei Leben in Zeil. Die einen leben draußen im so genannten Neubaugebiet, die anderen drinnen in der Altstadt". Alois Umlauf stellte fest, er habe als "Heimatvertriebener" ein Heim in Zeil gefunden, "aber ich fühle mich bis heute nicht richtig angekommen".

Bernhard Schurig von der VHS sagte: "Ich bin auch Zeiler. Wenn man hier durch die Altstadt läuft, atmet man Geschichte. Hier ist der Ursprung dessen, was den Charakter der Stadt ausmacht." Neubau- und Gewerbegebiete seien gesichtslose und austauschbare Bereiche, so ein Altstadtkern dagegen unverwechselbar, und den tollen Marktplatz gäbe es nur hier in Zeil. Viele Touristen fänden das alles wunderbar, sähen die Postkartenmotive und eine "heile Welt".

So ein Raum wie Zeil lasse "das Geschichtsbewusstsein anders wirken", erklärte die Künstlerin Brunner, und der Historiker Dippold meinte "lasst Mauern sprechen". Die wenigsten Menschen wüssten, dass sie "direkt durch den Kerker" gingen, der sich da befunden habe, wo heute der Durchgang unter dem Turm ist. "Wir gehen in dem Bewusstsein nach Hause", schloss der Bürgermeister, "dass Geschichte grausam sein kann". Damit so etwas nie wieder passiere, müssten "immer wieder die Erinnerung wach gerufen werden".

Vorschau auf Veranstaltungen im Hexendokumentationszentrum
10. April
Vortrag: Das Alltagsleben in unserer Heimat nach Ausbruch des 1. Weltkrieges
03. Mai - 29. Juni
Ausstellung: Namen statt Nummern