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"Schwachkopf": Fränkischer Rentner schildert Hausdurchsuchung nach Habeck-Anzeige


Autor: Ralf Welz

Burgpreppach, Donnerstag, 21. November 2024

Ein Franke sorgt aktuell bundesweit für Diskussion. Wegen einer mutmaßlichen Beleidigung von Robert Habeck gab es bei Stefan Niehoff eine Hausdurchsuchung der Polizei. "Die Grünen sind anscheinend besonders empfindlich", sagt der Rentner.
Bezüglich des "Schwachkopf"-Postings geht es um eine mögliche Beleidigung. Der Anfangsverdacht deer Volksverhetzung bezieht sich auf einen anderen Aspekt.


Die Grünen stellen offenkundig für zahlreiche Menschen in Deutschland ein Feindbild dar. Im Netz geraten besonders bekannte Entscheidungsträger häufig ins Visier von Schmähungen. Annalena Baerbock etwa wurde von einem Mann aus dem Kreis Kronach als "dümmste Außenministerin der Welt" bezeichnet. Bisweilen wehren sich die Betroffenen gegen die Angriffe auf rechtlichem Wege. So wurde ein Mann aus dem Kreis Wunsiedel im vergangenen Jahr zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. Zuvor hatte er Wirtschaftsminister Robert Habeck in einer Bildcollage als "Vollpfosten" verunglimpft.

Für bundesweites Aufsehen sorgte nun ein ähnlicher Fall: Bei einem Mann aus dem Kreis Haßberge stand in der vergangenen Woche die Polizei vor der Tür. Der Vorwurf: Im Netz soll der 64-Jährige Habeck als "Schwachkopf" tituliert haben. Der Einsatz spielte sich laut Schilderung des Unterfranken am zurückliegenden Dienstagmorgen (12. November 2024) um 6.15 ab. "Ich war noch im Bett", berichtet Stefan Niehoff im Gespräch mit der Agentur News5. Normalerweise sei er zu dieser Uhrzeit bereits aufgestanden. "Es klingelt. Meine Hunde gehen hoch wie die Wilden."

Habeck stellt Strafantrag wegen "Schwachkopf"-Meme - Unterfranke (64) schildert Hausdurchsuchung bei sich

Beim Blick aus dem Fenster habe er ein Auto vor dem Haus wahrgenommen. "Unten habe ich jemanden im Hof gesehen." Niehoff dachte demnach zunächst, dass dies sein Sohn sei. In Wirklichkeit stattete ihm allerdings die Polizei einen Besuch ab. Als es klingelte, sei er barfuß und im Schlafanzug nach unten gelaufen, um die Haustür zu öffnen. "Und dann haben sie mir einen Ausweis gehalten. Hausdurchsuchung", erzählt der Bewohner aus Ibind, einem Ortsteil der Gemeinde Burgpreppach. "Wir sind dann die Treppe hoch. Meine zwei Damen waren da auch schon wach", hält der Familienvater mit Blick auf Frau und Tochter fest.

In der Küche habe ihm ein Beamter dann einen Beschluss ausgehändigt. "Ich habe mir das dann durchgelesen". In dem Dokument habe er dann das Wort "Volksverhetzung" erblickt. "Da habe ich schon gestutzt", sagt Niehoff. "Als ich dann gelesen habe, Beleidigung von Herrn Robert Habeck wegen einem Tweet - da habe ich erst mal gelacht." Zu dem Polizisten vor ihm habe er gesagt: "Und wegen dem Schwachsinn seid ihr jetzt da?" Seine Frau sei genauso wie er von der Hausdurchsuchung überrascht gewesen. "Meine Tochter war natürlich entsetzt", konstatiert der Rentner. Weil sie das Down-Syndrom habe, verarbeite sie einen derartigen Umstand entsprechend anders als andere Menschen.

Doch um was genau geht es eigentlich? Dem Beschuldigten wird laut Angaben der Staatsanwaltschaft Bamberg vorgeworfen, im Frühjahr 2024 auf der Internetplattform X eine Bilddatei hochgeladen zu haben, die ein Porträt von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zeigt, das an den Werbeauftritt Schriftzug "Schwachkopf PROFESSIONAL" der Haarkosmetikmarke Schwarzkopf angelehnt sei. "Durch Herrn Dr. Habeck wurde Strafantrag gestellt", heißt es in einer Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft. 

Anfangsverdacht auf Volksverhetzung: 64-Jähriger soll Nazi-Bilddatei im Netz veröffentlicht haben

Die Wohnungsdurchsuchung fand überdies im Zusammenhang mit einem bundesweiten "Aktionstag gegen antisemitische Hasskriminalität im Internet" statt. Warum er vor diesem Hintergrund ins Visier der Behörden geraten sei, wisse er nicht. "Ich habe nicht die leiseste Ahnung", hält der Beschuldigte fest. In seinem Freundeskreis seien Latinos, Türken, Russen und Polen. Ob darunter ein Jude sei, sei ihm nicht bekannt. "Es ist mir scheißegal. Wenn das ein feiner Kerl ist, dann ist das in Ordnung", sagt Niehoff. Der Anfangsverdacht der erwähnten Volksverhetzung bezieht sich indes nicht auf das "Schwachkopf"-Posting, sondern auf einen anderen Aspekt.

Laut Staatsanwaltschaft wird dem 64-Jährigen vorgeworfen, im Frühjahr 2024 auf der Internetplattform X eine Bilddatei hochgeladen zu haben. Auf dieser sei ein SS- oder SA-Mann mit dem Plakat und der Aufschrift "Deutsche kauft nicht bei Juden" zu sehen gewesen sein. Die Datei habe zudem den Zusatztext "Wahre Demokraten! Hatten wir alles schon mal!" enthalten. Wie Stefan Niehoff am Freitag (22. November 2024) gegenüber inFranken.de erklärte, bezog sich der Post auf einen damaligen Boykottaufruf des "Hamburger Bündnis gegen Rechts" gegen die Firma Müller ("Müllermilch").

Den Auslöser der Aufforderung bildete seinerzeit Molkerei-Inhaber Theo Müller, der wegen seiner Nähe zu AfD-Chefin Alice Weidel in die Kritik geraten war. Ob sich das besagte Nazi-Meme tatsächlich auf diesen Sachverhalt bezieht, wollte die Bamberger Staatsanwaltschaft auf Anfrage von inFranken.de weder bestätigen noch dementieren. "Bitte haben Sie Verständnis, dass der Kontext, in dem das genannte Posting erfolgt ist, noch Gegenstand der Ermittlungen und einer rechtlichen Bewertung ist", hielt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft fest. Aus diesem Grund könnten im Moment dazu keine Angaben gemacht werden. 

Beschuldigter reagiert auf Polizeiaktion mit Unverständnis - Kritik an Politik in Deutschland

Im Interview mit News5 geht Niehoff derweil nur auf den "Schwachkopf"-Tweet explizit ein, der ein Foto von Robert Habeck zeigt. Die Staatsanwaltschaft spricht hinsichtlich dieses Sachverhalts von einem Verdacht einer "gegen Personen des politischen Lebens gerichteten Beleidigung". Aus diesem Grund sei es an dem besagten Dienstag zur Wohnungsdurchsuchung durch Kripo-Beamten gekommen, heißt es. "Dabei konnte ein Tablet des Beschuldigten sichergestellt werden", berichtete die Staatsanwaltschaft.

Stefan Niehoff stellt indessen seine Sicht der Dinge dar. Dass die Polizei wegen eines derartigen Vorfalls eigens zu jemandem nach Hause komme, hätte er zuvor nicht für möglich gehalten. "In einem demokratischen Staat eigentlich nicht", so der 64-Jährige. "Ich habe das nicht als Beleidigung gemeint", sagt Niehoff. Nach seinem Empfinden handle die Politik allerdings zurzeit alles andere als volksnah. "Sie bezieht sich nicht auf uns Deutsche - ohne dass ich jetzt ein Antisemit oder Ausländerfeind bin." Er verweist diesbezüglich auf Donald Trump als Vorbild. "Deutschland zuerst", sollte demnach das Credo hierzulande lauten. Wenn Geld übrig sei, könne man mit diesem dann immer noch das Ausland unterstützen. 

Dass sein Habeck-Beitrag ein derartiges Szenario nach sich zieht, kann Niehoff nicht nachvollziehen. Den heutigen Politikern wirft er diesbezüglich Dünnhäutigkeit vor. "Die Grünen sind anscheinend besonders empfindlich." Neben Außenministerin Annalena Baerbock sei allerdings auch FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann "sehr speziell", hält der Mann aus dem Kreis Haßberge fest. Er dementiert überdies, das besagte Habeck-Meme selbst erstellt zu haben. Dazu sei er technisch gar nicht in der Lage, erklärt der 64-Jährige. Er habe das Foto im Netz nur weitergeleitet.

"Sollen sich wieder ein dickes Fell zulegen": Rentner wirft Politikern Dünnhäutigkeit vor

Dass der Bundeswirtschaftsminister den Strafantrag persönlich unterschrieben hat, stößt bei Niehoff auf Unverständnis. "Ich hätte es ja noch verstanden, wenn er es in Portugal gemacht hätte, als der Flieger kaputt war. Aber ansonsten muss der sich doch um was anderes kümmern." Trotz des jüngsten Polizeieinsatzes in seinen vier Wänden will er weiterhin die sozialen Netzwerke nutzen. "Das hat mich nicht eingeschüchtert - ganz im Gegenteil", sagt Niehoff. Ob ihm eine Geldstrafe für sein Agieren im Internet erwarte, wisse er nicht. "Ich werde mich auf jeden Fall mit allen Mitteln dagegen wehren", betont der Rentner, der laut Eigenaussage lange Zeit stets die CSU gewählt hatte.

Weil ihm die Union aber unter Bundeskanzlerin Angela Merkel zu sehr nach links gedriftet sei, mache er sein Kreuz inzwischen bei der AfD. "Sollte sich die Politik von der CSU und der CDU grundlegend ändern, dann wähle ich auch die wieder." Den politischen Entscheidungsträgern rät er derweil allgemein, nicht so empfindlich zu sein. "Die sollen sich wieder mal ein dickes Fell zulegen. Er selbst habe noch mitbekommen, wie sich Franz-Josef Strauß (CSU) und Herbert Wehner (SPD) einst gefetzt hätten. "Da wäre ja die Justiz auf Jahrhunderte beschäftigt gewesen mit denen zwei", konstatiert Stefan Niehoff aus Ibind.

Im Kreis Kitzingen indessen haben die Betreiber einer Weinstube unlängst einen Drohbrief bekommen. Der Auslöser: Im Lokal hatte zuvor ein Stammtisch der Grünen stattgefunden. In Bezug auf regelmäßige Anfeindungen gegenüber Grünen gibt deren Bamberger Bundestagsabgeordnete Lisa Badum der CSU und den Freien Wählern eine Mitschuld, wie sie inFranken.de vor wenigen Monaten erklärte.