Mit blühenden Sträuchern und knospenden Pflänzchen hat der Winter die Menschen im Kreis Haßberge bisher in die Irre geführt. Damit ist bald Schluss: Frost und Schnee kehren zurück. Spätestens dann wird die Vegetation die Täuschung erkennen. Hoffentlich ohne böse Folgen.
"Die Sägewerke verlangen nach Holz, aber wir sind seit Weihnachten vier Wochen in Rückstand", sagt Hans Stark und klingt dabei trotzdem ganz gelassen.
Der Leiter des Universitäts-Forstamts Sailershausen braucht für den Baumbestand keinen Schaden zu befürchten. "Die Bäume sind in der Winterruhe. Da passiert nichts." Nur bei den Holzarbeiten habe man momentan Probleme. Denn um das geschlagene Holz zu verrücken und aus dem Wald zu holen, müssen schwere Maschinen eingesetzt werden. Bei den momentanen Temperaturen würden die Geräte aber in der feuchten, aufgeweichten Erde versinken. Bodenschäden wären die Folge. "Der Winter kommt noch", ist sich Hans Stark sicher. "Dann machen wir weiter."
Den Reben passiert nichts Auch die Winzer im Maintal beobachten die Wetterkapriolen mit ruhiger Gelassenheit. "Da passiert nichts", beruhigt Winzer Rudi Russ aus Sand.
Im Gegenteil: Der Boden profitierte seiner Meinung nach von den ergiebigen Regenfällen in jüngster Zeit. "Wenn die Unterschichten des Bodens durch Frost zu arg ausgetrocknet sind, läuft das Wasser einfach ab.
Bei den milden Temperaturen konnte sich der Boden schön voll saugen", erklärt er.
Nur für die Winzer-Kollegen, die neue Weinberge angelegt hätten, bringe der aufgeweichte Boden Schwierigkeiten. Die Weinberge seien kaum befahrbar. "Die warten bestimmt sehnsüchtig auf den vorhergesagten Frost", sagt Rudi Russ. Der sei aber mit Vorsicht zu begrüßen: "Ab minus 20 Grad werden die Reben geschädigt, weil die Augen
(Anm.
der Redaktion: die Knospen) erfrieren."
Angst vor plötzlichem Frost Für die Landwirte im Kreis sind die frühlingshaften Temperaturen auch kein Problem - solange kein plötzlicher Frost einbricht. Denn ohne eine wärmende Schneedecke sind Getreide, Gemüse und Obst der Kälte schutzlos ausgeliefert und erfrieren.
Derzeit profitieren die spät gesäten Arten - wie Raps, Winterweizen und -gerste - vom milden Klima. Auch für viehhaltende Betriebe haben die Temperaturen ein Gutes. Einfrierende Wasserleitungen in den Stallungen sind kein Thema, und die Arbeitsabläufe werden nicht durch Minusgrade erschwert.
Ein verfrühtes Frühlingserwachen ist für die Pflanzen aber nicht nur von Vorteil. "Eine kürzere Vegetationsruhe kann Einfluss auf die Ernte haben", erklärt Klaus Merkel.
Der Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands im Landkreis Haßberge wünscht sich langfristig wieder Frost - auch, damit Schädlinge sich nicht ungezügelt vermehren. "Ich hoffe, dass es langsam kälter wird, damit sich der Zelldruck in den Pflanzen schrittweise reduzieren kann", sagt Merkel.
Vor Sonne schützen Das Innenleben der Pflanze folgt einem einfachen Prinzip. Nimmt sie viel Wasser auf, erhöht sich der Zelldruck. Wenig Wasser senkt ihn. Ist die Pflanze vollgesogen und es wird plötzlich kalt, platzen die Zellen und die Pflanze geht ein.
An ein solches Szenario will Guntram Ulsamer, Kreisfachberater für Gartenbau und Landespflege, gar nicht denken. "Ich vermute, dass die Knospen noch nicht so weit ausgetrieben sind, dass die Natur bei einem Wintereinbruch Schaden nehmen könnte", sagt er.
Er rät Gartenbesitzern, ihre Pflanzen mit Vlies und Tannenwedeln vor Sonneneinstrahlung zu schützen. Bei Bäumen empfiehlt er, deren Stämme zu kalken.
Haushalt der Pflanzen wird gestört FT-Gartenexperte Jupp Schröder ist überzeugt, dass der Winter noch einmal in voller Härte zurückkommen wird: "Schon seit einigen Jahren lässt sich bemerken, dass sich das Wetter tendenziell zeitlich verschiebt. Der Januar war oft milder, dafür fiel das Frühjahr eher feucht und kühl aus."
Auch wenn für das Wochenende eine Kaltfront gemeldet ist: In Natur und Garten kann eine Warmphase zum Jahresbeginn Schäden anrichten. Wenn etwa die Bäume schon Saft ziehen, wie es Schröder bei den Birken bemerkte, kann der Wasserhaushalt der Pflanzen durcheinanderkommen.
Schröder vergleicht den Vorgang mit dem Leck in einem Autokühler, der deshalb ständig nachgefüllt werden muss: "Mit der Zeit geht durch die Wasserzufuhr das Frostschutzmittel verloren. Und wenn es dann noch einmal kalt wird, gefriert das Wasser ohne Schutz." Der Frostschutz in der Natur sind spezielle Salze. Zieht ein Baum zu früh Wasser, gehen diese verloren.
Vogelfutter zurzeit nicht nötig Neben der Pflanzenwelt können auch Winterschläfer, wie etwa Fledermäuse oder Igel, gestört werden. Ihre Körpertemperatur passt sich der Umgebung an. Ein zu frühes Erwachen kostet sie viel wertvolle Energie.
Weniger Probleme mit dem Wetter haben zurzeit die Vögel bei der Nahrungssuche. Da es keine geschlossene Schneedecke und keinen Frost gibt, finden sie hinter Rinde und im Laub gut Puppen und andere Kleinlebewesen.
Vom Füttern rät Jupp Schröder daher zurzeit ab: "Ich glaube, die Vogelwelt kommt ganz gut allein zurecht. Erst wenn es wieder Eis und Schnee hat, werfe ich ein paar Äpfel in den Garten oder hänge einen Meisenknödel in den Baum."
Allen Gartenfreunden, denen es jetzt schon in den Fingern juckt, rät Schröder zur Geduld. Zu frühes Zurückschneiden könne den Pflanzen schaden. "Es ist eine gute Zeit zum Holzmachen oder zur sogenannten Frostballenverpflanzung."
"Der Winter kommt zurück" Möchte man einen Strauch verpflanzen, sticht man mit dem Spaten ringsum ein und wartet, bis der Boden wieder gefriert. Dann kann man den Strauch mit dem kompletten Ballen leicht herausnehmen. Ob ein etwas lauerer Start ins Jahr ein völlig neues Phänomen ist oder ein Resultat des Klimawandels, sei dahingestellt. Aber schon die alten Bauernregeln kennen laut Jupp Schröder den frühen Frühling. Ein Spruch lautet: "Januar zu warm, Gott erbarm"; ein anderer: "Alle Monaten im Jahr verwünschen den milden Februar".