Familienprobleme im Kreis Haßberge nehmen zu

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Paare und Familien finden Hilfe bei der Beratungsstelle der Diözese Würzburg in der Centstraße in Haßfurt. Am "Familienbrett", an dem Störungen im Miteinander oft erstmals sichtbar werden, sitzen (von links) Stephan Bury (Online-Beratung), Christiane Wagner-Schmid (Leiterin der Außenstelle Haßfurt) und Herbert Durst (Leiter der Zentrale Schweinfurt). Foto: sw
Paare und Familien finden Hilfe bei der Beratungsstelle der Diözese Würzburg in der Centstraße in Haßfurt. Am "Familienbrett", an dem Störungen im Miteinander oft erstmals sichtbar werden, sitzen (von links) Stephan Bury (Online-Beratung), Christiane Wagner-Schmid (Leiterin der Außenstelle Haßfurt) und Herbert Durst (Leiter der Zentrale Schweinfurt).  Foto: sw

Die Ehe-, Familien- und Lebensberatung der Diözese Würzburg hat immer mehr zu tun. Die Einrichtung unterhält eine Außenstelle in Haßfurt, die jetzt neue Räume bezogen hat. Schwierigkeiten in Beziehungen werden komplexer.

Mehr Zulauf in neuen Räumen - jedes Geschäft in der Haßfurter Innenstadt würde sich über eine solche Jahresbilanz freuen. Bei der Ehe-, Familien- und Lebensberatung der Diözese Würzburg sieht man die steigende Frequenz mit gemischten Gefühlen. "Wir freuen uns natürlich, dass die Menschen unser Beratungsangebot kennen und annehmen, aber offensichtlich nehmen die Problemlagen auch zu", erklärt Christiane Wagner-Schmid als Leiterin der Außenstelle Haßfurt gegenüber unserer Zeitung. Herbert Durst, Chef der Zentrale in Schweinfurt, stimmt ihr zu.

In neuen Räumen

Im Frühling zog die Beratungsstelle in die neuen Räume in der Centstraße, gleichzeitig übernahm Christiane Wagner-Schmid die Leitung.
Die Diplom-Pädagogin wird verstärkt durch die beiden Ehe-, Familien- und Lebensberaterinnen Brigitte Lenhard-Scheithauer und Hildegard Weigand.
243 Menschen kamen im letzten Jahr in die Beratungsstelle, darunter 59 Prozent Frauen. Die 1127 Beratungsstunden bedeuten eine deutliche Zunahme gegenüber 2011. Etwa die Hälfte der Beratungsgespräche fand mit Paaren statt. 46 Prozent Einzelberatungen und ein Prozent Familienberatungen weist die Statistik außerdem aus. "Wobei Einzel- oder Paarprobleme oft auf das gesamte Familiensystem wirken", sagt Wagner-Schmid.
Fünf Gespräche braucht es durchschnittlich, um eine Problemlage zu erkennen und Lösungswege aufzuzeigen. 34 Prozent der Hilfesuchenden ist schon mit einem Gespräch geholfen - manchmal auch durch den Hinweis auf andere Stellen. Zwei Prozent der Problemlagen sind aber so schwierig, dass es bis zu 15 Gespräche braucht.
Was bringt Paare in die Krise? Nach wie vor der Klassiker ist die "gestörte Kommunikation": Man redet nicht mehr miteinander. Kritische Situationen für Paare sind auch die üblichen Umbrüche: die Geburt des ersten Kindes, der Auszug der Kinder, der Ruhestand, aber auch Sterbefälle, der Verlust des Arbeitsplatzes. Berufliche Belastungen wirken in viele Beziehungen hinein. Ob ein Mensch unter Mobbing leidet, überfordert ist oder unterbezahlt - das alles mindert das Selbstwertgefühl und belastet neben dem unmittelbar Betroffenen auch das Umfeld.

Schamgefühle

"Oft kommt das Thema des zu geringen Verdienstes trotz Vollzeitjob erst später zur Sprache. Die Scham ist da sehr hoch", erklärt Herbert Durst. Gerade Männer in prekärer Beschäftigung hadern mit sich, sie würden ihrer Funktion als Familienernährer nicht gerecht. "Da sehen wir derzeit nur die Spitze des Eisbergs", ist Herbert Durst überzeugt. Denn immer mehr Menschen arbeiten 40 Stunden und mehr und müssen ihren Kindern dennoch jeden Wunsch abschlagen.
Im ländlichen Raum kommen auch mehr Paare mit Generationenkonflikten in die Beratungsstelle als beispielsweise in Schweinfurt, erklärt Christiane Wagner-Schmid. Wenn ein Ehepartner in eine Familie einheiratet, die dann unter einem Dach lebt, gelte es oft, die Rollen zu klären. Dazu setzt man sich ans "Familienbrett". Sind die Figuren in Position gebracht, ist oft das Problem sichtbar und "leichter gelöst als in vielen Stunden Gespräch".
Auch die Belastung durch die Pflege Angehöriger macht oft die Paar- oder Familienbeziehung schwieriger.
Zunehmend kommen junge Menschen, die nach dem Schulabschluss keine Orientierung haben, wie sie ihr Leben weiter gestalten sollen. "Eine wachsende Gruppe sind auch Eltern von 70 oder älter, deren Kinder mit 30 und darüber immer noch nicht selbstständig werden wollen", beobachtet Stefan Bury, der auch das Online-Beratungsangebot betreut. Dort hat er vorwiegend mit jüngeren Menschen zu tun und mit solchen, die eine direkte Begegnung scheuen. In einem Flächenlandkreis wie dem Landkreis Haßberge hat das Online-Angebot aber auch sehr praktische Vorteile, weil die Anfahrt entfällt. "Da melden sich beispielsweise junge Mütter von mehreren Kindern, für die ein Besuch in der Beratungsstelle mit großem Aufwand verbunden wäre. Eine E-Mail können sie auch schreiben, wenn die Kinder schlafen", erklärt Stephan Bury.

Je eher, desto besser

Die Bereitschaft, sich Hilfe zu suchen, ist nicht ans Alter gebunden. Jeweils rund ein Viertel der Hilfesuchenden sind unter 40 oder über 50 Jahre alt. Die andere Hälfte liegt dazwischen, und das ist offenbar die kritischste Zeit für Beziehungen. "Wir freuen uns, dass die Paare mittlerweile früher zu uns kommen", erklärt Christiane Wagner-Schmid. Natürlich ist es leichter, früh in einer Krise zu helfen. Manchmal können nach ihrer Erfahrung kleine Dinge, die unausgesprochen bleiben, eine Eigendynamik entwickeln, die sich zu einem echten Beziehungsproblem auswächst.
Christiane Wagner-Schmid freut sich, dass jetzt auch die neuen Räume endgültig fertig sind. Die Umgebung soll passen "zur hohen fachlichen Qualität, die wir bieten", sagt Herbert Durst. Für die Beratungsstellen, die bei der Diözese der Abteilung Seelsorge zugeordnet sind, werden nur qualifizierte Fachkräfte aus dem Bereich Psychologie, Pädagogik, Sozialpädagogik oder Theologie eingestellt.

Weitere Ausbildung

Von allen wird eine vierjährige Zusatzausbildung als Ehe-, Familien- und Lebensberaterin erwartet. Neben den Einzelberatungen gibt es auch die "KomKom-Kurse: in kleinen Gruppen üben Paare neue Kommunikations-Kompetenz. "Die bisherigen Erfahrungen sind sehr gut", erklärt Wagner-Schmid.
An die Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen kann sich jedermann wenden, unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer Kirche. Finanziert wird die Stelle allerdings zu 80 Prozent aus Kirchenmitteln. Dazu kommen Fördergelder vom Freistaat und den Landkreisen.
Die Außenstelle in Haßfurt ist unter der Telefonnummer 09521/64600 zu erreichen. Zur Online-Beratung geht's über die Homepage (unter Adresse www. eheberatung.schweinfurt.de ).