EU "schnüffelt" an Kühl- und Schuhschrank

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Andreas Raab (links im Bild) aus Zapfendorf ist einer der Interviewer, die im Auftrag des Statistik-Bundes- und -Landesamt die Bewohner ausgewählter Haushalte nach Lebens- und Einkommenssituation befragen. So auch einen, der mit Gegenfragen konterte, um damit einen ganzen Behörden-Apparat in Aktion zu versetzen: Unser Redakteur Ralf Kestel (rechts).Foto: Birgit Kestel
Andreas Raab (links im Bild) aus Zapfendorf ist einer der Interviewer, die im Auftrag des Statistik-Bundes- und -Landesamt die Bewohner ausgewählter Haushalte nach Lebens- und Einkommenssituation befragen. So auch einen, der mit Gegenfragen konterte, um damit einen ganzen Behörden-Apparat in Aktion zu versetzen: Unser Redakteur Ralf Kestel (rechts).Foto: Birgit Kestel

Auch im Landkreis Haßberge wird jedes Jahr ein Prozent der Haushalte regelmäßig befragt und auf verschiedene Parameter abgeklopft. Erhoben werden aber nur Daten, die in anderen Behörden ohnehin vorliegen. Bei der Größe des Kühlschrankes eröffnen sich aber neue Dimensionen.

Nein, in den Kühlschrank hat er nicht geschaut, der freundliche Besucher mit dienstlichem Auftrag. Ansonsten war er aber ganz schön neugierig. "Können Sie sich neue Hemden kaufen? Haben Sie zwei Paar Schuhe im Schrank?" Und beim Abschied kam er noch auf den Kühlschrank zu sprechen: "Diese Erhebungen werden in ganz Europa durchgeführt und von Ministerien, Wissenschaftlern, Universitäten und Instituten ausgewertet.

Und wenn dabei herauskommt, dass immer weniger Leute in einem Haushalt leben, wie es zuletzt die Tendenz war, dann braucht es eben nicht mehr so große Kühlschränke." - Europaweit.

Da leuchtet einem (fast) ein, warum Staubsauger seit 1. September nur noch noch 1600 Watt verbrauchen dürfen. Der Staub in europäischen Haushalten ist auf dem Rückzug.
So auch bei uns in Ebern.

Zum zweiten Mal binnen zweier Jahre gehörte das traute Heim zu den 60 000 Haushalten in Bayern, die im Rahmen des Mikrozensus', einer Art Mini-Volkszählung, durchleuchtet wurden. Eine Ein-Prozent-Stichprobe, heißt es dazu aus dem Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung in München.

Zwei Mal dabei bei einem Prozent unter 600.000 Haushalten in ganz Bayern? Das klingt ja wie ein Volltreffer beim Bayern-Los, zumal durch ein objektives Zufallsverfahren "getroffen".
Ist es aber nicht: Die (Gewinn-)Quote fällt viel geringer aus: 15 Euro gibt's als Grundstock für die Befragung, weitere zehn Euro für jeden Antwortgeber im Haushalt.

Dies aber nur für den freiwilligen Teil der (EU-)Befragung, die neben der Kühlschrank-Planung auch in den Armutsbericht der Europäischen Kommission einfließt. Hoffentlich tauchen wir da nicht gleich hinter einer Familie aus Portugal oder Griechenland auf!

Die Einkommensverhältnisse werden auf jeden Fall sorgsam durchleuchtet. "Können Sie einen einwöchigen Urlaub erlauben?" In Portugal oder Griechenland etwa? Und scheinbar gibt es nicht nur in Mittelmeer-Ländern Aussagen, wie: "Das Konto ist leer geräumt und der Monat noch so lang ..." - und der Urlaub bleibt ein Luftschloss. Um Häuser geht es auch.

Ausreden gibt es kein

Neben dem bezahlten EU-Teil basiert der Mikrozensus aber auf der Basis eines Bundesgesetzes, ist für die Auserwählten somit verpflichtend. Wer sich verweigert, wird im Extremfall mit einem Zwangsgeld belegt. Ausreden wie "keine Zeit" oder "kein Interesse" zählen nicht. Nichts wird's also mit einem "Lottogewinn". Im Gegenteil: Mindestens eine Stunde (Frei-)Zeit muss man schon investieren.

Aber die Befragung tut auch nicht weh. Selbst selbst-ernannten Datenschützern, Skeptikern, Nörglern, Heimlichtuern und Kritikern nicht. Bei bis zu 200 Fragen geht es allein um Angaben, die längst bei anderen Behörden hinterlegt und bekannt sind (bzw. sein sollten): im Finanzamt und dem Einwohnermeldeamt etwa.

Das Geheimnis der Schuhe in der Ankleidekammer indes bleibt gehütet. Zwei Paare reichen dem amtlichen Schnüffler fürs Kreuzchen auf dem Laptop, der Rest der Leder-Pretiosen bleibt dem Schaulaufen an anderer Stelle vorbehalten.

Beim Auswählverfahren geht es nicht um Namen, Köpfe oder Auffälligkeiten, sondern um Gebäude bzw. Anschriften, die durchs Zufallsprinzip ermittelt wurden . "Die an den gezogenen Anschriften wohnenden Haushalte werden im Rahmen des Mikrozensus' innerhalb von fünf aufeinander folgenden Jahren vier Mal befragt. Entscheidend ist dabei tatsächlich die Anschrift, d.h. findet in diesen Jahren ein Wohnungswechsel statt, rutscht der alte Wohnungsinhaber aus der Erfassung und der Nachmieter wird die verbleibenden Jahre noch befragt", teilt Gunnar Loibl, Leiter der Presseabteilung im Landesamt für Statistik aus München mit. "Somit ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie noch öfter dran sind, ziemlich groß" macht Loibl mir Hoffnung, dass der nette Herr Raab aus Zapfendorf, der an diesem Tag vier Haushalte in Ebern abklappert, häufiger vorbeischaut. Dann tut sich der ehemalige Bank-Prokurist künftig bei der Parkplatzsuche auch leichter.

Und bei den Fragen auch. Denn: So viel ändert sich im Verlauf der Jahre im Durchschnittshaushalt ja auch nicht. Nicht einmal das Kühlschrank-Fabrikat. Der Inhalt sowieso nicht.

Und eine Zusicherung geben sowohl Behördensprecher wie Interviewer: Sämtliche Daten werden vertraulich behandelt, alle Beteiligten sind im Gegensatz zu den Befragten zur absoluten Verschwiegenheit verpflichtet (was besonders für die Zeit nach dem Interview gilt).