Erst die Flucht, dann das Warten

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Zweiter Versuch: Alaa Mahouk (vorne), Sameer Albaloom (links) und Mute Aldin Alhimidy fuhren vergebens in die Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, um dort ihren Asylantrag zu stellen. Am morgigen Mittwoch müssen sie erneut dorthin. Foto: Marian Hamacher
Zweiter Versuch: Alaa Mahouk (vorne), Sameer Albaloom (links) und Mute Aldin Alhimidy fuhren vergebens in die Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, um dort ihren Asylantrag zu stellen. Am morgigen Mittwoch müssen sie erneut dorthin. Foto: Marian Hamacher

Durchschnittlich fünf Monate müssen Asylbewerber derzeit warten, ehe über ihre Zukunft entschieden wird. Drei im Schloss Gleisenau untergebrachte Männer noch ein wenig länger - was die beiden Leiter der Flüchtlingsunterkunft erzürnt.

Ein Stück Papier, DIN-A4, ist Alaa Mahouks wichtigster Besitz. Ein Symbol für Sicherheit und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Loswerden möchte er es trotzdem. So schnell wie möglich.

Seinen Pass, Führerschein sowie alle auf der Flucht mitgenommenen Dokumente musste der Syrer bei der Polizei abgeben, als er die deutsche Grenze überquerte. Im Tausch gab es den DIN-A4-Zettel, auf dem neben einem Passbild alle für einen Ausweis wichtigen Informationen über ihn vermerkt sind.


Drei Hürden

In der Hand halten würde der gelernte Schneider aus Syriens zweitgrößter Stadt, Aleppo, allerdings lieber einen deutschen Ausweis. Einen grünen, um genau zu sein. Denn dieser bedeutet eine Aufenthaltserlaubnis und somit mindestens drei Jahre Schutz vor dem seit März 2011 in der Heimat wütenden Bürgerkrieg. Zu überwinden sind dafür allerdings drei Hürden, die nicht nur immer höher werden, sondern zwischen denen derzeit im Schnitt ungefähr fünf Monate Wartezeit liegen.

Hürde 1: Die Registrierung, bei der Fingerabdrücke genommen werden und ein Passbild gemacht wird. "Danach sind die Flüchtlinge dann verteilt worden. Entweder nach Haßfurt oder zu uns", erklärt Werner Schöpplein vom Helferkreises Asyl in Ebelsbach. Zusammen mit Norbert Wippich leitet der 66-Jährige die Flüchtlingsunterkunft im Schloss Gleisenau.


Kurzfristige Einladung

Über zwei Monate dauerte es, ehe dort am 11. November auch für Mahouk die sehnsüchtig erwartete Einladung nach Schweinfurt in den Briefkasten flatterte. Nur in der für den Kreis Haßberge zuständigen Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) darf mit dem Asylantrag die zweite Hürde in Anlauf genommen werden. "Wir waren allerdings ziemlich überrascht wie kurzfristig das war", sagt Schöpplein. "Die sieben Angeschriebenen sollten nämlich schon am nächsten Tag um acht Uhr da sein."

Angesichts des großen Flüchtlingszustroms und der damit verbundenen Arbeit für die Ämter bringt Schöpplein jedoch Verständnis dafür auf, dass ihm nur wenig Zeit blieb, die Fahrt zu organisieren. Richtig sauer machte ihn allerdings, dass drei der sieben nach Schweinfurt zitierten Flüchtlinge unverrichteter Dinge zurückkehrten.
Im Gepäck hatten sie neben großer Enttäuschung lediglich ihre provisorischen Ausweise, auf denen nun ein blauer Stempel prangte - der ihnen einen neuen Termin an diesem Mittwoch zuwies. "Um 15 Uhr wurde uns gesagt, dass wir in zwei Wochen wiederkommen sollen", erzählt Mahouk auf Arabisch. Ein anderer Flüchtling übersetzt es auf Englisch. Norbert Wippich kann über das, was er zu hören bekommt, nur den Kopf schütteln. "Das ist nicht zumutbar. Da würde sich jeder drüber aufregen", sagt er. "Ich habe viele Jahre im Finanzamt gearbeitet. Wenn wir uns erlaubt hätten, die Büros zu schließen, obwohl noch Menschen draußen warten, hätten wir uns am nächsten Tag aber etwas anhören dürfen."

Oft komme so etwas allerdings nicht vor, erklärt Kira Gehrmann von der Pressestelle des Bundesamts. Die Regel sei vielmehr, dass alle geladenen Asylbewerber auch nach 15 Uhr die Möglichkeit hätten, einen Antrag zu stellen. "Etwas anderes gilt etwa, wenn der Dolmetscher nur bis zu einem vorher vereinbarten Zeitpunkt in der Außenstelle bleiben kann und wegen anderweitiger Verpflichtungen trotz noch offener Arbeit geht", so Gehrmann.


Emotionaler Stress

Genau das müsse dem Bundesamt aber doch vorher klar sein, sagt Schöpplein: "Dann sollen sie eben weniger Flüchtlinge auf einmal einladen." Doch richtig kalkulieren lasse sich die Terminvergabe nicht immer, erklärt Gehrmann. Schließlich handele es sich bei den Anhörungen um individuelle Fluchterzählungen und daher sei nicht immer abzusehen, wie lange diese dauern. "So kann es zu Verzögerungen kommen."
Die sind für viele Flüchtlinge zusätzlicher emotionaler Stress. Auch weil die Sorgen um Familienmitglieder mit jedem Tag des Wartens größer werden. "Die sitzen auf glühenden Kohlen", formuliert es Wippich. Zwar war für Syrer die dritte Hürde - die persönliche Anhörung - während der vergangenen Wochen ausgesetzt, doch selbst nach einem positiven Bescheid und dem damit gewährten Schutz geht das muntere Antragstellen weiter. Erst dann darf versucht werden, die in den Krisengebieten festsitzenden Familien nachzuholen. Der blaue Stempel hat Mahouk mindestens zwei weitere Wochen von seiner Frau und seinem Kind getrennt.

Dass es ein geregeltes System gibt, nachdem die Anträge gestellt werden dürfen, bezweifeln laut Schöpplein inzwischen einige der 31 in Ebelsbach untergebrachten Flüchtlinge angesichts der stark variierenden Wartezeiten. "Are there rules?" (gibt es Regeln?), sei die Frage, die ihm fast jeden Tag gestellt werde.

Auch von Mohammad Mahmoud. Er floh zusammen mit seinem Vater und seinem Bruder aus Syrien. Während diese ihre Anträge längst stellten, warte er noch immer darauf, nach Schweinfurt eingeladen zu werden. Es werde zwar nach verwandtschaftlichen Beziehungen gefragt, doch es komme vor, dass darauf nicht geantwortet werde oder Antworten nicht zutreffend seien, teilt das Bundesamt mit. "Zudem kommt es häufig zu unterschiedlichen Schreibweisen der Namen", erklärt Kira Gehrmann. "Insbesondere bei Leuten ohne Dokumente, wenn der Name nur aufgrund phonetischer Wahrnehmung aufgenommen wird."


Neue Stellen

Die Verfahrensdauer sei jedoch bereits gewaltig gesunken. Noch in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres hätten Asylsuchende durchschnittlich 7,1 Monate warten müssen, ehe endgültig über ihren Antrag entschieden war. Dafür wurden seitdem 1650 neue Stellen geschaffen. "Im nächsten Jahr werden nochmal weitere Stellen folgen", so Gehrmann. "Zudem wird das Bundesamt von Kräften anderer Ressorts unterstützt. Vielleicht hilft dies Mahouk, morgen nicht erneut mit leeren Händen zurück nach Ebelsbach zu fahren - und bald einen grünen Pass zu besitzen.