Druckartikel: "Einfach traurig": Zeiler Händler kritisieren Bonpflicht scharf - Gesetz könnte Preise hochtreiben

"Einfach traurig": Zeiler Händler kritisieren Bonpflicht scharf - Gesetz könnte Preise hochtreiben


Autor: Teresa Hirschberg

Zeil am Main, Dienstag, 21. Januar 2020

Egal ob Bäckerei, Friseur oder Fachhandel: Seit dem 1. Januar 2020 muss bei jedem Einkauf ein Kassenzettel ausgedruckt werden. Drei Zeiler Händler ziehen nach 22 Tagen Bonpflicht eine erste Bilanz - mit ernüchterndem Ergebnis.
In der Bäckerei Kolb nehmen die wenigsten Kunden ihren Kassenbon mit, der Rest wird entsorgt, sagt Mitarbeiterin Karolina Schneiderbanger.  Foto: Teresa Hirschberg


Der Plastikeimer ist schon wieder bis zum Rand voll und das gerade mal um neun Uhr morgens. In der Zeiler Bäckerei Kolb häufen sich die Bons seit zweieinhalb Wochen auf der Theke: Denn seit Beginn des Jahres sind Händler dazu verpflichtet, zu jedem Einkauf einen Kassenzettel auszustellen - selbst für ein einzelnes Butterhörnchen. Am Ende landet der Großteil der Zettel in der Tonne.

"Es ist einfach traurig, dass wir noch mehr Restmüll produzieren, wo wir doch gleichzeitig auf die Umwelt achten sollen", moniert Karolina Schneiderbanger. Von 100 Kunden würde durchschnittlich nur einer den Kassenbon mitnehmen, schätzt die Bäckerei-Mitarbeiterin. "Ich hatte noch keinen Kunden, der das für gutgeheißen hat. Sie verstehen den Sinn dahinter nicht."

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Betroffen von der neuen Bonpflicht sind alle Händler, die ein elektronisches Kassensystem haben. Die Auswirkungen des Gesetzes machen sich in der Bäckerei schon nach kurzer Zeit bemerkbar: Weil die Rechnungen auf nicht recycelbarem Thermopapier gedruckt sind und somit nicht ins Altpapier dürfen, füllt sich die Restmüll-Tonne deutlich schneller. Nicht einmal als Schmierpapier würden sich die Zettel eignen.

Reichte eine Rolle früher für mehrere Monate, müssen die Mitarbeiter nun alle zwei bis drei Tage eine neue in die Kasse einlegen, rechnet Schneiderbanger vor. "Unser Chef befürchtet schon Engpässe beim Rolleneinkauf." Besonders beim morgendlichen Kundenansturm behindere die Zettelpflicht die Arbeitsroutine: "Es dauert natürlich länger, wenn viele Kunden da sind. Da läuft mir irgendwann eine Zettelschlange davon." Dabei registriere die Ladenkasse sowieso alle Einkäufe digital.

Warenpreise könnten steigen

Auf lange Sicht würden auch die Kunden unter dem Gesetz leiden, ist sich Schneiderbanger sicher. Eine Abschaffung des Gesetzes hält sie für unwahrscheinlich. Sie hoffe aber zumindest darauf, dass das Thermopapier gegen eine recycelbare Variante ausgetauscht wird.

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"Geht es um die Kassenzettel? Dazu möchte ich auch was sagen!", ergreift Michaela Baum das Wort, als sie ihre Bäckertüte entgegennimmt. Baum ist in der Zeiler Ofengalerie für die Buchhaltung zuständig - und hat eine klare Meinung zum Gesetz. "Die Bonpflicht soll abgeschafft werden!", findet sie. "Erstens sieht der Kunde doch, dass das Geld in die Kasse fließt und zweitens könnte das Finanzamt die Einnahmen auch hochschätzen."

Zettel bleiben liegen

In der Ofengalerie werden pro Tag etwa sechs Kassenbons ausgestellt, pro Monat zwei Rollen verbraucht. Meist sind es Kleinbeträge für Rohrteile oder Kaminanzünder, Laufkundschaft gebe es hier eher selten. Explizit nach einem Kassenbon verlangen die wenigsten Kunden. "Bis zu einem Kaufpreis von 30 Euro will keiner einen Zettel", sagt Baum.

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Zwar kämpfe die Ofengalerie nicht mit einem Zettelchaos wie die Bäckerei, die Ladenkasse müsse bis zum Herbst dennoch umgerüstet werden - für rund 400 Euro. Das neue Gerät verfügt über einen Stick, auf dem die Daten unwiderruflich festgeschrieben sind und im Nachhinein nicht manipuliert werden können. "Aber fehlerhafte Bons könnte man trotzdem stornieren", wendet Baum ein. "Wie will man das nach drei Jahren noch nachvollziehen? Wer wirklich betrügen will, der schafft es immer irgendwie."

Alternativen zur Bonpflicht fallen Baum gleich mehrere ein: Beispielsweise eine Kleinbetragsregelung wie im Steuergesetz, der zufolge ab einem Kaufwert von 150 Euro sowieso eine Rechnungspflicht gelte. Oder das Abscannen eines QR-Codes per Smartphone oder die Datenspeicherung auf Kundenkarten. Baum glaubt fest daran, dass das Gesetz wieder abgeschafft wird - auch wenn dafür ein Volksbegehren nötig wird.

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Beim Zeiler Altstadt-Friseur gehen Claudia Ankenbrand und Nicole Biertempfel ganz gelassen mit dem Bon-Gesetz um. Egal ob Waschen, Schneiden, Föhnen oder Strähnchen: Die Friseurinnen drucken schon seit Jahren einen Kassenzettel für jeden ihrer Kunden aus. Bis zu 40 Bons kommen so an terminstarken Tagen zusammen. "Ganz wenige nehmen den Zettel mit", erzählt Biertempfel. "Die meisten sagen gleich: Schmeiß ihn weg!" Eine Bonrolle reiche für höchstens zwei Wochen, rechnet Ankenbrand vor. Bleiben die Kassenzettel im Friseurladen liegen, werden sie gleich im Restmüll entsorgt, sagt Biertempfel. "Die Daten speichert ja die Kasse."

200 Kassenbons muss die Zeiler Bäckerei Kolb in etwa täglich ausdrucken, doch nur ein Bruchteil der Kunden nimmt die Zettel überhaupt mit. Der Rest kommt in den Müll.

Der 30. September 2020 ist der Stichtag für die gesetzeskonforme Umrüstung der Kassen. Damit gewährte das Bundesfinanzministerium den Händlern eine Übergangsfrist.

Kommentar von FT-Redakteurin Teresa Hirschberg

Ein Gesetz für die Tonne

Dieses Bild spricht für sich: In der Bäckerei Kolb landen täglich rund 200 Einkaufszettel im Müll. Genau dort kann ihnen die Bonpflicht gerne Gesellschaft leisten. In einer Zeit, in der Umweltbewusstsein so präsent ist wie nie zuvor, sind Händler gesetzlich verpflichtet, Unmengen an nicht recycelbarem Papiermüll zu produzieren.

Es muss doch im Jahr 2020 technisch möglich sein, Rechnungen so zu erfassen, dass die Daten im Nachhinein nicht manipuliert werden können. Ups, ist es ja schon! Jeder Einkauf wird auf einem Stick in der Kasse abgespeichert - wozu braucht es also einen zusätzlichen Bon? Ein Stück Papier, das früher oder später im Müll landet und dem Finanzamt sowieso nicht mehr als Beleg dienen kann. Die Umrüstung auf fälschungssichere Kassen wäre auf lange Sicht sinnvoller. Dafür müssen die Händler zwar auch zahlen - aber nur einmalig und nicht auf Kosten der Umwelt.