Der ehemalige Skinhead Johannes Kneifel beeindruckte Jugendliche bei der "Ich glaub's"-Woche in Ebern mit einem verblüffenden Geständnis. Der Gewalttäter von einst wird demnächst evangelischer Pastor.
Fasziniert kleben die Augen der Jugendlichen an den Lippen des Mannes mit dem roten Bart. Gespannt lauschen sie im evangelischen Gemeindehaus jedem seiner Worte. Was er zu sagen hat scheint besonderes Gewicht zu haben: belastet von einer Schuld, welche die Jugendlichen sonst nur aus den Nachrichten oder aus Filmen kennen, und erleichtert durch eine Erfahrung mit Gott. Dieser Mann mit den freundlichen Augen soll einen Menschen umgebracht haben? Der Brillenträger im grünen Kapuzenpullover strahlt alles andere aus als Brutalität oder Gewaltbereitschaft. Außerdem ist er ja bald Pfarrer!
Sein Auftritt ist sicher einer der Höhepunkte der "Ich glaub's"-Tage in Ebern. Johannes Kneifel, Aussteiger aus der Nazi-Szene und als "Stargast" dieser besonderen Jugend-Evangelisations-Woche der Liebenzeller Gemeinschaft, zieht.
Vom Saulus zum Paulus Er steht unmittelbar vor ihnen, als lebendiges Beispiel für etwas, was die Jugendlichen aus einer uralten biblischen Geschichte kennen. Der Niedersachse ist vom Saulus zum Paulus geworden, hat sich, um es in einfachen Worten zu sagen, vom Bösen zum Guten gewandt. "Vom Saulus zum Paulus", heißt auch die Autobiografie, die der frühere Neonazi über seine ersten 30 Lebensjahre geschrieben hat. Untertitel: Meine drei Leben." Skinhead und Gewalttäter waren die ersten Beiden. Kneifel steht kurz vor der Ordination zum Pastor. Vor gut einem Monat hat er in seiner neuen Gemeinde im sächsischen Erzgebirge die erste Predigt gehalten.
Nach fünf Jahren Haft und einem Theologiestudium ist er in seinem neuen, dritten Leben angekommen
Schwieriges Elternhaus Nun steht er vor den Jugendlichen in Ebern und erzählt seine Geschichte. Davon, dass er als Kind nie angenommen wurde, dass es in der Familie mit zwei behinderten Eltern ständig Streit gab und dass ihm keiner das Gefühl gab, etwas wert zu sein. So rutschte er schon mit 13 in die rechte Szene ab, trug Bomberjacke und Glatze. Aber er hatte eine Gruppe, die ihm so etwas wie Halt versprach. Trinkgelage und Pöbeleien gehörten zum Ritual. Im August 1999, schlug und trat der 17-Jährige im Suff so stark auf einen Arbeitslosen ein, dass der Mann später im Krankenhaus starb. Kneifel ist also für den Tod eines Menschen verantwortlich. Körperverletzung mit Todesfolge lautete das Urteil. Dafür saß er fünf Jahre hinter Gittern.
Zeit, die Kneifel wirklich nutzte, die bei ihm das brachte, was man Straftätern wünscht: Läuterung. Der heute 31-Jährige glaubt, dass Gott ihn gerettet hat, und mit dieser Botschaft steht er nun auch in Ebern.
Vom Nationalsozialismus war Kneifel schon zu Beginn seiner Haft abgerückt. Er absolvierte eine Ausbildung zum Zerspanungsmechaniker und holte das Abitur nach. Doch die Sozialprognose der Gefängnispsychologen blieb negativ, da er nach wie vor aggressiv auftrat und wenig Bereitschaft zeigte, sich zu integrieren. Tatsächlich sei er verzweifelt gewesen, schildert Kneifel in der Rückschau.
Predigt gab Ausschlag Das große Aha-Erlebnis brachte ein Gefängnisgottesdienst, den er, wie manch anderen zuvor, eher aus Langeweile besuchte. Die Predigt sprach ihn an.
Er habe das Gefühl gehabt, lässt sich Kneifel das Erstaunen noch heute vom Gesicht ablesen, Gott persönlich habe ihn angesprochen und ihn aufgefordert, sich ihm anzuvertrauen. "Ich fühlte," sagt Kneifel, "wie Gott mich berührte". Kurz vor dem Ende seiner Haft habe er so zum Glauben gefunden, die Erfahrung gemacht, dass ihm Gott tatsächlich zur Seite steht.
Er schildert den gefesselt lauschenden Jugendlichen in Ebern sein "krasses Glaubenserlebnis", und wie er sich vor der Gewalt und falschen Freunden abgewandt habe. Dass er damit Anklang fand, von Seelsorgern unterstützt und in der Zukunft auch von seiner Umgebung akzeptiert wurde, habe ihm weitergeholfen.
Seinen Satz: "Ich habe erkannt, dass Jesus mir meine Schuld nimmt", lässt er lange wirken.
Kneifel hat Theologie studiert, um auch anderen Menschen seine Erfahrung weiterzugeben, als Gemeindeassistent, als Buchautor und demnächst als Pastor, aber auch bei Vorträgen vor Jugendgruppen und Schulklassen.
Man sollte niemanden im Stich lassen, keinen Menschen aufgeben, aber auch niemandem seine Meinung aufzwingen," schärft er seinen jungen Zuhörern in Ebern ein: "Respekt, ist eine der wichtigsten Voraussetzung für den Umgang miteinander." Kneifels Worte kommen an. Betroffene Stille im Saal beweist es. Auch die Predigt der Liebenzeller Missionarin Britta Greiff über den Zöllner Zachäus stößt auf offene Ohren. Die jungen Besucher der "Ich glaub's"- Abende haben ihren eigenen Zugang zum Thema Glauben wohl schon gefunden.
Eine weitere Veranstaltung der Woche gestaltete die deutsch-afrikanische Gruppe "iThemba", was in der Sprache der Zulu "Hoffnung" bedeutet. Sie warb mit Sketchen und Tänzen für den Glauben.
"Das Beste" zum Schluss "Das Beste" nun haben sich die Veranstalter für den Schluss aufgehoben. Als Beitrag zur Gottesdienstreihe "Kirche mal anders" der evangelischen Gemeinden Jesserndorf und Ebern am Samstag, 9. November, um 19 Uhr geht es um den Hit "Das Beste" der Gruppe Silbermond.
Die "Ich-glaub's"-Initiatoren fragen, was denn das Beste im eigenen Leben ist. Auch Erwachsene, so heißt es, dürfen sich davon angesprochen fühlen.
"Ich glaub's" Ansatz "Ich glaub's" ist zunächst eine Veranstaltung von Teens für Teens. Dabei dreht sich alles um Jesus und die Beziehung zu ihm.
Dieses Angebot "mit Fun, Action, Music & special Guests" war vor vier Jahren in Jesserndorf gut angekommen. Der Teenkreis Jesserndorf entstand daraus.
Initiatoren Die Jesserndorfer Gruppe gestaltet nun auch die Neuauflage in Ebern mit. Zum Organisationsteam gehört die Liebenzeller Gemeinschaft Haßberge um Schwester Tabea Schmolz. Mitarbeiter der "Firemountain Training School", einer "Trainingsschule für Leben und Glauben" aus Bad Liebenzell, unterstützen sie. Mitveranstalter sind die evangelische Gemeinde Ebern und der Jugendverband "Entschieden für Christus".
Ganz ehrlich, ich bin Christin und bin für Vergebung. Aber: Ich habe den Herrn, dessen reumütige Umkehr ich trotz allem gut finde, schon einmal in einer Sendung im Fernsehen gesehen. Dort wurden auch die Angehörigen seines Opfers interviewt, die bis heute nicht über den Verlust hinweg sind, nicht mit ihm sprechen wollen und seine Entschuldigung nicht annehmen wollen. Wirklich jeder hat in unserem Land eine zweite Chance verdient. Trotzdem sollte man nie vergessen, dass dieser Mann keine Hemmung besaß, aufs Brutalste und Grausamste das Leben eines anderen ohne Zögern zu beenden! Man sagt immer wenn ein Mann eine Frau schlägt wird er es wahrscheinlich wieder tun. Was ist dann hier? In diesem Menschen wohnt ein hohes Gewaltpotenzial! Er darf sich bekehren und darf den Weg zurück zur Gemeinschaft finden. Aber soll er wirklich als Seelsorger für Frauen, Kinder und Alte sein? Und ganz ehrlich: Die Liebenzeller Gemeinschaft hat ein gefährlich radikales Gottesbild von Gut und Böse!
Die Hintergründe der Tat sind erschreckend und bestürzend. Die sind hier gar nicht geschildert. Wer sich das antun will, kann sie googlen. Mir läuft ein kalter Schauer über den Rücken, wie frühere brutalste Gewalt mit religiösen Inhalten verbacken sind. Das ist keine Kritik am Redakteur, so sind eben die Umstände. Ich frage mich nur, was Jugendliche aus so einer Veranstaltung lernen sollen. Oder ob es einige sogar verstört.
Von der einen extremen Ideologie zur anderen extremen Ideologie. Besser wäre es, Gut und Böse selber unterscheiden zu können, ohne dass es erst eine Ideologie vorgeben muss.
"Stargast der Liebenzeller Gemeinschaft"
Die Grundsätze der Liebenzeller Gemeinschaft erscheinen mir zu sehr in schwarz-weiß gemalt.
Aus den Glaubensgrundsätzen:
"Die ganze Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments ist von Gott eingegeben, unfehlbar und eindeutig, zuverlässig und völlig ausreichend zu unserem Heil."
"Der Mensch ist der Sünde, dem Tod und dem Teufel verfallen und geht darum dem Gericht und der ewigen Verlorenheit entgegen..."
"Der wiederkommende Herr wird seine Gemeinde mit der ersten Auferstehung, Verwandlung und Entrückung vollenden, Israel wieder annehmen und sein Tausendjähriges Reich des Friedens und der Gerechtigkeit auf dieser Erde aufrichten."
Quelle: www.liebenzell.org/fileadmin/user_upload/Glaubensgrunds_tze.pdf
Außerdem eine rigide Ablehnung von Menschen, die unter ihrer Homosexualität angeblich "leiden", mit Verweis auf äußerst obskure sexuelle Umorientierungseinrichtungen.
Quelle: www.liebenzell.org/fileadmin/user_upload/lm/2011_06_stellungnahme.pdf
Nach meinem Geschmack sollten sich die Verantwortlichen schon sehr, sehr gut überlegen, ob und welchen Jugendlichen so etwas zugemutet werden kann.