Ein Stück Emma auf dem Teller

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Geliebt, gepflegt - und geschlachtet. Schweine haben bei Henigs ein glückliches, aber kurzes, Leben. Foto: p
Geliebt, gepflegt - und geschlachtet. Schweine haben bei Henigs ein glückliches, aber kurzes, Leben.  Foto: p
Ein Fleischwolf im Haus der Bäuerin in Brünn Fotos: Katja Kölbl
Ein Fleischwolf im Haus der Bäuerin in Brünn  Fotos: Katja Kölbl
 
Thomas Henig an der Kurbel, die die Tierhaken nach oben zieht.
Thomas Henig an der Kurbel, die die Tierhaken nach oben zieht.
 

Der Weg vom Schwein zum Kotelett ist kein schöner: So viel Blut, so viel Gedärm - das will doch keiner sehen! Liegt es daran, dass die Zahl der Hausschlachtungen im Landkreis Haßberge so zurück geht?

Die Henigs haben schon immer Schweine geschlachtet: Früher zwei Mal im Jahr, mittlerweile nur noch ein Mal - meistens im November oder Dezember.

Wenn der Termin feststeht, bestellt Inge Henig aus Brünn (Stadt Ebern) den Fleischbeschauer. Heute heißt der Fleischkontrolleur zwar "amtlicher Fachassistent", aber seine Aufgabe ist dieselbe. Wenn das Schwein geschlachtet, entblutet und gebrüht ist sowie die Innereien, das Geschlinge und die Luftröhre entnommen sind, begutachtet er das Fleisch und nimmt (nur bei Schweinen) eine Trichinenprobe.

Bis die Sau am Haken hängt, sind aber einige Vorbereitungen notwendig: der Hausmetzger muss bestellt, die Gewürze eingekauft und viele Eimer und Schüsseln bereitgestellt werden. Mindestens zwei Stunden vor dem Schlachten schürt Inge Henig die beiden Kessel in der Waschküche ein.

Für die Brünnerin ist das Schlachten im eigenen Haus ein Fest.
Damit gehört sie zu einer Minderheit. Denn während im Landkreis Haßberge vor zehn Jahren noch rund 3000 Hausschlachtungen vorgenommen wurden, waren es im vergangenen Jahr gerade 1027.

Die meisten Landwirte lassen ihre Schweine oder Rinder beim Metzger in einem zugelassenen Schlachthof schlachten und bearbeiten das Fleisch zu Hause weiter. Damit ist es aber keine Hausschlachtung mehr.
Diese ist definiert als "Schlachtung außerhalb eines zugelassenen Schlachthofes".

Rein theoretisch könnten Hausschlachtungen auf einem Bauernhof "neben dem Misthaufen" stattfinden, sagt Thomas Henig, der Sohn von Inge Henig. "Aber wenn es um die Gesundheit der Familie geht, passt man erst recht auf."

Erst spielen, dann schlachten

Der 43-Jährige lebt mit seiner Frau Iris und den beiden Töchtern Nina (acht) und Anna (fünf) gleich neben seinen Eltern auf einem ehemaligen Bauernhof in Brünn. Schweine waren für ihn immer schon Nutztiere und zum Essen da. Das möchte er auch seinen Töchtern vermitteln. "Schweine sind richtig süße Tiere. Ich streichle sie auch gerne. Aber wenn sie tot sind, dann ist es Fleisch. Das geht schnell", sagt der Familienvater.

Während die fünfjährige Anna die Entwicklung vom geliebten Haustier zum Stück Schwein auf dem Teller klaglos hinnimmt, ist Schwester Nina manchmal ein wenig traurig. "Wir spielen auch mit denen", erzählt sie. Die letzten Schweinchen hießen Emma und Lilli. Beim Schlachten sind die beiden Mädchen trotzdem jedes Jahr dabei. "Aber nicht beim Tötungsakt selbst. Das muss nicht sein", sagt Thomas Henig.

Das ist zuviel Arbeit

Es gibt im Landkreis nicht mehr viele Privatpersonen, die schlachten. "Das ist denen viel zu viel Arbeit", sagt Inge Henig. Die 70-Jährige nimmt sie gerne auf sich: "Da weiß ich wenigstens, was ich hab'."

Gründe für den Rückgang der Hausschlachtungen gibt es laut Monika Göhr, Pressesprecherin des Landratsamts Haßberge, viele. So hätten sich zum Beispiel die Ernährungs- und Lebensgewohnheiten geändert. "Es muss nicht immer Fleisch sein. Mittlerweile gibt es viele Menschen, die mit einem fettigen Schweinebauch nichts anfangen können und lieber ein Gemüseschnitzel essen", sagt Göhr.

Auch Zeitmangel spiele ein große Rolle. "Eine Hausschlachtung bringt viel Arbeit mit sich. Denn wenn zu Hause geschlachtet wird, muss alles hinterher wieder sauber gemacht werden. Das ist vielen Leuten zu umständlich. Und nicht jeder mag die Schlacht-Gerüche." Viele Häuser seien auch gar nicht mehr für Hausschlachtungen eingerichtet. Wer habe schon noch eine Waschküche im Keller?, fragt Göhr.

Die Waschküche der Familie Henig ist ebenerdig. Darin steht ein Räucherschrank, in dessen Innerem rosige Wacholderschinken baumeln. Das "Haus der Bäuerin" im Ort, in dem Privatleute ihr Schwein von einem Metzger schlachten lassen können, haben die Henigs noch nie in Anspruch genommen.

Dorftradition erhalten

Nicht nur weil das "Haus der Bäuerin" in Heubach schöner ist, sondern weil Inge Henig zuhause "ihr Gerät" gleich bei der Hand hat. Dabei hat Sohn Thomas das Häuschen in Brünn mit seinen Kameraden des Feuerwehrvereins Brünn im Jahr 2006 ehrenamtlich renoviert. 8500 Euro haben sich die Feuerwehrleute den gekachelten Fußboden, neue Fenster, Wandfliesen, Elektro- und Wasserleitungen kosten lassen.

Doch es gibt nicht nur immer weniger Privatleute, die selbst schlachten. Auch Metzger, die diese Kunst beherrschen, sind rar. "Die in einem großen Schlachthof lernen, wissen gar nicht mehr, wie eine Sau mit Pech gebrüht wird und wie die Borsten runterkommen", glaubt Inge Henig.

Auch beim Schlachten sind die Anforderungen des Tierschutzrechts einzuhalten. Danach darf ein Tier nur "verarbeitet" werden, wenn es vor dem Ausbluten getötet wurde. Dazu verwendet man in der Regel einen Bolzenschussapparat.

"Die spüren, wenn es so weit ist", sagt Thomas Henig. Er hat seit Jahren die Aufgabe, die Schweine aus dem Stall zum Metzger zu führen. "Da tun sie mir schon leid, und ich bin auch kurz traurig. Aber dann geht's weiter", sagt er und zuckt mit den Schultern.

Die Familie hat im Keller mehrere Gefriertruhen stehen, in denen Fleischerzeugnisse lagern. Ein eineinhalb bis zwei Zentner schweres Schwein ergibt etwa 50 Koteletts, sieben Schinken, 50 Paar Bratwürste, eine große Wanne Hackfleisch sowie mehrere Braten, Rollbraten und Schnitzel. Die Wurst wird direkt von den Haken in der Waschküche herunter genommen und gegessen.

Nina und Anna freuen sich schon auf die Ferkelchen, die sie im Frühjahr bekommen. Selbst Oma Inge schwärmt von den putzigen Tierchen. Gegessen werden sie aber trotzdem. Und nächstes Jahr kommen neue.