Ein Hunderter zur Versöhnung?

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Symbolbild
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Ein bizarrer Nachbarschaftsstreit landete vor dem Amtsgericht in Haßfurt. Ein 60-Jähriger soll einen 52 Jahre alten Mann attackiert haben. Das ließ sich nicht beweisen. Das Verfahren wurde eingestellt und endete mit einer Überraschung.

Gerichtsprozesse wegen Nachbarschaftsstreitigkeiten landen normalerweise vor dem Zivilgericht. Wenn es aber Handgreiflichkeiten oder gewaltsame Auseinandersetzungen gibt, kommt der Staatsanwalt ins Spiel. Der jüngste derartige Fall um ein Wegerecht endete im Haßfurter Amtsgericht fast wie das berühmt-berüchtigte Hornberger Schießen: Nach zwei Stunden wechselseitiger Anschuldigungen wurde das Strafverfahren wegen Körperverletzung mit einer 300-Euro-Geldauflage eingestellt.

Vor Gericht ging es um einen Vorfall, der sich am späten Nachmittag des 17. Juni 2014 in einem kleinen Dorf in der nördlichen Region der Haßberge zugetragen hatte. Damals schob ein Arbeiter (52 Jahre) seine Schubkarre voller Steine und Betonbrocken über einen geschotterten Weg.
Und darüber geriet der 60-jährige Angeklagte so in Rage, dass er - laut der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft - dem Jüngeren "mit der Rückhand ins Gesicht geschlagen und mindestens einen Stein gegen das Schienbein geworfen haben soll."

Jahrelanger Streit

Hintergrund dieses Streites ist ein seit etlichen Jahren ungelöster Zwist um das Zugangs- und Nutzungsrecht dieses unscheinbaren Weges. Laut Grundbuch gehört dieser Weg zwei Eigentümern - einer davon ist der beschuldigte 60-Jährige, der andere eine Nachbarin. An dem besagten Tag hatte eben diese Nachbarin dem Arbeiter erlaubt, mit seiner Karre diesen Schotterweg zu benutzen.

Was genau bei dem Zank zwischen dem Arbeiter und dem Angeklagten passierte, ließ sich im Gerichtssaal letztendlich nicht klären. Es gab nämlich keine unbeteiligten Zeugen und jeder der Streithähne behauptete, das Opfer des anderen gewesen zu sein. Beide gingen damals nach dem Streit zur Polizei, um den anderen anzuzeigen. Das Verfahren gegen den Arbeiter war schon im Vorfeld eingestellt worden, der 60-Jährige erhielt einen Strafbefehl über 1000 Euro, gegen den seine Anwältin Karin Motschenbacher Einspruch eingelegt hatte. Deshalb kam es zum Prozess in Haßfurt.

Sofort bezahlt

Dass der Beschuldigte sowohl von seinem Widersacher als auch von einem Polizeibeamten als aufgebracht und impulsiv beschrieben wurde, reichte dem Gericht nicht für eine Verurteilung aus. Ilker Özalp zeigte sich seitens der Anklagebehörde mit einer Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage einverstanden. Zwischen den Streithanseln, beschrieb er das Ziel des Prozesses, müsste zumindest ein Zustand der "friedlichen Koexistenz" erreicht werden.

Salomonisch mutet an, wie Strafrichterin Ilona Conver die Kosten verteilte: Der Angeklagte muss wie sein Gegner, der als Nebenkläger auftrat, die jeweils eigenen Anwaltskosten berappen. Die Gerichtskosten trägt die Staatskasse. Die 300-Euro-Geldauflage für den Angeklagten wird gesplittet: einen Hunderter kriegt ein Untermerzbacher Kindergarten, einen Hunderter der Kreisverband des Roten Kreuzes und einer wurde dem beteiligten Arbeiter zugesprochen. Sofort nach Ende der Verhandlung zückte der Bauer sein Portemonnaie, und seine Rechtsanwältin überreichte den Schein. Wer weiß, vielleicht war diese hoffnungsvolle Geste ein erster Schritt der Versöhnung.