E-Mails anstelle von Feldpost

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Mehrere Abordnungen legten Kräne nieder. Foto: Günther Geiling
Mehrere Abordnungen legten Kräne nieder. Foto: Günther Geiling
 
 
Oberstleutnat a.D. Klaus Bertram
Oberstleutnat a.D. Klaus Bertram
 

"Der Volkstrauertag spricht wohl unsere Jugend überhaupt nicht mehr an. Dieser Krieg ist für viele ein Kapitel Geschichte. Aber auch heute sind deutsche Soldatinnen und Soldaten im Kriegseinsatz fern von der Heimat. Sie riskieren Leib und Leben und ihnen muss unser Mitgefühl heute gelten." Dies betonte Oberstleutnant der Reserve Klaus Bertram bei der Gedenkfeier anlässlich des Volkstrauertages vor dem Ossarium in Ebern.


Die Pfarrer Bernd Grosser und Rudolf Theiler sowie Bürgermeister Robert Herrmann (CSU) gestalteten die Feier mit ihren Worten mit, während das Blasorchester Ebern die Gedenkstunde musikalisch umrahmte und auch Mitglieder des Stadtrates, Abordnungen von Behörden, die Bundeswehrreservisten und Eberner Vereine Anteil nahmen.

Bürgermeister Robert Herrmann stellte fest, dass 67 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges es vielen, insbesondere jüngeren Mitmenschen, schwer falle, die Bedeutung des Volkstrauertages zu begreifen. "Wird nun der Volkstrauertag somit bald ein Gedenktag ohne Volk?", stellte er die Frage. Auch wenn die Zahl derjenigen, die den letzten Weltkrieg bewusst miterlebt hätten, immer kleiner werde, sei man es doch den vielen Kriegstoten schuldig, ihrer in Trauer und Mitgefühl zu gedenken.

Der Volkstrauertag sei immer wieder ein Anlass innezuhalten und derer zu gedenken, die auf den Schlachtfeldern der
Kriege, im Widerstand gegen die Gewaltherrschaft, in den KZ-Lagern, in der Gefangenschaft, auf der Flucht, bei der Vertreibung aber auch in den Konflikten dieser Tage Opfer wurden.


Besuch in der Normandie

"Besonders bewusst wurde mir die Sinnhaftigkeit dieses Gedankens, als ich als Teil einer kleinen Stadtratsdelegation im Herbst die Normandie besuchte, um an einem Friedensmarsch teilzunehmen. Anlass für diesen Besuch war das Schicksal und Handeln des vielen von uns noch bekannten Eberner Mitbürgers Dr. Wilhelm Baumann, der in der Kesselschlacht bei Falais persönlichen Mut bewies und durch die Kapitulation seiner Einheit viele Menschenleben ins auswegloser Situation rettete."

Dort an den Originalschauplätzen sei mit medialer Aufbereitung die Grausamkeit des Krieges deutlich vor Augen geführt worden. 10 000 deutsche Soldaten hätten damals in wenigen Tagen ihr junges Leben verloren.

Bürgermeister Herrmann betonte, dass man sich nun schon über die lange Friedensperiode in Europa freuen könne, auch wenn die Welt gegenwärtig alles andere als frei von kriegerischen Konflikten sei. Die Europäische Union habe dafür ja den Friedens-Nobelpreis erhalten.

Erinnerung an Stalingrad

Oberstleutnant d.R. Klaus Bertram erinnerte daran, dass genau vor 70 Jahren, nämlich am 18. November 1942, der deutsche Angriff auf Stalingrad in den Ruinen der Wolgastadt endete. Mit den Soldaten der Roten Armee kämpften Winterkälte und Hunger siegreich gegen die eingeschlossenen Soldaten und brachten Leid und Sterben über sie. Dies sei der Anfang vom Ende des Krieges gewesen, den Hitler, die Nationalsozialisten und deren Helfer einem großem Teil der Welt und über das eigene Volk gebracht hätten.
Leider spreche das heute die junge Generation nicht mehr an und werde kaum anders empfunden als ein Unterricht. Beeindruckt könnte man aber sein, wenn man Feldpostbriefe aus dieser Zeit lese. So las er den Zuhörern einen Feldpostbrief vom 29.Dezember 1944, wie er ähnlich in jener Zeit millionenfach geschrieben wurde.

Das alles sei mehr als 60 Jahre her. Doch auch heute gebe es Briefe, die Soldaten an ihre Liebsten in der Heimat schrieben, auch wenn es sich heute meist um emails handle. Dennoch habe der gute alte Brief aus Papier nicht ausgedient.
"Ja, es gibt wieder Menschen in unserem Land, die zittern und beten, dass die Soldaten gesund an Körper und Seele zurückkehren. Und die betroffenen Familien fühlen sich oft alleine gelassen."

Schon mehr als 50 Kameraden hätten für ihr Land Leib und Leben gelassen und 70 Jahre nach Stalingrad habe man wieder Verwundete zu pflegen und Gefallene zu beklagen. Auch moderne Kriege seien nicht sauber, "clean" wie man so schön sage oder virtuell. Das Leiden und Sterben sei zeitlos. Diese Erkenntnis solle der Volkstrauertag in uns wach halten.

Oberstleutnant d.R. Bertram nahm den Volkstrauertag aber auch zum Anlass, das Augenmerk auf diejenigen zu richten, die augenscheinlich unversehrt seien, doch mit tiefen Wunden in der Seele vom Auslandseinsatz zurückkehrten. PTBS - die posttraumatische Belastungsstörung - sei eine Kriegsschädigung, die noch sehr verkannt werde. Dramatische Erlebnisse kehrten immer wieder in die Erinnerung zurück. Die scheinbar irrationalen Gefühlsausbrüche der Erkrankten machten ein normales Leben unmöglich. So begehe in den USA laut einer Statistik jeden Tag ein Veteran Selbstmord. "Wir Deutsche müssen da von Glück reden, dass unsere Truppen Aufträge in "weniger gefährdeten Regionen" ausführen und daher die Folgen weniger gravierend seien.
Wenn das Totengedenken am Volkstrauertag auch im Vordergrund stehe, sollten wir nicht vergessen an diejenigen zu denken, die gerade jetzt für uns und unsere Freiheit ihre Gesundheit und ihr Leben riskierten. Das sei nicht deren "privates Risiko", sondern ein Dienst für unsere Demokratie und unser Vaterland.