Vor 44 Jahren begann die Partnerschaft zwischen dem Landkreis Haßberge und dem District du Tricastin. Der Königsberger Kurt Sieber hat diese Verbindung von Anfang an vorangetrieben, obwohl nicht jede Begegnung positiv war.
Als Kurt Sieber Anfang der sechziger Jahre in Frankreich Urlaub machte, wurde sein Auto von Kindern mit Steinen beworfen. Einen "Boche" (im Französischen die herablassende Bezeichnung für einen Deutschen) wollten die Franzosen damals nicht bei sich haben. Nur ein paar Jahre später, 1969, organisierte der Gymnasiallehrer den ersten Schüleraustausch mit dem District du Tricastin.
Mit dem Austausch trat Sieber ein Amt auf Lebenszeit an. 1974 wurde es offiziell. Seitdem ist der heute 76-Jährige der Partnerschaftsbeauftragte des Landkreises Haßberge. Dutzende von Reisegruppen aus Frankreich hat er schon in die Haßberge gelotst. Hunderte Deutsche in den District du Tricastin begleitet. Siebers Stimme am Telefon ist für viele Franzosen der erste Kontakt zum Landkreis Haßberge. Zusammen mit rund 100 Mitgliedern des Freundeskreises Haßberge-Tricastin bemüht sich der Kreisrat, die öffentliche Meinung auf beiden Seiten positiv zu beeinflussen.
Bürgernähe anstatt Staatsgeschäfte Aber ist dieses Bemühen 50 Jahre nach der Unterzeichnung des Élysée-Vertrags überhaupt noch nötig? "Natürlich" sagt Sieber nach kurzem Überlegen. Es gehe nicht nur um die große Staatspolitik, sondern auch darum, wie die Menschen übereinander denken würden. "Ich fühle mich moralisch verpflichtet weiterzumachen", sagt Sieber und ergänzt: "Ich empfinde diese Aufgabe als große Bereicherung. Sie macht Spaß!"
1989 war der Königsberger nur wenige Wochen nach dem Berliner Mauerfall zusammen mit Landrat Rudolf Handwerker und Horst Hofmann, Geschäftsleiter des Landratsamtes, nach Frankreich gereist. "Die Franzosen hatten Angst. Sie dachten, dass der Konkurrent Deutschland durch die Wiedervereinigung an Stärke gewinnt und gefährlich wird", erzählt Sieber. Zu dritt habe man die Franzosen beruhigt und gesagt: "Schaut, wir sind hier. Es ändert sich nichts."
Erster Landkreis in Bayern Die Annäherung zwischen den Nationen begann in der Bevölkerungsgruppe, die am wenigsten voreingenommen ist: der Jugend. Sieber organisiert bis heute Austauschprogramme und vermittelt Praktikumsplätze sowie Au-pair-Stellen. Zwei Jahrzehnte lang gab es auch einen Lehrlingsaustausch zwischen deutschen und französischen Gastronomiebetrieben. Mittlerweile beteiligen sich im Landkreis neun Grundschulen an einem Frühfranzösisch-Förderprogramm. Die Erwachsenen tauschen sich auf Vereins- und Kulturebene aus. Es gibt aber auch regelmäßig kommunalpolitische Fachtagungen mit Simultanübersetzern.
Der Kreis Haßberge war der erste Landkreis in Bayern, der mit einem französischen District eine Partnerschaft einging. Der District du Tricastin liegt im mediterranen Süden Frankreichs inmitten von Lavendelfeldern, Weingärten und Obstplantagen.
Keine typische Städtepartnerschaft Warum ging man keine typische Städtepartnerschaft ein? "Das wollten wir vermeiden. So haben wir eine breitere Basis, die vielfältige Kontakte möglich macht", erklärt Kurt Sieber. Doch das schließe nicht aus, dass man mit den drei wichtigsten Städten im District engen Kontakt pflege. 1976 besiegelte Königsberg seine Freundschaft mit Donzère durch eine offizielle Stadtpartnerschaft, 2009 folgte Eltmann mit St.Paul-Trois-Châteaux. Haßfurt tauscht sich zwar regelmäßig mit Pierrelatte aus, hat diese Partnerschaft aber noch nicht offiziell besiegelt.
Kurt Sieber ist es wichtig klarzustellen, dass man keinen Mandatsträgertourismus betreiben wolle, sondern auf die Begegnung der Bürger achte. Dazu gehört auch die Unterbringung in Gastfamilien, erklärt er.