Bilder von der Zerbrechlichkeit des Seins in Pfarrweisach

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In seiner Galerie in Pfarrweisach stellt Günter Rocznik eine Auswahl eigener Werke zur Schau. Fotos: Eckehard Kiesewetter
In seiner Galerie in Pfarrweisach stellt Günter Rocznik eine Auswahl eigener Werke zur Schau. Fotos: Eckehard Kiesewetter
 
"Menschen in der Menge" ist ein immer wiederkehrendes Motiv in Roczniks Arbeiten.
"Menschen in der Menge" ist ein immer wiederkehrendes Motiv in Roczniks Arbeiten.
 
 
Detail einer Collage zur Ausstellung "Hinschauen- Wegschauen."
Detail einer Collage zur Ausstellung "Hinschauen- Wegschauen."
 
 
 
 
 
 
 

Der Objektkünstler Günter Rocznik aus Pfarrweisach hat sehr persönliche Grenzerfahrungen gesammelt. Seine Werke geben beredtes Zeugnis davon. Jetzt zieht er Bilanz - und einen Schlussstrich.

Seine Kunst, die Art ihres Entstehens, macht vieles transparent. Sie verbirgt und enthüllt zugleich und wirft stets die Frage nach dem Dahinter auf. Günter Rocznik, Maler und Galerist aus den Haßbergen, schürft tief und arbeitet vielschichtig, was viele seiner Gemälde von der Bildfläche ins Plastische hebt.

Einfache Dinge

Oberflächlich jedenfalls bleibt sein Werk so gut wie nie, auch wenn er sich einfacher Chiffren bedient. Das Kreuz etwa, als Symbol der leidenden Menschheit und der Hoffnung. Körpersilhouetten stehen für den "Menschen in der Masse", erklärtermaßen eines seiner Lieblingsthemen. Motive wie Sehnsucht, Glaube und die Phasen des Lebens behandeln zahlreiche seiner Einzelwerke, aber auch Ausstellungsprojekte, die ihn bis in die Ukraine führten.


Gerade enden zwei Ausstellungen, die für Rocznik Zwischenbilanz und Zäsur zugleich darstellen. Und sie bedeuten aus seiner Sicht einen Tabubruch. Erstmals stellt er in seiner Galerie "Kunst & Antik" in Pfarrweisach ausschließlich eigene Arbeiten aus - in 25-jähriger Galeristen-Tätigkeit für ihn bislang undenkbar. Zu sehen ist eine kleine Zusammenschau aus einem Gesamtwerk, das sich der Objektkunst verbunden sieht. Rocznik hat über die Jahrzehnte hinweg unverkennbar in der künstlerischen Verfremdung seinen eigenen Stil gefunden.

Gegen rechte Propaganda

Deutlich zutrage tritt dies in der Ausstellung "Hinschauen - Wegschauen. 18 Stationen gegen Rechtsradikalismus" im Eberner Ossarium. In diesen überwiegend aktuellen Werken kehrt der Sozialarbeiter von einst zu seinen pädagogischen Wurzeln zurück. Schon in den frühen 80er Jahren setzte er sich in Text und Bild mit den politischen und sozialen Verhältnissen in Nicaragua auseinander, später inspirierten ihn Ausländerfeindlichkeit und Drogenkonsum zu Ausstellungsprojekten.

Als Produkt einer Reise nach Sachsen-Anhalt ("die aber überallhin geführt haben könnte") malt er nun gegen den Rechtsradikalismus an. Rocznik versteht sich, wie er betont, nicht als politischer Künstler, doch dieses pädagogische Projekt ist ihm wichtig: "Rechte Propaganda ist für mich Menschenverachtung, Dummheit und ein Ausdruck der Absurdität."

In seinem Versuch, die zerstörerische Gewalt dieser Ideologie ad absurdum zu führen, will er auf keinen Fall missverstanden werden. Also hat er die 18 Stationen wiederholt übermalt. Die Naziparolen und rechte Propaganda, wie man sie heute wieder überall auf Aufklebern und Flyern findet, will er durch künstlerische Verfremdung "isolieren", um ihre perfide Wucht und abstruse Gemeinheit spürbar zu machen. Nur noch in Fragmenten und Wortfetzen schimmern Teile davon hindurch. So "scheinen sie aus einer absurd-irrealen Welt zu kommen", erklärt der diplomierte Sozialpädagoge. Ein spannendes Unterfangen mit frappierender Aussagekraft, zu sehen unter www.galerie-kunst-antik.de.

Fundstücke und ihre Geschichte

Bedruckte T-Shirts, die auch in dieser Ausstellung eine wichtige Rolle spielen, bildeten schon früh den Grundstoff für reliefartige Arbeiten Roczniks. Plattgefahrene Blechbüchsen, eingesammelt in aller Welt, arrangierte er zu mehrdimensionalen Objekten, und abgetragene Schuhe erhob er zum Kunstobjekt, indem er sie in den Kontext mit ihrem einstigen Träger und dessen Zeit stellte.

"Man muss eigentlich nur die Augen offen halten", sagt er über einen seiner Ansätze. "Du brauchst nur etwas aufzuheben, was Du im Alltag siehst. Die Geschichten liegen auf dem Weg." Große Ansprüche stellt er bei der Wahl seiner Mittel, oftmals Wegwerfartikel, nicht - einzig die Authentizität ist ihm wichtig. So finden auch Protestplakate, Tagebuchblätter, Fahrkartenauskünfte der Bahn, eigene Gedichte, Anzeigen aus der Tageszeitung oder philosophische Weisheiten Eingang in seine Collagen. Man muss nur genau genug hinsehen, und bereit sein, einzutauchen, denn immer wieder schimmert das Wesentliche schemenhaft durch.

Ausgefeilte Lasurtechnik

Der gebürtige Bayreuther Rocznik bettet Texte, Symbole oder eben auch Alltagsgegenstände in seine Bildkompositionen ein, um sie wieder und wieder mit neuer Farbhaut zu überziehen. "In solchen übermalten Textbildern", erklärt Rocznik, "begegnen sich Stofflichkeit, Wirklichkeit, Kunst und Alltag auf intensive Weise."
Mag das Ergebnis mitunter auf den ersten Blick noch so massig und grobschlächtig erscheinen, am Ende ist es dünnhäutig und sensibel wie der Künstler selbst.

Genau hier liegt die Raffinesse in seinen Kompositionen aus Objekt, Spachtelmasse, Farbe und Lasur: Rocznik faszinieren die Lasuren, Aufstriche "wie sie zart und detailliert wie ein Mikrokosmos wirken können." Die Kunst des Günter Rocznik will beides, sie will verbergen und bedecken, zugleich aber aufdecken, transparent machen und Gravierendes zum Vorschein bringen.

Auf das Dahinter kommt es an. "Mir geht es um die Vergänglichkeit, um die Fragilität des Lebens", sagt der Künstler, "mein großes Leitthema".

So zieht sich die Metamorphose, das Häuten und sich Wiederfinden, authentisch durch ein mehr als 20-jähriges Schaffen. Die Bildsprache geht bewusst an und unter die Haut. Dem nicht genug. Zuletzt - Verarbeitung einer schweren Krankheit, bei der sich seine Haut in Fetzen löste - hat er tatsächlich auch eigene Epidermis künstlerisch verarbeitet. Als unkonventionelles Material für plastische, natürlich wie immer mit Farbe ästhetisch verfremdete Bilder. "Eine sehr eigenwillige, intime Art der Verarbeitung", räumt Rocznik ein. Aber sie hat ihm geholfen. Heute ist er geheilt.

Wie die Schmetterlingsraupe, die ihr bisheriges Leben abgestriffen hat, wird auch der Oberfranke, der seit 17 Jahren in den Haßbergen lebt, so nicht weitermachen. Am Sonntag, seinem 60. Geburtstag, endet die Ausstellung in Pfarrweisach Es soll seine letzte dort gewesen sein. Rocznik will die Galerie "Kunst & Antik" schließen und sein künstlerisches Schaffen an einen anderen Ort verlegen.

Finissage

"Stationen" nennt Günter Rocznik seine Ausstellung mit Arbeiten aus mehr als zwei Jahrzehnten, die er in der Galerie "Kunst & Antik" in Pfarrweisach zeigt. Anlass ist sein 60. Geburtstag und seine 25-jährige Arbeit als Galerist. Wer die Werke noch sehen will, muss sich beeilen. Die "Finissage" findet am Sonntag, 20. Oktober, um 15 Uhr statt.