Nach dem Krippenspiel und Chorauftritt suchen die Wohneinheiten ihre Geschenke unter dem großen Weihnachtsbaum in der Stadthalle. Jede Gruppe hat vorher diskutiert, was sie sich in diesem Jahr von der Heimleitung wünscht, der jeweilige Gruppensprecher leitet die Entscheidung dann an Gehring weiter. Zuletzt gab es einen Kicker-Tisch - eben etwas, was die Gruppe später gemeinsam nutzen kann. "Danach bringen wir das Geschenk nach Hause und packen es am Esstisch aus", erzählt Chantale. "Das haltet ihr so lange aus?", fragt Mitarbeiterin Gaby Schmitt verwundert. "Das ist unser Ritual", betont Chantal mit ernstem Blick. "Es gab noch nie was anderes."
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Die Eltern der Kinder sind an diesem Abend nicht eingeladen. "Bei der Hausweihnacht ist kein Besuch erwünscht", erklärt Gehring. "Wenn Eltern dazukommen würden, wären das für die anderen Kinder Fremde. Das würde nicht passen." Für die sieben Kinder, die Heiligabend im Heim verbringen, gibt es noch eine zweite, kleinere Variante der Hausweihnacht: gemeinsames Kochen und Essen, einen Gottesdienstbesuch, die zappelige Vorfreude aufs Christkind und schließlich die Bescherung. "Danach setzen wir uns meistens zusammen und schauen noch ein paar Weihnachtsfilme", beschreibt Chantale. Einer der Mitarbeiter bleibt auch an Heiligabend bei den Kindern.
Gefühle kommen hoch
In der Vorweihnachtszeit werde es im Kinderheim immer deutlich emotionaler. "Es ist viel los: Krippenspiel, Nikolausbesuch, dekorieren und basteln", zählt Schmitt auf. "Und an Heiligabend sind die Kinder hibbelig, die kleinen ganz besonders." Bei manchen von ihnen sei die Sehnsucht nach Zuhause dennoch zu spüren. "Wir wollen die Familie ja nicht ersetzen oder bessere Eltern sein", betont Gehring. "Aber die meisten Kinder haben hier ihren Lebensmittelpunkt gefunden." Einen allzu kumpelhaften Umgang zwischen dem Personal und den Kindern gebe es dennoch nicht. "Diese Art von Nähe ist es nicht, sondern eher eine mentale", differenziert Gehring.
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"In der Zeit vor den Weihnachtsferien versuchen wir immer, uns besonders zu zeigen, dass wir uns lieb haben", sagt Chantale. "Natürlich gibt es auch ein paar, die es nicht so gut wegstecken. Aber wir wissen, dass wir füreinander da sind." Fließen doch mal Tränen, bauen sie sich gegenseitig auf. "Wir sind einfach dankbar, dass wir hier mit unserer zweiten Familie leben können", bringt es die 15-Jährige auf den Punkt. Susanne ist erst kurz vor den Sommerferien ins Heim gezogen. Bisher hat sie Weihnachten immer daheim mit ihren Geschwistern verbracht. Im Gegensatz zu ihr dürfe ihre Schwester heute bei den Eltern feiern, erzählt die Zwölfjährige leise. Doch dann kehrt das Lächeln zurück auf ihr Gesicht: "Aber mir geht's hier gut!"
4 stationäre Wohngruppen gibt es in Eltmann: zwei sozialpädagogische, eine heilpädagogische und eine therapeutische; zusätzlich die Inobhutnahme-Stelle mit zwei Plätzen.