Reckendorfs Bürgermeister Manfred Deinlein rechtfertigt im Gemeinderat, warum es bei einer Bürgerversammlung jüngst zum Eklat mit einer Journalistin kam. Das Gremium bittet ihn, seine rechtlichen Schritte zurückzunehmen.
Die Wogen in Reckendorf wegen einer Strafanzeige und eines Hausverbots gegen eine Journalistin schlagen weiter hoch. "Die diesjährige Bürgerversammlung konnte aufgrund der Anwesenheit einer Störerin nur eingeschränkt stattfinden", wiederholte Reckendorfs Bürgermeister Manfred Deinlein (SPD) in der Gemeinderatssitzung am Mittwoch seine verschiedenen Argumente, warum er eine Berichterstatterin auch unserer Zeitung von der Veranstaltung ausschließen lassen wollte.
"Eine Frau, die namentlich auch hier genannt werden darf, Adelheid Waschka, war bei der Bürgerversammlung am 2. Dezember anwesend. Sie wohnt in Hallstadt und wurde daher gebeten zu gehen." Bürgermeister Deinlein rechtfertigte in einem eigenen Tagesordnungspunkt sein Vorgehen - er hatte die Polizei gerufen und wollte Waschka des Saals verweisen lassen. Denn eine Bürgerversammlung sei lediglich für die Gemeindebürger da, so die Auffassung von Deinlein.
Auf Vortrag beschränkt
Waschka habe zudem keinen Presseausweis vorlegen können, ihr Auftrag zur Berichterstattung sei nicht verifizierbar gewesen. "Die Polizei wog dann ab, dabei fiel die Entscheidung, keine Zwangsmaßnahmen gegen die Störerin zu ergreifen." Also habe er die Bürgerversammlung auf den Punkt mit Prof. Dr. Andreas Dornheim beschränkt - hierbei ging es um das Projekt "Juden in Reckendorf" beziehungsweise das Jubiläum "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland".
"Ich wollte keineswegs das Presserecht schmälern", erklärte Deinlein. "Die Bayerische Gemeindeordnung sieht aber nicht zu Unrecht vor, dass Gemeindebürger sich in solchen Versammlungen äußern dürfen, ohne dass ihre Worte gleich in einer Zeitung breitgetreten werden und sie ihren Namen dort vielleicht gar nicht lesen wollen." Er ergänzte, dass manche Kommunen daher im Nachgang zu Bürgerversammlungen Pressekonferenzen abhielten, um die Versammlung für Gemeindebürger zu schützen.
Dritter Bürgermeister Ludwig Blum (CSU) war da anderer Meinung: "Bisher war immer die Presse bei unseren Bürgerversammlungen anwesend. Ich konnte bei meiner Recherche nur finden, dass laut Gemeindeordnung lediglich kein Rederecht für Nicht-Gemeindebürger besteht." Und Blum wurde drastischer: "Ich bin es leid, solche Dinge mitmachen zu müssen, wie sie hier stattgefunden haben. Das war unterste Schublade von dir, Manfred. Ich bin immer noch fassungslos."
Gemeinde präsenter als früher
Von einem Bürgermeister erwarte er Deeskalation, nicht Eskalation. Er wies außerdem darauf hin, dass Adelheid Waschka schon länger die Presseberichte aus Reckendorf schreibe. Das erwähnte auch Erwin Wahl (CSU): "Seit Frau Waschka für die Medien schreibt, ist mehr über unsere Gemeinde zu lesen. Das sehe ich als gut an, ich bekam auch viel positive Rückmeldung. Daher hätte die Bevölkerung kein Problem mit einer Teilnahme von Frau Waschka an der Bürgerversammlung gehabt." Und Fraktionskollege Gerhard Pförtsch meinte: "Es wird immer über Transparenz geredet. Dann aber darf die Presse nicht draußen bleiben."
Behandelt wurde schließlich auch ein Antrag von Pförtsch, der eine Bitte enthielt: Deinlein solle die Strafanzeige, die er gegen Adelheid Waschka gestellt habe, sowie das danach erteilte Hausverbot für alle gemeindlichen Gebäude zurücknehmen. Bei zwei Gegenstimmen wurde der Antrag angenommen. Deinlein muss nun abwägen, ob er dieser Bitte tatsächlich auch entsprechen will.
Neuauflage im Februar?
Ob die Bürgerversammlung wiederholt werden soll, wurde ebenfalls diskutiert. Hartwig Pieler (CSU) war der Meinung, dass es nicht angemessen wäre, wieder zwölf Monate auf eine solche Veranstaltung zu warten. Deinlein sagte, er kämpfe aufgrund der Corona-Pandemie mit sich und wolle lieber ein Abflauen der Corona-Situation abwarten. Nach kurzer Diskussion äußerte er aber die Absicht, sich den Februar für eine neue Bürgerversammlung vorzunehmen und dies in der Januarsitzung nochmals zu beratschlagen.
Die Bürger vor der Presse schützen? Das was soll denn bedeuten? Die Bürgerversammlung ist übrigens dazu da, dass die Bürger/innen ihre Anliegen und Fragen vortragen. Sie ist nicht dazu da, dass der Bürgermeister ellenlange Referate hält und Gastredner einlädt. Das kann er machen, dann ist es aber eine Info-Veranstaltung, aber keine Bürgerversammlung. Dort haben die Bürger in erster Linie das Wort und der Bürgermeister muss mehr oder weniger aus dem Stegreif antworten. Vielleicht sollte das nicht in die Presse?
Und der Professor? Wohnt der in Reckendorf? Im Rechtsstaat gilt das Willkürverbot. In seiner Privatwohnung kann der Bürgermeister aussperren, wen er will. Aber nicht bei einer Bürgerversammlung nach der Bayerischen Gemeindeordnung. Schade, dass es in Bayern kein Amtsenthebungsverfajren für Bürgermeister gibt. Das sollte unbedingt geschaffen werden. Büregrmeister von der Sorte sind leider kein Einzelfall.
Respekt - ein "Bürgermeister" der gleichzeitig Rechtsanwalt sein will kennt noch nicht einmal den korrekten Inhalt des Art. 18 der Bayerischen Gemeindeordnung oder will diesen nicht kennen!? Selbiger bekommt es dann (im Gegensatz zu seinem 3. Bürgermeister Ludwig Blum) im Nachgang der Bürgerversammlung nicht einmal fertig, die exakte Intention des Art. 18 GO zu recherchieren. Spätestens im Zuge einer solchen Recherche hätte man einen solchen Irrtum bemerken, entsprechend zurück rudern und so einigermaßen das Gesicht (falls man ein solches überhaupt noch hat) wahren können. Stattdessen spricht man, alleinig basierend auf dieser juristisch völlig daneben gegangen Einschätzung ein Hausverbot gegen eine langjährig um die Gemeinde Reckendorf verdiente Historikerin aus! Ich frage mich gerade, ob vor diesem Hintergrund, ob nun letztlich eher die fachliche oder vielmehr doch die zwischenmenschliche Kompetenz des Herrn Deinlein tiefer in der von Ludwig Blum zitierten "untersten Schublade" liegen - zumindest finden diese beiden Fähigkeiten in jedem Falle dort ihren Platz!
Durch diese Aktion erweist Herr Deinlein der Gemeinde Reckendorf in ihrer Außenwirkung aber auch allen seriösen Bürgermeistern und rechtschaffenen Anwälten einen echten "Bärendienst"!
Andreas Güthlein, Rentweinsdorf - Friedhofspfleger des Israeltischen Friedhofes im Gemeindebereich Reckendorf
Als Beamter des Freistaates Bayern habe ich zwar (online) vollumfänglichen Zugriff auf jegliche Gesetzestexte inklusive entsprechender Gerichtsurteile, konnte jedoch leider bislang keine einzige Fundstelle recherchieren, wonach "auf einer Bürgerversammlung im Sinne des Art. 18 GO nur Gemeindebürger ANWESEND sein dürften" bzw. dass deren Teilnehmer quasi gar "vor der Presse geschützt werden" müssten.
Vielmehr bestätigt sich hierbei in vollem Umfang die Einschätzung des 3. Bürgermeisters Ludwig Blum, dem ich an der Stelle für sein couragiertes Auftreten explizit meine Anerkennung ausspreche!
So darf an einer Bürgerversammlung im Sinne des Art. 18 grundsätzlich JEDERMANN TEILNEHMEN, lediglich ein entsprechendes REDERECHT bleibt (zunächst) nur den GEMEINDEBÜRGERN vorbehalten! Und selbst dieses Recht könnte unter bestimmten Voraussetzungen auch Nicht-Gemeindebürgern eingeräumt werden!
Nicht zuletzt aufgrund seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt sollte es Herrn Deinlein deshalb kein Problem sein, mir die juristischen Fundstellen seiner etwas unorthodox anmutenden Auslegung der GO zu nennen, worüber ich sehr dankbar wäre!
Im Gegenzug möchte ich meinerseits auf eine sehr interessante Fundstelle verweisen und hieraus auszugsweise zitieren : (…) bei einem Missbrauch der Notrufnummern: Das heißt, wenn jemand bewusst die Unwahrheit am Telefon sagt oder einen Notfall vortäuscht. Das ist eine Straftat und kann Geldstrafen oder sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr zur Folge haben. Hinzu kommt der Aufwand der Polizei: (…) "Da kommt schnell ein dreistelliger Betrag zusammen."
https://www.br.de/radio/bayern1/polizei-feuerwehr-notruf-kosten-100.html
Diese Rechtslage bringt mich zu der unausweichlichen Frage, wer denn die Kosten für diesen offensichtlich unangemessenen und letztlich durch Falschangaben erwirkten Polizeieinsatz trägt ? Als Steuerzahler hoffe ich doch sehr, dass so ein Irrsinn nicht zu Lasten der ohnehin mittlerweile sehr klammen öffentliche Hand erfolgt!