Wie Adolf und die Terroristen der RAF mir mein gelungenes Essen verdarben

2 Min

Ich bin enttäuscht. Mein Essen ist ausnahmsweise zu gut geworden, als dass ich jetzt lästernd darüber schreiben könnte. Normalerweise springt ja immer eine Kurzgeschichte raus, sobald ich selbst koche...

Ich bin enttäuscht. Mein Essen ist ausnahmsweise zu gut geworden, als dass ich jetzt lästernd darüber schreiben könnte. Normalerweise springt ja immer eine Kurzgeschichte raus, sobald ich selbst koche.

Entweder brennt mir dann nämlich mein Essen an, oder ich löse den Alarm des Rauchmelders aus beziehungsweise ich fackele das Haus gleich ganz ab. Dann kann es vorkommen, dass sich Nachbarn ungehalten zeigen. Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir einmal so nächtens unten auf der Straße auf unseren geretteten Habseligkeiten saßen und dem munteren Treiben der Feuerwehr zusahen.

Mit meinem Kochkünsten konnte ich meine Nachbarn dabei nie so recht beschwichtigen. Aber das muss man verstehen, denn manche von ihnen waren Eltern und hatten Kinder, die um diese Uhrzeit ja schon längst hätten im Bett sein müssen. Na egal, wie es auch immer ausgegangen ist, das, was jedenfalls alle meine Kochergebnisse miteinander verband, war ihre Ungenießbarkeit. Aber ich schweife ab. Jedenfalls kochte ich so vor mich hin und da fiel mir meine Verwandtschaft ein, zumindest Teile davon.

Das kam daher, weil auf der Packung meiner "Alaska Heilbuttfilets" (tiefgefroren) der Markenname des Herstellers samt seinem Slogan "Wir aus Mecklenburg" stand. Das irritierte mich, weil ich Alaska immer außerhalb von Mecklenburg vermutete. Aber da nun schon mal der Begriff Mecklenburg fiel, war es gedanklich nicht mehr weit hinüber nach Sachsen-Anhalt. Dort nämlich, in der Lutherstadt Eisleben, wohnte mein Onkel Adolf. Onkel Adolf hieß wirklich Adolf und war zu meiner Kinderzeit immer so alle zwei Jahre aus der DDR angereist, um meine Oma zu besuchen, die seine Schwester war.

Onkel Adolf ist mir aus mehreren Gründen noch gut in Erinnerung. Ich weiß z. B. noch, dass er auf dem WC immer unheimlich viel rauchte. Meine Oma redete ihm immer ein, dass das angeblich die Verdauung fördert, aber Onkel Adolf rauchte außerhalb des WC noch viel mehr. Ich wunderte mich als Kind jedenfalls immer sehr, warum er mit dem Verdauen erst auf dem WC beginnen sollte, aber ich galt ja auch als neunmalklug und vorlaut. Wirklich stutzig wurde ich aber, weil Onkel Adolf immer "Terroristen fangen" wollte. Gemeint war damit natürlich die RAF. Wenn Onkel Adolf mit mir spazieren ging, dann nahm er immer einen Stock mit, um sich gegen Terroristen zu wappnen. Aus irgendeinem mir nicht begreiflichen Grund, vermutete er die RAF in Oberwallenstadt.

Die Rede ist jetzt natürlich von der zweiten Generation der RAF, also von Monhaupt, Klar und Viett und so. Ihre Fahndungsplakate hingen früher ja überall und ich fand als Kind immer, dass die Susanne Albrecht irgendwie am spannendsten aussah. Sie hatte für mich immer so eine ungewaschene Verschlafenheit im Gesicht und ich hielt sie für eine sehr auffällige Erscheinung. Eben darum war ich mir ja so sicher, sie noch nie in Oberwallenstadt gesehen zu haben. Aber mein Onkel wollte mit mir nicht darüber diskutieren und knallte mir lieber eine. Dabei wies er mich darauf hin, dass unter den 15 Terroristen auf dem Fahndungsplakat immerhin zehn Frauen waren.

Im Laufe des Spaziergangs kamen wir miteinander überein, dass eine Welt, die nur von Frauen regiert würde, vielleicht auch nicht besser wäre. Dann knallte er mir wieder eine. Tja, es ist schon wirklich seltsam, auf was für Gedanken und Erinnerungen man so verfällt, wenn man sich Heilbuttfilets aus Alaska von einer Firma aus Mecklenburg-Vorpommern brutzelt. Mecklenburg-Vorpommern hier, Lutherstadt Eisleben dort - das Kochen ist wirklich ein ungeheuer spannender Vorgang und irgendwas passiert dabei ja immer.

Und irgendwie bin ich mir trotzdem treu geblieben, denn es mag ja sein, dass mir mein Essen nun mal ausnahmsweise geglückt ist, aber dafür ist es jetzt schweinekalt. Man soll die Dinge eben nacheinander tun und nicht das Unter uns schreiben, wenn eigentlich Zeit zum Essen ist.