War der 57-jährige Angeklagte als Schwarzfahrer unterwegs oder fuhr ein anderer?

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von unserem Mitarbeiter  Manfred Wagner Haßfurt — Saß der 57-Jährige, der keine Fahrerlaubnis besitzt, mindestens zwei Mal hinter dem Steuer seines Wagens oder nicht? Diese Frage l...

von unserem Mitarbeiter 
Manfred Wagner

Haßfurt — Saß der 57-Jährige, der keine Fahrerlaubnis besitzt, mindestens zwei Mal hinter dem Steuer seines Wagens oder nicht? Diese Frage ließ sich in einer Verhandlung vor dem Haßfurter Amtsgericht nicht zweifelsfrei klären. Deshalb unterbrach die Strafrichterin Ilona Conver den Strafprozess mit der Maßgabe, dass zur Fortsetzung weitere Zeugen geladen werden.
Am 6. und am 11. November 2014, so trug die Staatsanwältin in ihrer Anklageschrift vor, sei der Angeklagte mit seinem VW auf öffentlichen Straßen gefahren, obwohl er aufgrund einer früheren Verurteilung keine Fahrerlaubnis hatte. "Das ist nicht wahr", entgegnete der selbstständig tätige Mann auf Nachfrage der Gerichtsvorsitzenden. Er zeigte seinen Terminkalender vom vergangenen Jahr vor, in dem er nach seinen Worten alle beruflichen Termine eingetragen habe.
So sei er am 6. November im Kreis Tauberbischofsheim gewesen, wo er den ganzen Tag mit seiner Arbeit beschäftigt gewesen sei. Und fünf Tage später habe er in Veitshöchheim einen weiteren Auftrag für seine Firma ausgeführt. An beiden Tagen, so erklärte der inzwischen aus dem Landkreis Haßberge weggezogene Beschuldigte, habe er sich von einem alten Freund in der Frühe von Haßfurt aus zu der Baustelle hinfahren lassen, und zurückgekommen seien sie erst am späten Nachmittag. Dieser Fahrer, ein 62-jähriger Rentner, bestätigte diese Angaben des Angeklagten.
Dass er von seinem Nachbarn bei der Polizei angeschwärzt worden sei, bezeichnete der Beschuldigte als "reinen Racheakt." Der Anzeigeerstatter, fügte der 57-Jährige hinzu, habe ihm immer wieder nachgestellt und sogar damit gedroht, ihn beim Finanzamt zu denunzieren. Tag und Nacht sei er von ihm fotografiert worden. "Das ist doch nicht normal", ärgerte sich der Angeklagte.
Dieser Nachbar, ein 72-jähriger Rentner, gab im Zeugenstand eine völlig andere Version zu Protokoll. Akribisch blätterte er in seinen schriftlichen Aufzeichnungen und legte mit klaren Worten dar, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit der Selbstständige schwarzgefahren sei. Dabei hatte er nicht nur das genaue Datum, sondern auch das Kennzeichen und den Fahrzeugtyp dokumentiert.
Wie unser Reporter am Rande der Verhandlung erfuhr, beruhen die Feindseligkeiten zwischen dem Angeklagten und seinem Nachbarn auf Streitigkeiten aus einem Mietverhältnis. Der Selbstständige habe zigtausende Euro an Mietschulden, lautet dabei der Vorwurf. Erst nach einer Räumungsklage sei er ausgezogen - seitdem herrscht Krieg zwischen den Nachbarn.
Zurück zu der Verhandlung: Nach den sich widersprechenden Zeugenaussagen setzte die Richterin die Verhandlung aus. Zum Fortsetzungstermin, der in einigen Wochen stattfinden wird, sollen weitere Zeugen geladen werden, die damals an den angegebenen Baustellen arbeiteten. Für den Angeklagten sind unter anderem deren Aussagen eminent wichtig, denn er steht gleich unter zweifacher Bewährung. Bei einer Verurteilung drohe ihm Haft, sagte Pflichtverteidiger Tilman Fischer.