"Wald und Jagd" - ein emotionales Thema

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Die Rehe sind es nicht allein, die für Verbissschäden sorgen. Deshalb müsse der Abschussplan, dem diese Schäden zugrunde liegen, auch andere Verursacher berücksichtigen. Das wurde in einem Onlinevortrag zum Thema "Wald und Wild" gefordert.
Die Rehe sind es nicht allein, die für Verbissschäden sorgen. Deshalb müsse der Abschussplan, dem diese Schäden zugrunde liegen, auch andere Verursacher berücksichtigen. Das wurde in einem Onlinevortrag zum Thema "Wald und Wild" gefordert.
Symbolfoto: Jens Büttner, dpa

Umwelt  Durch den Klimawandel nehmen Wetterextreme zu. Stürme und Trockenheit schwächen die Wälder und machen sie zu einem gefundenen Fressen für Schädlinge wie den Borkenkäfer.

Um ihre Wälder fit zu machen für die Zukunft, pflanzen Waldbesitzer derzeit viele verschiedene Baumarten. Wildtiere, allen voran Rehe, machen ihnen dabei einen Strich durch die Rechnung, denn sie fressen die Knospen junger Bäumchen, am liebsten solche, die sie nicht jeden Tag bekommen.

"Neue Baumarten werden stärker verbissen. Das führt zur Entmischung, nur Fichte und Kiefer bleiben übrig", erklärte Philip Bust, Referent für Jagd und Wildtiermanagement beim Bayerischen Bauernverband (BBV). Sein Onlinevortrag über "Aufbau klimastabiler Wälder und Schlüsselfaktor Jagd" war Teil der "Klima am Dienstag"-Reihe des BBV-Bildungswerks.

Unter den 124 Teilnehmern waren zahlreiche Waldbesitzer, Jäger und Mitarbeiter von Forstbehörden aus Oberfranken und darüber hinaus. Während ein Großteil der Zuhörer die Ausführungen des erfahrenen Jägers mit "hervorragend" oder "gut" bewertete, fanden einige Teilnehmer den Vortrag nicht praxisnah genug. Bust gab zwar zahlreiche Empfehlungen zur effizienteren Jagd, etwa die Durchführung von Bewegungsjagden oder Sammelansitzen, doch kam manchen Teilnehmern eine wichtige Frage zu kurz: Was, wenn sich Waldbesitzer und Jäger nicht einig sind?

Ärger mit dem Abschussplan

Die größten Spannungen gibt es nicht bei der Jagd, sondern meist schon vorher, nämlich beim Festlegen des Abschussplans. Er wird für jedes Jagdrevier einzeln erstellt und schreibt vor, wie viele Rehe oder Rothirsche nach Alter und Geschlecht innerhalb eines bestimmten Zeitraums erlegt werden müssen. Grundlage für den Abschussplan ist der Zustand der jungen Bäumchen. Der wird alle drei Jahre durch die Forstbehörden in einem Forstlichen Gutachten festgestellt.

Das Prinzip: Wo viele Bäumchen angeknabbert sind, gibt es zu viele Rehe. Folglich muss der Abschussplan erhöht werden. "Falsch", sagen die Jäger. Bereits vergangenes Jahr berichtete diese Zeitung über diesen Konflikt. Otto Kreil, stellvertretender Vorsitzender des Kulmbacher Jagdschutz- und Jägervereins, erklärte damals: "Wenn mehr Bäumchen verbissen sind, ist das nicht unbedingt ein Anzeiger dafür, dass es mehr Rehe gibt, sondern es kann auch bedeuten, dass sie ihre Lebensgewohnheiten ändern."

Durch Borkenkäfer und Windwurf seien in den vergangenen Jahren freie Flächen in den Wäldern entstanden, die sowohl Schutz als auch Nahrung bieten. Hinzu komme der wachsende Freizeitdruck durch Spaziergänger und Fahrradfahrer. "Die Folge ist, dass sich Rehe lieber im Wald aufhalten und dort Bäumchen verbeißen", so Kreil. Er nahm bestärkte beim BBV-Vortrag nochmals, dass neben der effizienten Bejagung auch alternative Äsungsbereiche geschaffen werden müssten, beispielsweise durch das Anlegen von Wildäckern oder das regelmäßige Mulchen von Wegrändern. Forstleute hingegen waren der Meinung, dass es durch das zusätzliche Nahrungsangebot mehr Zuwachs unter den Rehen gebe, was eine weitere Erhöhung der Abschusspläne verursache.

Heinz Gilbricht, Vorsitzender der Kreisgruppe Coburg des Bayerischen Jagdverbands, kritisierte das Konzept des Forstlichen Gutachtens, das selektiv nur den Rehverbiss beachte. "Hasen oder Mäuse verbeißen auch", betonte er. Das müsste bei der Begutachtung berücksichtigt werden.

Emotionen im Spiel

In der Diskussion war deutlich zu erkennen, dass das Thema "Wald und Jagd" ein emotionales ist. Ein Waldbesitzer klagte, dass seine jungen Tannen, die er seit dem Pflanzen regelmäßig umsorgt habe, durch Fegeschäden von Rehböcken stark beschädigt wurden - wenn den Tieren ein neues Gehörn wächst, reiben sie die juckende Basthaut an den Stämmen ab.

Der Waldbesitzer wies darauf hin, dass Jäger zwar immer weniger Pacht für ihre Reviere zahlten, sich aber an der Waldsituation nichts ändere.

Dass Maßnahmen notwendig sind, hat auch das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) erkannt. Bereits Anfang 2019 stieß es einen Leitlinienprozess an, bei dem "über die behördliche, auf das jeweilige Revier bezogene Abschlussplanung hinaus" Lösungen vorangetrieben werden sollten. Daraufhin startete das Landratsamt Kulmbach die Erarbeitung von Leitlinien in solchen Hegegemeinschaften, in denen der Verbiss jahrelang zu hoch war.

Sechs Hegemeinschaften

Hegegemeinschaft nennt man den Zusammenschluss mehrerer benachbarter Reviere, die eine landschaftliche Einheit bilden. In Kulmbach gibt es sechs davon: Roter Main, Trebgast, Frankenwald, Frankenwald Oberland, Jura und Kulmbach - jede Hegegemeinschaft umfasst ein Gebiet mit etwa 20 Jagdrevieren.

Nach Auskünften eines Landratsamt-Pressesprechers wurde der Leitlinien-Prozess aufgrund der Corona-Pandemie unterbrochen, er soll aber fortgesetzt werden. An der Erarbeitung wirken neben der unteren Jagdbehörde das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Jäger sowie Grundstückseigentümer mit.

Bust nannte als mögliche Maßnahmen innerhalb eines Leitlinien-Prozesses beispielsweise die Festlegung von Bejagungsschwerpunkten, den Ausbau der Wildbretvermarktung oder vertrauensbildende Maßnahmen zwischen Waldbesitzern und Jägern.