Durch Borkenkäfer und Windwurf seien in den vergangenen Jahren freie Flächen in den Wäldern entstanden, die sowohl Schutz als auch Nahrung bieten. Hinzu komme der wachsende Freizeitdruck durch Spaziergänger und Fahrradfahrer. "Die Folge ist, dass sich Rehe lieber im Wald aufhalten und dort Bäumchen verbeißen", so Kreil. Er nahm bestärkte beim BBV-Vortrag nochmals, dass neben der effizienten Bejagung auch alternative Äsungsbereiche geschaffen werden müssten, beispielsweise durch das Anlegen von Wildäckern oder das regelmäßige Mulchen von Wegrändern. Forstleute hingegen waren der Meinung, dass es durch das zusätzliche Nahrungsangebot mehr Zuwachs unter den Rehen gebe, was eine weitere Erhöhung der Abschusspläne verursache.
Heinz Gilbricht, Vorsitzender der Kreisgruppe Coburg des Bayerischen Jagdverbands, kritisierte das Konzept des Forstlichen Gutachtens, das selektiv nur den Rehverbiss beachte. "Hasen oder Mäuse verbeißen auch", betonte er. Das müsste bei der Begutachtung berücksichtigt werden.
Emotionen im Spiel
In der Diskussion war deutlich zu erkennen, dass das Thema "Wald und Jagd" ein emotionales ist. Ein Waldbesitzer klagte, dass seine jungen Tannen, die er seit dem Pflanzen regelmäßig umsorgt habe, durch Fegeschäden von Rehböcken stark beschädigt wurden - wenn den Tieren ein neues Gehörn wächst, reiben sie die juckende Basthaut an den Stämmen ab.
Der Waldbesitzer wies darauf hin, dass Jäger zwar immer weniger Pacht für ihre Reviere zahlten, sich aber an der Waldsituation nichts ändere.
Dass Maßnahmen notwendig sind, hat auch das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) erkannt. Bereits Anfang 2019 stieß es einen Leitlinienprozess an, bei dem "über die behördliche, auf das jeweilige Revier bezogene Abschlussplanung hinaus" Lösungen vorangetrieben werden sollten. Daraufhin startete das Landratsamt Kulmbach die Erarbeitung von Leitlinien in solchen Hegegemeinschaften, in denen der Verbiss jahrelang zu hoch war.
Sechs Hegemeinschaften
Hegegemeinschaft nennt man den Zusammenschluss mehrerer benachbarter Reviere, die eine landschaftliche Einheit bilden. In Kulmbach gibt es sechs davon: Roter Main, Trebgast, Frankenwald, Frankenwald Oberland, Jura und Kulmbach - jede Hegegemeinschaft umfasst ein Gebiet mit etwa 20 Jagdrevieren.
Nach Auskünften eines Landratsamt-Pressesprechers wurde der Leitlinien-Prozess aufgrund der Corona-Pandemie unterbrochen, er soll aber fortgesetzt werden. An der Erarbeitung wirken neben der unteren Jagdbehörde das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Jäger sowie Grundstückseigentümer mit.
Bust nannte als mögliche Maßnahmen innerhalb eines Leitlinien-Prozesses beispielsweise die Festlegung von Bejagungsschwerpunkten, den Ausbau der Wildbretvermarktung oder vertrauensbildende Maßnahmen zwischen Waldbesitzern und Jägern.