Vom Schlosser in Nürnberg über den Landwirt zum Firmenchef in Merlach

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Seniorchef Joachim Mey mit dem von ihm vor über 35 Jahren konstruierten Arbeitsdrehstuhl, mit dem die Geschichte der Mey Chair Systems GmbH begann. Foto: Bettina Knauth
Seniorchef Joachim Mey mit dem von ihm vor über 35 Jahren konstruierten Arbeitsdrehstuhl, mit dem die Geschichte der Mey Chair Systems GmbH begann. Foto: Bettina Knauth

Merlach — Er kam als Flüchtling, wurde erst zum Landwirt und legte dann mit seiner Firma für moderne Stuhl- und Tischsysteme den Grundstein für die heutige Mey Chair Systems GmbH: Am Freitag feiert de...

Merlach — Er kam als Flüchtling, wurde erst zum Landwirt und legte dann mit seiner Firma für moderne Stuhl- und Tischsysteme den Grundstein für die heutige Mey Chair Systems GmbH: Am Freitag feiert der Merlacher Unternehmer Joachim Mey seinen 85. Geburtstag.
Durch Zufall verschlug es den Elfjährigen samt Tanten und Großmutter 1944 mit einem Flüchtlingstreck aus Schlesien nach Merlach, auf den Hof von Hans-Georg Pitschka. Da Joachims Vater Bernhard noch nicht aus dem Zweiten Weltkrieg zurück war, an den Pitschka und seine Frau Ida beide Söhne verloren hatte, nahmen sie den Flüchtlingsjungen bei sich auf. In Merlach besuchte Joachim Mey die Dorfschule und unterstützte seine Gastfamilie auf dem Hof.
1948 holte ihn sein aus dem Krieg heimgekehrter Vater nach Nürnberg, wo Joachim eine Lehre als Maschinenschlosser bei MAN begann. Zur Erntezeit half der junge Mann regelmäßig den Pitschkas aus. Als dem 1889 geborenen Landwirt wegen seiner Gicht die Arbeit immer beschwerlicher wurde, reiste er 1958 nach Nürnberg, "mit einer Ente unterm Arm", um den Ziehsohn zu bitten, den Hof zu übernehmen.
"Das war für meinen Vater und meine Frau Helga eine schwere Entscheidung", schildert Mey. Mittlerweile hatte Joachim eine kleine Familie gegründet, mit der er nun das bequeme Stadtleben mit einem Dasein voller Entbehrungen auf dem Lande tauschen sollte. "Meine Mutter kam auf Pfennigabsätzen 1960 nach Merlach und musste von heute auf morgen fünf Kühe melken", erinnert sich der 1953 geborene Dieter mit Respekt. Anstelle der modernen Toilette musste sich die Familie mit einem "Plumpsklo" auf dem Hof begnügen. Dazu kam, dass der Hof wenig abwarf.
"Nachdem sie anfänglich lediglich von 10 Mark in der Woche leben mussten, suchte sich unser Vater zusätzlich einen Job in Coburg", so Dieter Mey. 1965 gründete Joachim eine Lohnschweißerei. Sein Vater war nicht nur ein hervorragender Schweißer, vielmehr habe sich der gelernte Schlosser von Anfang an als "begnadeter Entwickler" entpuppt. "Allerdings waren wir mit seinen Ideen immer zu früh dran, die Zeit war oft noch nicht reif", fügt der 64-Jährige bedauernd hinzu.


Mit Ideen erfolgreich

Als Beispiel nennt er den wassersparenden Toiletten-Spülkasten mit zwei getrennten Tasten für die Kurz- oder Langspülung. Mey: "Das Prinzip stammt von uns, allerdings konnte mein Vater es damals nicht als Patent anmelden." Für die Produkte seiner Auftraggeber gelang es dem gelernten Schlosser jedoch zunehmend Ideen beizusteuern. Mit seinen Söhnen Bernhard, einem Werkzeugmacher und Dieter, der Groß- und Außenhandelskaufmann lernte, gründete der Senior dann 1985 die Joachim Mey KG, die sich der Produktion moderner Stuhl- und Tischsysteme verschrieb. Das Unternehmen lieferte sogar Front- und Heckspoiler für Wartburg und Trabi (bis 1989), arbeitete für die Firma Brose, sorgte für höhenverstellbare und ausziehbare Couchtische und avancierte zum Stammlieferanten der Firma Kaiser + Kraft (Stuttgart), dem größten Anbieter von Betriebseinrichtungen in Europa. Kontakte und Joint Ventures in Asien brachten das Geschäft zur Herstellung von hochwertigen Drehstuhlkomponenten voran. Im Jahr 2000 übernahm dann die Mey Chair Systems mit Dieter Mey als geschäftsführendem Gesellschafter das operative Geschäft. Bis vor zwei Jahren arbeitete Joachim Mey noch tagtäglich im Unternehmen für Ergonomie am Arbeitsplatz mit, in der Entwicklung und im Musterbau.
Mit seiner gleichaltrigen Ehefrau Helga, den beiden Söhnen Dieter und Bernhard sowie drei Enkeln und fünf Urenkeln wird der Seniorchef seinen 85. Geburtstag wohl krankheitsbedingt ruhig im kleinen Kreis verbringen. Eine große Feier ist Sohn Dieter zufolge momentan nicht geplant und soll nachgeholt werden.