Virtuose, Mäzen, Bonvivant und Original

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Er war - auch - ein begnadeter Pianist: Rudolf Krackhardt am Flügel. Foto: Anne Maurer
Er war - auch - ein begnadeter Pianist: Rudolf Krackhardt am Flügel. Foto: Anne Maurer

Nachruf  Am Freitag wurde Rudolf Krackhardt unter großer Anteilnahme zu Grabe getragen. Er starb im Alter von 90 Jahren.

von unserem Mitarbeiter  Martin Köhl

Bamberg — Wenn man Rudolf Krackhardt auf einem seiner allabendlichen Hundespaziergänge im Umkreis des Maxplatzes traf, war stets eine launige Unterhaltung garantiert. Aber man musste sich vorsehen, denn sein spitzbübischer Humor verlangte höchste Aufmerksamkeit, andernfalls konnte einem der jeweilige Hintersinn seiner köstlichen Anekdoten verborgen bleiben.
Die Pointen präsentierte er nicht auf dem Silbertablett, man musste sie sich vielmehr erschließen. Wäre da nicht seine imposante Statur gewesen, so hätte er als geradezu hoffmaneske Erscheinung durchgehen können, Berganza inklusive. Dieser amüsante Gesprächspartner ist uns nun verloren gegangen - ein Stück authentisches Bamberg weniger. Rudolf Krackhardt verstarb im Alter von 90 Jahren.


Viele Talente

Listiger Humor war jedoch nur eine von vielen Facetten einer Persönlichkeit, die im Bamberger Kulturleben nachhaltige Spuren hinterlassen hat. Rudolf Krackhardt war nicht nur ein begnadeter Pianist mit brillanter Technik, er war zugleich Klavierpädagoge, Fotograf, Tüftler, Bamberg-Chronist, Mäzen und nicht zuletzt Namensgeber und Besitzer vom prächtigsten Haus der Inselstadt, Balthasar Neumanns vormaligem Katharinenspital.
Die Hauskonzerte im Salon des zweiten Stockwerks hatten Kultstatus, und wer dort zugegen sein durfte, wird sich an hochkarätige, oft vom Hause J. C. Neupert organisierte Auftritte renommierter Künstler erinnern. Hinterher war für den Hausherrn der Weg zu einem guten Topfen nicht weit: Der Bonvivant brauchte nur ins gotische Gewölbe hinabzusteigen, wo in einem Weinkeller mit literarischem Anspruch - es sind E.T.A. Hoffmanns "herrliche Katakomben des Maxplatzes"! - beste Gewächse warteten.


Tragisches Handicap

Das pianistische Universum der Nachkriegszeit war Rudolf Krackhardts Welt, also Namen wie Wilhelm Kempff, Walter Gieseking oder Conrad Hansen. Bei Letzterem studierte er in Detmold und legte seine Konzertexamen ab. Nur ältere Bamberger werden sich noch an sein Debütkonzert erinnern können, Anfang der fünfziger Jahre im so genannten kleinen Zentralsaal. Schon damals bedrohte diesen fulminanten Virtuosen allerdings ein geradezu tragisches Handicap, das ihm die ganz große Karriere verwehren sollte: seine Nervosität.


Sternstunden am Klavier

Es war also nur konsequent, dass er die Verwirklichung seines pianistischen Könnens vornehmlich Schallplatteneinspielungen anvertraute. Noch mit 80 Jahren nahm er eine Schubert gewidmete CD auf, die vom Fränkischen Tag beste rezensorische Noten bekam.
War er von seiner Nervosität befreit, reichte es auch bei Live-Auftritten zu außerordentlichen Momenten. Als Rudolf Krackhardt zum Beispiel den neuen Bösendorfer-Flügel des musischen E.T.A.-Hoffmann-Gymnasiums einweihte, konnte er als dort bestallter Klavierpädagoge entspannt spielen, sozusagen pro domo, und Maurice Ravels vertrackten "Gaspard de la nuit" in einer Weise abliefern, die dem Zeitzeugen Wolf Dieter Neupert noch heute das entwaffnende Urteil "Sternstunde" entlockt.


Ein Großer geht

Mit dem Tod Rudolf Krackhardts geht eine Epoche bürgerlicher Stadtkultur zu Ende: Wer in den fünfziger und sechziger Jahren etwas auf sich hielt, schickte seine Kinder zum Klavierunterricht bei Emma Neupert, Hilde Biegi-Metzner oder eben zu den Krackhardts. Auch Margareta Krackhardt, die wenige Jahre vor ihrem Mann starb und dessen Leben umsichtig moderiert hatte, war nämlich Klavierlehrerin und eine Institution im gesellschaftlichen Leben der Stadt. Rudolf Krackhardt ist ihr am 10. August nachgefolgt und wurde gestern begraben. Bamberg hat einen Großen verloren.