Viele kleine Schritte zum Ziel

3 Min
Nachts um ein Uhr gab es noch ein Selfie, dann ging es in die dunkle Nacht hinaus.
Nachts um ein Uhr gab es noch ein Selfie, dann ging es in die dunkle Nacht hinaus.
Die Schwiegereltern hatten alles perfekt vorbereitet. An diversen Versorgungsstationen gab es Kohlenhydrate pur, Kuchen und Würstchen.
Die Schwiegereltern hatten alles perfekt vorbereitet. An diversen Versorgungsstationen gab es Kohlenhydrate pur, Kuchen und Würstchen.
 
Langweilig wurde es Frank Hofmann nie, allein die Landschaft zwischen Erlangen und Rehau ließ das nicht zu. Fotos: Familie Hofmann
Langweilig wurde es Frank Hofmann nie, allein die Landschaft zwischen Erlangen und Rehau ließ das nicht zu.  Fotos: Familie Hofmann
 

Ultralauf  Frank Hofmann ist von Erlangen nach Rehau gelaufen. Von Mittelfranken nach Oberfranken und damit 123 Kilometer. Es waren Grenzerfahrungen, gab er unumwunden nach der Laufstrapaze zu.

von unserem Redaktionsmitglied 
Michael Busch

Dechsendorf/Rehau — Von wegen müde! Frank Hofmann strahlt und bewegt sich scheinbar mühelos durch sein Haus. Sieht so ein Mann aus, der wenige Tage zuvor 123 Kilometer gelaufen ist? Sieht so jemand aus, der zugegeben hat, dass die letzten 40 Kilometer die Achillessehne "nicht mehr richtig mitgespielt hat?" Offensichtlich: ja.

Von der neuen in die alte Heimat

"Mir geht es gut", gibt der Ultra-Läufer zu. Auch wenn zugegebenermaßen der Lauf kein Spaziergang war. Das habe er aber vorher gewusst. Nicht genau, auf was er sich einlasse, aber dass es durchaus anstrengend werden könne. Ein knappes Jahr vorher hatte er den Entschluss gefasst, vom Erlanger Ortsteil Dechsendorf nach Rehau im Fichtelgebirge zu laufen. Also von seiner jetzigen Heimat in die Heimat seiner Familie.
Um ein Uhr nachts habe er sich nicht annähernd vorstellen können, wie der Tag ablaufen werde. Er wusste nur, dass der Startzeitpunkt gekommen sei, sofern er rechtzeitig in Rehau ankommen wolle. "Es war am Anfang gewöhnungsbedürftig mit dieser Lampe, da du einfach nur einen Lichtkegel ein paar Meter vor dir wahrgenommen hast, sonst war da nichts."
Eine Begegnung, der "dritten Art" gab es etwa eine halbe Stunde nach dem Start. In Möhrendorf ging es an einer Horde von feiernden Menschen vorbei. "Eigentlich nicht ungewöhnlich für diese Uhrzeit, nicht ungewöhnlich für einen Wochenendtag", gibt Hofmann zu. Wer blöder geschaut hat, wagt er aber nicht zu beurteilen. Ein paar Kilometer weiter in Kersbach bot sich ihm das gleiche Bild. Dort sogar mit der netten Offerte mitzufeiern und ein Bier zu trinken. Doch nach "erst" 20 gelaufenen Kilometern lehnte der Sportler dankend ab. Isotonische Getränke waren erst für später vorgesehen.
Dankend wurde dann aber der Sportkollege Martin in Streitberg empfangen. Der begleitete Hofmann und konnte auch motivierend auf ihn einwirken. Begeistert ist Frank Hofmann auch davon, dass er sogar die Umgebung wahrnehmen, die Landschaft genießen konnte. "Bei Sonnenaufgang die Rapsfelder zu sehen, diese Schattenspiele an den Hängen, das war alles sehr spannend und atmosphärisch genial."
Nach weiteren 20 Kilometern waren die Schwiegereltern miteingebunden. Sie fuhren immer ein Stück vor und bauten die Verpflegungsstation auf. "Das war immer so ein Höhepunkt", erklärt Hofmann, der sich gerade wegen des Essens nicht ganz sicher war, ob er da richtig geplant habe. "Es hat letztlich sehr gut funktioniert", sagt er. "Der Magen hat so gut mitgespielt, dass ich zwischendurch sogar mal Würschtle gegessen habe."
Optimal sei auch die Versorgung mit den Getränken gewesen. "Da muss die Logistik einfach stimmen", sagt der Sportler. Denn es waren gut über zehn Liter, die er während des Tages verbraucht hat, eine Menge, die er nicht so einfach mitschleppen hätte können. Zum Vergleich: Bei einem Marathon trinkt der Läufer im Durchschnitt weniger als einen Liter. "Doch bei dieser Distanz reagiert der Körper ganz anders und hat andere Bedürfnisse", erklärt Hofmann diese doch sehr deutliche Differenz.

Aufgabe? Niemals!

Neben der Versorgung spielt der Kopf eine entscheidende Rolle. Bei Läufern heißt es: "Bis zu zehn Kilometer laufen die Beine, dann läuft der Kopf." Das kann Hofmann nur bestätigen. "Wenn es schmerzt, muss man sich überlegen, wie gehe ich damit um. Da ist der Kopf entscheidend, um nicht auf die Idee der Aufgabe zu kommen."
Die letzten 40 Kilometer waren dann die tatsächlich haarigen Kilometer. "Da hat die Achillessehne zu spinnen begonnen." Zeitweise musste Hofmann gehen, aber nie einen Gedanken daran verschwendend, dass er aufgeben würde. "Das war zu keiner Zeit eine Option", erklärt er. Geholfen hat sicher auch, dass es nie eine Zeitvorgabe gab. Der Weg war das Ziel und die Erkenntnis, dass "auch viele kleine Schritte zu diesem Ziel führen", half diese 40 Kilometer weiter.
Das zu beschreiben, was er gefühlt hat, als er das Ortsschild Rehau erreichte, kann Hofmann kaum schildern. Das lag zum einen daran, dass die letzten zehn Kilometer die härtesten des Trips gewesen seien. "Ich konnte nur noch langsam laufen und ich war ja schon 18 Stunden auf den Beinen gestanden." Diese Leistung ist unabhängig des Laufens schon faszinierend. "Jeder kann nachempfinden, wie man sich fühlt, wenn man vier bis fünf Stunden in der Stadt einkaufen war, wenn man auf einer Messe war." Hofmann gibt den Tipp, einfach mal auszuprobieren, wie das ist, wenn man "nur" zehn Stunden irgendwo herumsteht - ohne noch etliche Kilometer zu laufen.

Grenzen suchen

Daher sei es beim Zieleinlauf sehr emotional gewesen. Die Familie stand mit einem Willkommensplakat da, jeder herzte den Läufer und war glücklich, dass er das Ziel erreicht hat. Doch das erste Glücksgefühl währte gar nicht so lange. "Was essen, ab in die Wanne und ins Bett", schildert Hofmann die Stunden nach dem Lauf.
Wie es weiter geht? Das weiß der frischgebackene Ultraläufer noch nicht wirklich. Ob er eine andere Strecke laufen wird, ob er eine andere sportliche Herausforderung sucht, ob er sich einer literarischen Aufgabe widmen möchte - das bleibe erst einmal offen. Sicher ist, dass er sich nicht hinsetzen wird und keine weiteren Grenzen mehr suchen möchte.