Verhandlung deutet ganzes Ausmaß der Familientragödie nur an

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Richter Hagen Förster fand deutliche Worte: "Sie beide sind dabei, Ihre Kinder zugrunde zu richten." Denn, so auch die Einschätzung von Ermittlungsrichter Wolfgang Gallasch, der als Zeuge diesmal auf ...

Richter Hagen Förster fand deutliche Worte: "Sie beide sind dabei, Ihre Kinder zugrunde zu richten." Denn, so auch die Einschätzung von Ermittlungsrichter Wolfgang Gallasch, der als Zeuge diesmal auf der anderen Seite des Richtertisches Platz nahm, "die Kinder sind nur ein Spielball in der Auseinandersetzung der Eltern".

Konkret ging es gestern vor dem Erlanger Amtsgericht um zwei Fälle von gefährlicher Körperverletzung. Eine Frau aus dem westlichen Landkreis war angeklagt, ihren Sohn einmal mit einer Hundeleine, einmal mit einer Reitgerte geschlagen zu haben. Sie stritt beide Taten ab. Ja, es habe Reibereien gegeben, auch mal eine Ohrfeige. "Aber ich weiß nicht, wovon hier geredet wird. Ich kann mir nicht erklären, wie die Kinder auf so etwas kommen." Sie wollte damit wohl andeuten, dass sie von ihrem Ex-Mann beeinflusst werden, denn "es lässt sich vieles behaupten, wenn man Rache üben will".

Die Kinder sind ein heute fast zwölfjähriger Junge und ein 13-jähriges Mädchen. Wann genau die vorgeworfenen Taten stattgefunden haben sollen, konnte nicht ermittelt werden. Denn die beiden Kinder waren nicht in der Lage, dies zeitlich einzugrenzen - weder bei ihren Aussagen vor Wolfgang Gallasch, noch bei der gestrigen Verhandlung, in der nur das Mädchen Angaben machte. Der Junge berief sich auf sein Verweigerungsrecht. Irgendwann vor dem Sommer 2019 offenbar - denn da trennten sich die Eltern und "es war auf jeden Fall vor der Trennung", so das Mädchen.

Im Grunde fiel das aber nicht ins Gewicht. Auch nicht, ob sie nun zuerst dem Vater von diesen Vorfällen erzählt hatten oder einem Arzt, der sie bei einer anderen Gelegenheit unter vier Augen dazu befragte. Denn diese Schläge - so schlimm sie sein mögen - sind nicht das eigentliche Drama.

Alltag von Gewalt geprägt

Wie Richter Förster aus den Akten der familienrechtlichen Auseinandersetzung lesen konnte und wie auch der Verteidiger der Mutter betonte, war das gesamte Zusammenleben von "physischer und psychischer Gewalt geprägt". Von Verboten, Beschimpfungen, Schlägen. Der Vater der Kinder ist bereits für häusliche Gewalt gegenüber der Mutter verurteilt. Das Mädchen sagte aber auch aus, dass es Angst gehabt habe, die Mutter zu besuchen. Beide Eltern scheinen heillos überfordert gewesen zu sein - mit sich, ihrer Beziehung und erst recht mit den Kindern, die beispielsweise in schulischen Dingen keinerlei Unterstützung erhielten.

Heute leben die Kinder teils in einem Internat, teils beim Vater oder der Oma. Zur Mutter haben sie kaum persönlichen Kontakt. "Wir schreiben uns WhatsApp", so die Angeklagte. Aber auch hier gehe die Initiative von ihr aus. "Persönlichen Kontakt wollen die Kinder derzeit nicht", sagte die Mutter.

Nach einem kurzen Sechs-Augen-Gespräch zwischen Richter, Staatsanwältin und Verteidiger stellte Förster das Verfahren vorläufig ein. "Wir werden das Grundproblem hier nicht lösen können", begründete er. Die Familie bleibe "an einander gekettet". Dem könne man nicht entkommen. "Es liegt an Ihnen, wie die Kinder dieses von Ihnen verschuldete Desaster verarbeiten", sprach Förster beide Elternteile an - der Vater saß die ganze Zeit über als Zuschauer im Raum. Was für die Kinder am Ende das Beste sei, müsse das Familiengericht klären.

3600 Euro für Kinderschutzbund

In der Strafsache würde die Angeklagte wahrscheinlich nicht mit einem Freispruch davon kommen. In Anbetracht aller Umstände bot Förster daher die vorläufige Einstellung auch nur gegen eine "schmerzhafte Auflage" von 3600 Euro an. "Mir ist bewusst, dass das bei Ihren finanziellen Verhältnissen schwer sein wird - aber das soll es auch." Sechs Monate hat die Frau Zeit, diesen Betrag an den Kinderschutzbund Erlangen zu zahlen. Ist die Auflage erfüllt, wird das Verfahren endgültig eingestellt. Wenn nicht, folgt eine Wiederaufnahme.