Die Artenvielfalt auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz in Ebern ist sensationell. Bei der Erkundung ist eine Essigrosen-Dickfühlerweichwanze Wegweiser und Werbeträger zugleich.
Sie ist klein. Sie ist unscheinbar. Und sie ist etwas ganz Besonderes: Die Essigrosen-Dickfühlerweichwanze wurde vor gut vier Jahren erst- und einmalig in ganz Deutschland auf dem ehemaligen Bundeswehrgelände in Ebern nachgewiesen. Als Maskottchen "Rosi" weist sie künftig Familien, Einheimischen und Touristen den Weg durch die facettenreiche Pflanzen- und Tiervielfalt am ehemaligen Truppenübungsplatz.
So außergewöhnlich es ist, eine Wanze als Wegweiser zu wählen, so außergewöhnlich ist auch ihr Einsatzort. Wo früher Soldaten übten, zeigt sich heute ein wahres Naturparadies - und das nicht trotz, sondern gerade wegen der militärischen Nutzung. "Einige Tiere hätten sich ohne die Bundeswehr gar nicht hier ansiedeln können", erklärt Eberns Bürgermeister Jürgen Hennemann bei der feierlichen Eröffnung des neuen Wander- und Naherholungsareals in der Frauengrundhalle. Sein Lieblingsbeispiel sei hierfür die Gelbbauchunke, "die liebt genau solche Tümpel, wie sie Panzerspuren hinterlassen". Fünf von 14 Info-Tafeln auf den fünf Rundwanderwegen weisen deshalb auch explizit Bezug zur ehemaligen militärischen Nutzung auf.
Ganz spezielle Arten
Gelbbauchunke, Essigrosen-Dickfühlerweichwanze, Panzerkette. Wer die fünf Wanderwege abschreitet, die "Rosi" betreut, wird keine Standardthemen wie "Buche" oder "Lebensraum Wiese" auf den tiefgründigen Infotafeln vorfinden, sondern wirklich spezielle, zum Teil außergewöhnliche Tiere und Pflanzen. Über 1500 Tier- und Pflanzenarten sind auf dem ehemaligen Truppenübungsgelände belegt. Allein 100 alte Birnen- und Apfelsorten wurden beispielsweise am Rand der Wege bereits identifiziert und katalogisiert, "und das sind noch längst nicht alle", erklärt Ann-Kathrin Bröger vom Institut für Biodiversitäts-Information (IfBI), das bei der inhaltlichen Ausgestaltung unter Leitung von Klaus Mandery beteiligt war.
Harald Amon vom Bund Naturschutz, Revierförster Wolfgang Gnannt und Reiner Dehler von der Kameradschaft ehemaliger Eberner Soldaten waren weitere Impulsgeber.
Der Naturpark Haßberge, der durch die Eberner Wanderwege um einen Naturlehrpfad reicher wird, beteiligte sich maßgeblich an den Gesamtkosten von rund 20 000 Euro sowie an der Ausarbeitung und Beschilderung der Wege und Beantragung der Fördergelder. Die Bauhofmitarbeiter der Stadt Ebern schließlich stellten die Info-Stationen auf und errichteten zwei Rastplätze mit Balanciersteinen und -stämmen für Kinder. Bauhofleiter Christian Raehse setzte Wanze "Rosi" zudem ein besonderes Denkmal, in dem er sie mit der Motorsäge aus einem Baumstamm herausarbeitete.
Die Ursprungsidee, die bestehenden Wege auszuschildern und damit öffentlich zugänglich zu machen, hatte schon 2013 Willibald Laubender, ehemaliger Stadtrat und Wanderwart des Bürgervereins Ebern. Die Umsetzung des Projekts lag federführend in den Händen von Helen Zwinkmann von der Tourist-Information.
Zwinkmann wählte Wanze "Rosi" als Maskottchen, koordinierte das Projekt "Der Natur auf der Spur - mit Rosi im ehemaligen Standortübungsplatz", wie es offiziell heißt, und schuf mit einem besonderen Flyer einen ungewöhnlichen Zugang für Kinder und Sammler.