Der Verkauf von 530 Wohnungen an städtische Stiftungen beunruhigt Mietsparteien in der Schützenstraße. Sie spekulieren, warum nur ein Teil "ihres" Gebäude-Ensembles den Besitzer wechselt und rätseln, wer neuer Eigentümer wird.
Jutta Behr-Groh
Die Häuser Nummer 51, 53, 55 und 57 in der Schützenstraße bilden ein schmuckes Ensemble im südlichen Haingebiet. Sie gehören der Stadtbau GmbH und werden von dieser auch abrechnungstechnisch als Einheit behandelt, wenn es um Hausmeisterarbeiten oder den Garten geht. Umso größer ist nun das Misstrauen der Bewohner, seit sie wissen, dass das Ensemble im Deal zwischen der Stadtbau GmbH und den städtischen Stiftungen auseinander gerissen wird: Nur die beiden mittleren Häuser gehören zu den rund 530 Wohneinheiten, die das städtische Wohnungsbauunternehmen zum 1. Januar 2017 an die städtischen Stiftungen veräußern wird.
Obwohl auch die Politik allen Betroffenen versprochen hat, dass sich für sie durch das Immobilien-Geschäft nichts und schon gar nichts zum Nachteil ändern würde, ist die Aufregung in der Schützenstraße 53 und 55 groß. Geschuldet ist sie auch dem Umstand, dass in den Häusern, die die Stadtbau behält, Stadtbau-Mitarbeiter wohnen.
Bleibt wirklich alles beim Alten?
Das habe zumindest einen "seltsamen Beigeschmack", findet Thomas C. Reiser, der in einem der betroffenen Häuser wohnt. Ähnlich äußern sich zwei seiner Nachbarinnen im Gespräch mit der Lokalredaktion. Sie mutmaßen, dass auf die Bewohner mit dem Verkauf an die Stiftungen doch etwas zukommen könnte, was die Stadtbau GmbH ihren eigenen Leuten ersparen möchte.
Von der Lokalredaktion mit den Bedenken der Mieter konfrontiert, versucht der Geschäftsführer der Stadtbau
GmbH, Veit Bergmann, zu beruhigen. Weder müssten sie sich Sorgen machen, noch gebe es Grund für solche "Verschwörungstheorien", wie er es nennt. Das Aufteilen des Gebäude-Ensembles war seinen Angaben zufolge "keine willkürliche Sache". Vielmehr sei es das Ergebnis eines mit dem Stiftungsreferat ausgehandelten Kompromisses. Demnach wollte die Stadtbau die vier Häuser Schützenstraße 51 bis 57 komplett behalten. Weil das Stiftungsreferat seinerseits großes Interesse an dem Ensemble gehabt haben soll, will man sich darauf geeinigt haben, dass jede Verhandlungspartei zwei Gebäude erhält.
Dass die Wahl schließlich auf die beiden mittleren Häuser fiel, begründet Bergmann so: Man habe es dort mit zwei Haustypen zu tun, zwei größere und zwei kleinere, die jeweils nebeneinander stehen.
Der Kompromiss sehe vor, dass je ein großes und ein kleines bei der Stadtbau bleibt beziehungsweise veräußert.
Nicht die geringste Rolle spielte nach seinen Worten der Umstand, dass Stadtbau-Beschäftigte in den Häusern wohnen, die sein Unternehmen behält. Bergmann wörtlich: "Wir haben auch Gebäude verkauft, in denen Stadtbau-Beschäftigte wohnen."
Es gibt freilich noch einen weiteren Punkt, der zur Verunsicherung der Bewohner der Schützenstraße 53 und 55 beiträgt: Sie wissen nicht, welcher Stiftung die Häuser ab 2017 gehören. Aus den Briefen, mit denen sie von der Stadtbau GmbH über den Immobilien-Verkauf informiert wurden, geht das jedenfalls nicht hervor.
In "Stiftungspool" gelandet
Nach den Recherchen der Lokalredaktion sind die beiden Immobilien aus der Schützenstraße - neben anderen - in einem sogenannten Stiftungspool gelandet. Was es mit diesem auf sich hat, wollten wir von Bertram Felix, dem Stiftungsreferenten der Stadt, wissen.
Seinen Angaben zufolge wurden in dem Pool zehn kleine Stiftungen mit relativ geringem Vermögen zusammengeführt. Keine davon wäre laut Felix für sich in der Lage, eine Immobilie zu unterhalten, könne nun aber als Teil des Pools grundbuxchrechtlich beteiligt werden.
Felix beteuert, dass die dem Pool zugeschlagenenen Mieter "100-prozentig die gleiche Sicherheit" hätten wie Immobilien, die an eine "große" Stiftung gehen. Im Anschluss an das FT-Gespräch teilte der Stiftungsreferent der Lokalredaktion mit, die Mieter würden bald ein zweites Schreiben von der Stadtbau-Zentrale bekommen.
Er habe mit Veit Bergmann vereinbart, dass darin die Stiftungen genannt werden sollen, die den Pool bilden. Es sind die Schiffauer-Stiftung, Bausch-Stiftung, Deis-Stiftung, Schwesternhaus-Stiftung, Hauptmann-Max-Beckstein-Stiftung, Stipendien-Stiftung, Marschalk-von-Ostheimsche-Stiftung, Waisenhaus-Stiftung sowie die Sondervermögen Trauner und das Volker-Hinninger-Sondervermögen.
Stadtrat stimmte dem Deal zu
Der Verkauf von 530 Stadtbau-Wohn- und 17 Stadtbau-Gewerbeeinheiten an städtische Stiftungen soll mit Beginn des Jahres 2017 in Kraft treten. Der Stadtrat hat im Juli - mit nur einer Gegenstimme - dem 25-Millionen-Euro-Geschäft zugestimmt.
Es gilt als weitsichtige finanzpolitische Weichenstellung: Die Stiftungen, die für ihr Kapital kaum mehr Zinsen bekommen, können ihr Geld nun nachhaltig in Immobilien anlegen, während die Stadtbau GmbH Millionen erhält, mit denen sie ihren Immobilienbestand modernisieren und neue Miet- und Eigentumswohnungen bauen kann.